29.12.2004

Artikel

Flut drang auch
in indisches AKW

Angeblich kurz nach Wassereinbruch heruntergefahren
Dreißig Beschäftigte getötet

Im südindischen Bundesstaat Tamil Nadu wurde von der Tsunami-Katastrophe auch ein AKW betroffen. Wasser drang in das AKW-Gebäude bei Kalpakkam in der Nähe von Madras ein. Obwohl jeder Wassereinbruch die Funktionsfähigkeit der elektrischen Steuerinstrumente gefährdet, konnte nach Angaben der indischen Regierung der Reaktor noch rechtzeitig heruntergefahren werden.

Das bei der Flutkatastrophe beschädigte AKW, das nach der früheren indischen Regierungs-Chefin und zeitweiligen Diktatorin Indira Gandhi benannt ist, stellt nach offizieller Auskunft keine Bedrohung für die Umwelt dar. Indiens Regierungschef Manmohan Singh hatte eigens für den gestrigen Dienstag ein Treffen mit der staatlichen Atomkraft-Kommission anberaumt, um mögliche Schäden am 80 Kilometer südlich von Madras gelegenen "Indira-Gandhi-Kraftwerk" in Kalpakkam zu besprechen, berichtete die Nachrichtenagentur 'Press Trust of India' am Montag.

Der Nationale Sicherheitsberater J.N. Dixit erklärte gestern in Neu-Delhi, das AKW sei sicher. Das AKW-Gebäude werde jetzt trocken gelegt und gesäubert. Es gebe kein Risiko, daß radioaktive Strahlung freigesetzt werde, so Dixit. Konkrete Informationen, ob die Beschäftigten des AKW Indira-Gandhi - die Zahl von 30 Personen wird lediglich ohne nähere Angaben genannt - innerhalb oder außerhalb des Reaktorgebäudes ums Leben kamen, liegen derzeit nicht vor. Das AKW beschäftigt insgesamt fast 2.300 Peronen. 1.500 Familien in Kalpakkam wurden nach Angaben des Fernsehsenders NDTV von staatlichen Hilfsorganisationen in Sicherheit gebracht.

Möglicherweise entging die Region um Madras nur knapp einer Katastrophe, die in ihren Auswirkungen die verheerenden Folgen der gigantischen Flutwelle bei weitem in den Schatten gestellt hätte. Ein vergleichbarer Unfall, bei dem nur äußerst knapp ein GAU hatte vermieden werden können, ereignete sich in Folge des Sturms 'Lothar' in der Nacht zum 28. Dezember 1999 im AKW Blayais in der Nähe von Bordeaux. Das Hochwasser der Gironde, das in diesem Ausmaß bei der Planung des AKW Blayais nicht vorgesehen war, hatte dazu geführt, daß Wasser ins Reaktorgebäude eindrang und zentrale Anlagen-Teile überflutete.

Spätere Analysen des Unfall-Hergangs zeigten, daß ein Zusammenbruch der Stromversorgung kurz bevor stand und damit die Notabschaltung unmöglich geworden wäre. Die Pumpen der Kühlkreisläufe wären ausgefallen, der Reaktorkern wäre durchgebrannt und eine Explosion des Reaktordruckgefäßes unvermeidbar geworden. Entgegen der sonstigen Verschwiegenheit der französischen Presse in Fragen der "nuklearen Sicherheit" berichtete die Zeitung 'Sud Ouest', daß das AKW Blayais nahe Bordeaux nur knapp einem schweren Unglück entgangen sei.

 

Klaus Schramm

 

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