1.07.2004

Artikel

"Pannen" im AKW Leibstadt

HSK betreibt Vertuschung

Einen ganzen Monat lang ließ sich die Sicherheitsbehörde HSK Zeit. Erst danach informierte sie die Öffentlichkeit, daß Mitarbeiter des AKW Leibstadt in der Nacht von 28. auf 29. Mai gleich zwei grobe Fehler gemacht hatten. Mit den beiden "Pannen" allein konnte allerdings nicht erklärt werden, weshalb innerhalb wenigen Stunden vier Mal so viel radioaktives Jod-131 in die Umwelt abgegeben wurde wie im Betriebsjahr 2003 durchschnittlich während einer ganzen Woche. Greenpeace vermutete deshalb sofort zusätzliche Brennelement- Defekte. Erst auf entsprechende Anfrage bestätigte die HSK gestern diese Vermutung.

Die Verlautbarungen der HSK (Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen) kamen nicht nur reichlich spät, sondern waren überdies unvollständig und warfen mehr Fragen auf als sie beantworteten. Das Atomkraftwerk Leibstadt mußte heruntergefahren werden, um ein leckendes Ventil im Primärkreislauf zu reparieren. Die HSK läßt keine Informationen nach außen dringen, die erklären würden, wie es zu einem solchen Leck kommen konnte.

Als der Reaktor wieder hochgefahren wurde, kam es zu den berichteten Fehlern. Ab 19 Uhr ließen die Mitarbeiter vorschriftswidrig stundenlang Lüftungsklappen offen stehen, die das Innerste des Reaktorgebäudes von den umgebenden Bereichen abschotten sollen. Und kurz vor 23 Uhr fuhren sie den Reaktor zu schnell hoch, was zur Überschreitung der erlaubten Aufheiz-Rate führte. Die nach einem solchen Fehler nötigen und vorgeschriebenen Neuberechnungen der Belastbarkeit des Reaktor-Druckbehälters nahmen sie nicht vor.

In dieser Nacht war innerhalb weniger Stunden vier Mal so viel radioaktives Jod-131 in die Umwelt entwichen wie im Betriebsjahr 2003 in einer ganzen Woche. Die Mitteilung der HSK ("Die Werte für Jod lagen bei rund zwei Prozent der so genannten Kurzzeitabgabelimite.") ist irreführend und verharmlosend. Das radioaktive Jod ist normalerweise in der Matrix der Brennstoff-Tabletten und in den Brennstab-Hüllrohren fest eingeschlossen. Greenpeace vermutete sofort, daß es neben den berichteten Fehlern zusätzlich auch zu Brennelement-Defekten größeren Ausmaßes gekommen sein muß. Erst auf Anfrage bestätigte die Behörde gestern diese Vermutung. Beim Abfahren des Reaktors war offenbar ein Brennstab aufgeplatzt und verursachte die deutlich erhöhte Jod-Freisetzung.

Würde konsequent vorausschauende Instandhaltung betrieben, hätte das Ventil-Bestandteil ausgetauscht werden müssen, bevor es das Leck verursachen konnte. Es stellt sich daher die Frage, ob die Kernkraftwerk Leibstadt AG, die bekanntermaßen unter hohem Kostendruck steht, beim Unterhalt spart, die Alterungs-Überwachung venachlässigt und damit das Risikopotential des AKWs extrem verschärft.

 

Ute Daniels

 

Anmerkungen:

Siehe auch unsere Artikel

    'Atom-Mafia europaweit im Aufwind?' (26.04.04)
    Hierin u.a. zum Schweizer AKW Beznau

    'Öko-Institut schadet Schweizer Atomkraft-GegnerInnen' (3.02.04)

    'CASTOR-Transport in der Schweiz' (27.08.03)

 

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