Das Asylrecht als Waffe

Wenn Politiker davon reden, das Asylrecht zu verschärfen oder vielleicht lieber doch nicht zu verschärfen, zeigt dieser Sprachgebrauch sehr deutlich, daß sie das Asylrecht als Waffe gegen und nicht als Hilfe für Asylsuchende begreifen.

In der von den Medien beherrschten Diskussion wird verheerenderweise als Grundübereinstimmung suggeriert, die Zahl der Asylsuchenden müsse begrenzt werden oder dürfe zumindest nicht weiter ansteigen. Das Asylrecht wird dabei als Mittel angesehen, die Zahl der Asylsuchenden zu regulieren. Zynischerweise wird dabei übersehen - oder präziser: daran vorbeigesehen - , daß an den Gründen der Asylsuchenden, aus ihrem Land zu fliehen, Folter, politischer Mord, Inhaftierung ohne Anklage u.s.w., nichts geändert wird, indem hierzulande an einem Grundrecht herumgepfuscht wird.

Das Asylrecht als Waffe einzusetzen ist damit vergleichbar, daß im alten Rom versucht worden wäre, die Anzahl der Bettler über die Menge der abgegebenen kostenlosen Brote zu regulieren - also: mehr oder weniger viele verhungern zu lassen.
Der Unterschied ist im Grunde nur, daß wir die Folgen unserer Politik heutzutage nicht im eigenen Lande mitansehen müssen und uns bei Bildern in den Nachrichten im TV einreden können, wir hätten damit nichts zu tun und seien nicht verantwortlich.

Es wird von "Wirtschaftsflüchtlingen" geredet - auch ein häufig benutzter Kampfbegriff. Damit wird suggeriert, die wirtschaftlichen Verhältnisse in den Ursprungsländern würden unglücklicherweise die Menschen dazu veranlassen, von dort zu fliehen. So, als hätten wir mit deren Wirtschafts- verhältnissen nichts zu tun. Seit Jahrzehnten wird uns eingeredet, die Entwicklungshilfe sei dazu da, den "unterentwickelten" Ländern dabei zu helfen, den Anschluß an die Industrienationen zu bekommen. Doch stattdessen hat sich der Abstand - mit Ausnahme einiger weniger Länder, die z.B. durch reiche Erdölvorkommen begünstigt sind - weiter vergrößert. Ich möchte behaupten, daß die Ursachen darin liegen, daß die Entwicklungshilfe, gemessen an der Großenordung der neokolonialen Ausbeutung nur einen Almosen darstellt.

Ob die Menschen also wegen unerträglichen politischen oder wirtschaftlichen Gründen - von religiösen oder rassistischen Gründen einmal abgesehen - zu uns fliehen oder fliehen wollen, fliehen sie, weil wir - die Reichen dieser Welt - ihre Lebensumstände derart unerträglich gemacht haben oder zumindest nichts ernsthaftes unternommen haben, die aus der Kolonialzeit resultierende Ungleichheit und Ungerechtigkeit zu überwinden.

Klaus Schramm

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