29.04.2008

2009 kein CASTOR
nach Gorleben?

Neue CASTOR-Behälter für radioaktiven Müll ohne Genehmigung

Laut einer von der 'Süddeutschen Zeitung' verbreiteten Meldung, deutet vieles darauf hin, daß im Jahr 2009 der herbstliche CASTOR-Transport aus der französischen Plutoniumfabrik La Hague ("Wiederaufarbeitungsanlage") in die oberirdische Abstell-Halle in Gorleben ausgesetzt werden muß. Aus "Regierungskreisen" habe das Blatt erfahren, daß "ein deutsch-französische Regierungskommission" (Rechtschreibfehler im Original) das Aussetzen wegen mangelhafter Prüfbelege der Herstellerfirma empfiehlt. Der CASTOR-Transport im Herbst dieses Jahres wird jedoch nicht ausgesetzt.

Schon seit Jahren wird aus den Reihen der Anti-Atom-Bewegung kritisiert, daß die von der Herstellerfirma zur Genehmigung vorgelegten Berechnungen lediglich auf Annahmen beruhen, da Falltests ausschließlich mit älteren Typen von CASTOR-Behältern vorgenommen worden waren.1

Laut der regierungsamtlichen - von Atom-Minister Trittin nach dem "Atom-Ausstieg vom Jahr 2000 verkündeten - Prognose, sollte 2009 der vorletzte Transport hochradioaktiven Mülls aus der französischen Plutoniumfabrik La Hague stattfinden. Dieser Zeitplan sei nun nicht mehr zu halten, heißt es nach den Informationen der 'Süddeutschen'. Daher müsse nunmehr sowohl 2008, 2010 und 2011 der CASTOR rollen.

Bereits seit Wochen kursieren Gerüchte, wonach sich die Genehmigung eines neuen CASTOR-Behälters stärker verschieben wird als bislang von den "Verantwortlichen" angenommen. Der CASTOR vom Typ HAW-28-M werde derzeit von der Bundesanstalt für Materialprüfung auf seine Zuverlässigkeit hin überprüft. Diese Prüfung werde frühestens im September 2008 beendet sein. Nun muß es tatsächlich beim Genehmigungsverfahren selbst für die dickfelligen deutschen Behörden allzu dreist zugegangen sein. In einem Schreiben an den CASTOR-Hersteller, die 'Gesellschaft für Nuklear-Service' (GNS) mit Datum vom Dezember 2007 beklagt die Behörde "Defizite des Antragstellers bei grundlegenden Fragestellungen".

Diese "Defizite" seien nun - so die Quelle der 'Süddeutschen' - "eine der wesentlichen Ursachen für die zeitlichen Verzögerungen" gewesen. Auch seien Berechnungs-Modelle willkürlich so verändert worden, daß sie die gewünschten Ergebnisse lieferten. Mit Berechnungen auf der Grundlage von Falltests mit einem älteren - konstruktiv stark abweichenden - CASTOR-Typ soll die "Sicherheit" von Nachfolge-Typen bewiesen werden. Die GNS bestätigte gestern (Montag), daß sich die Berechnungen verzögerten. Es gebe aber keinerlei Hinweise, daß es grundsätzliche Bedenken an der Sicherheit des Behälters gebe, erklärte ein Sprecher der GNS.

Die Bundesanstalt für Materialprüfung hüllt sich derweil in Schweigen. Neben der Genehmigung dieser Behörde benötigt der neue CASTOR-Typ zudem eine weitere durch das 'Bundesamt für Strahlenschutz' (BfS). Von Seiten dieses Amtes hieß es, ein entsprechender Antrag liege zwar vor, werde aber noch geprüft.

Die Herstellerfirma GNS hatte ursprünglich mit einer Genehmigung des CASTORs vom Typ HAW-28-M noch in diesem Sommer gerechnet. Die GNS ist eine gemeinsame Tochter der deutschen AKW-Betreiber Eon, RWE und EnBW. Ein neuer Behälter-Typ war nötig geworden, weil die Temperaturen des Atommülls mittlerweile höher sind als noch vor Jahren. Zu den Schwierigkeiten bei der Genehmigung des CASTORs gesellen sich "Bauarbeiten" in der Plutoniumfabrik La Hague. Nach offiziellen Informationen kann daher zwischen November und April kein Atommüll verladen werden - was einen Aufschub bis ans Jahresende bedeutet. Denn allein die Befüllung der Behälter mit jeweils 28 hochradioaktiven Glasgefäßen nimmt mehr als ein halbes Jahr in Anspruch.

Laut der Quelle der 'Süddeutschen' habe daher die eingangs genannte Kommission vergangene Woche beschlossen, auf den für 2009 geplanten Transport zu verzichten. Möglicherweise ist die Terminverschiebung auch auf die regulär für Herbst 2009 angesetzte Bundestagswahl zurückzuführen. Ob durch den Aufschub weitere Kosten für die deutschen AKW-Betreiber - wegen finanzieller Forderungen aus La Hague - entstehen, blieb laut der 'Süddeutschen' zunächst unklar.

Der CASTOR-Transport nach Gorleben hatte zuletzt in den Jahren 2005 und 2006 jeweils 12 CASTOR-Behälter umfaßt. Bereits 2007 mußte ein Transport ausgesetzt werden. Wegen des Kontaminations-Skandals 1997 mußten die CASTOR-Transporte nach Gorleben 1998 und 1999 ausgesetzt werden. Damals wurde an der Außenseite der CASTORen 3.500 mal mehr Radioaktivität als zulässig gemessen. Insgesamt stehen mittlerweile 80 CASTOR-Behälter in der oberirdischen Halle bei Gorleben, 33 weitere sollen folgen. Hierzu ist für Herbst dieses Jahres der Transport nicht mit einem CASTOR-Behälter der deutschen GNS, sondern mit dem französischen Konkurrenzprodukt TN85 vorgesehen.

Dieser Behälter ist allerdings ebenfalls noch nicht genehmigt. Eine Genehmigung dafür werde aber demnächst ergehen, kündigte BfS-Sprecher Werner Nording an. Auch dieses Detail spricht dafür, daß es weniger um eine etwaige Verzögerung bei der Genehmigung des CASTORs vom Typ HAW-28-M geht, sondern um die Bundestagswahl 2009.

Atomkraft-GegnerInnen aus der Region um Gorleben forderten, die technischen Probleme mit den CASTOR-Behältern offen zu legen. Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow Dannenberg forderte zudem, statt dubioser Computer-Simulationen reale Test wie beispielsweise Fall- und Brandversuche mit den CASTOR-Behältern vorzunehmen. Bislang lehnte das BfS solche Tests aus Kostengründen ab.

"Angesichts von mehr als 30 Millionen Euro an Polizeikosten, die regelmäßig zur Durchsetzung der Transporte ausgegeben werden, ist dieses Kostenargument haarsträubend", kommentierte ein BI-Sprecher. Die BI kündigte Proteste gegen weitere Transporte an, die einen "unnötigen Sachzwang auf ein Endlager im untauglichen Gorlebener Salzstock" verursachen.

Das Anti-Castor-Bündnis 'X-tausendmal quer' forderte eine Absage aller Transporte und ein Ende der Zusammenarbeit mit der Herstellerfirma. Die GNS habe die Sicherheit der neuen Behälter "schöngerechnet" und versuche, die Behörden auszutricksen, erklärte das Bündnis. Der Firma solle die Genehmigung für Transporte und Lagerung grundsätzlich entzogen werden, da sie die im Atomgesetz genannte Bedingung der Zuverlässigkeit nicht erfülle. Die GNS wies die Kritik zurück.

Die Umweltorganisation Greenpeace begrüßte die Absage des CASTOR-Transports 2009. Es müsse sich endlich vernünftiges Denken durchsetzen, sagte Greenpeace-Atomexperte Heinz Smital. Da die Frage eines atomaren Endlagers nach wie vor ungeklärt sei, dürfe nicht weiter Atommüll quer durch Europa verschoben werden.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

1 Siehe auch unsere Artikel:

      CASTOR-Behälter angeblich
      sicher ohne Falltests (6.02.05)

      sueddeutsche-online ahnungslos
      Castor-"Information" ohne jede Sachkenntnis (4.01.05)

      Castor-Gutachten offenlegen
      BI Lüchow Dannenberg zweifelt an Gutachten
      zur Sicherheit bei Terror-Angriffen (28.04.04)

      Offenbarungseid der Castor-Technologie
      Betrifft: BLG zum Druck im Castor (28.04.01)

 

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