8.01.2005

Litauen:
50 Prozent Atom-Ausstieg

Litauisches AKW Ignalina I abgeschaltet

Litauen ist symptomatisch für den Stand des Atom-Ausstiegs in Europa. Entsprechend einer Vereinbarung mit der EU wurde am Freitag, 31.12.04, mit dem Herunterfahren eines der beiden Reaktoren im einzigen litauischen AKW begonnen. Der Reaktor vom Bau-Typ des Tschernobyl-Reaktors hatte damit 18 Jahre lang seit der Katastrophe von 1986 die Bevölkerung Europas dem Risiko einer nochmaligen radioaktiven Verseuchung ausgesetzt.

Wie der Leiter des AKW Ignalia, Viktoras Sevaldinas, mitteilte, wurde der Reaktor langsam heruntergefahren und am 3. Januar gegen 19 Uhr komplett stillgelegt. Die beiden Blöcke des AKW Ignalia lieferten bis dato - nach offiziellen Angaben - rund 70 Prozent des Strombedarfs aller drei baltischen Staaten. Laut ExpertInnen verfügt Litauen jedoch nach wie vor über starke Überkapazitäten an elektrischer Energie, so die österreichische Tageszeitung 'Der Standard' in der Ausgabe vom 4. Januar. Beachtenswert ist darüber hinaus, daß die Stillegung von Ignalia I in den deutschen Massenmedien unterschlagen, jedoch in österreichischen Medien wie dem 'Standard' Beachtung fand.

Bei den Verhandlungen zum EU-Beitritt hatte sich Litauen verpflichtet, einen der beiden Reaktoren des AKW Ignalia bis Ende 2004, den anderen bis 2009 abzuschalten. Erkauft wurde diese Zusage von der europäische Atom-Mafia gegen eine "finanzielle Unterstützung" aus EU-Mitteln in unbekannter Höhe, von der nach offiziellen Angaben bereits 200 Millionen Euro geflossen sind. Zudem ist durch den Vertrag nicht ausgeschlossen, daß auf dem Gelände des AKW Ignalia ein neuer Reaktor errichtet wird. Im Gespräch ist dabei der unter anderem vom Atom-Konzern Siemens entwickelte "Euro-Reaktor" EPR (european pressurized water reactor). Konkrete Pläne zum Bau solcher Reaktoren bestehen bereits an den AKW Standorten Flamanville an der französischen Kanalküste und im finnischen Olkiluoto.*

In den österreichischen Medien wurde auch mit Interesse vermerkt, daß derzeit noch nicht feststehe, ob in Litauen ein Atom-Ausstieg vollzogen, oder ob "ein modernes Atomkraftwerk in Ignalia errichtet" ('Der Standard') werde. Dies ist vor dem Hintergrund zu sehen, daß die österreichische Bevölkerung noch während des Baus des ersten AKW in Zwentendorf 1978 den Atom-Ausstieg erzwingen konnte.

Wenig bekannt ist in Deutschland zudem, daß die Anti-Atom-Bewegung auch in Dänemark, in Portugal und in Italien den Atom-Ausstieg realisieren konnte. In Italien sprachen sich bei einer Volksabstimmung 1987 rund 80 Prozent der ItalienerInnen für ein Verbot der Atomkraft aus. Drei im Betrieb befindliche Atomkraftwerke wurden noch 1987 stillgelegt und ein weiteres in Bau befindliches AKW ging nicht mehr ans Netz.

Anders hingegen in Schweden: Dort wurde zwar bereits 1980 bei einer Volksabstimmung der Atom-Ausstieg beschlossen. Der schwedische Reichstag weichte diesen Beschluß alsbald jedoch wieder auf. Als bis 1997 immer noch keine Konsequenzen gezogen wurden, beschloß der schwedische Reichstag, einen der beiden Reaktoren des AKW Barsebäck bis zum 1. Juli 1998, den zweiten bis zum 1. Juli 2001 stillzulegen, hielt sich dabei jedoch ein Hintertürchen offen.

Von 12 Reaktoren an 4 Standorten wurde bisher lediglich einer am 29.11.99 abgeschaltet. Auch ein früherer Beschluß über die Stillegung aller schwedischen AKWs bis spätestens zum Jahr 2010 wurde aufgehoben.

 

Klaus Schramm

 

Anmerkung

* Siehe auch unseren Artikel

      'Atom-Mafia europaweit im Aufwind?' (26.04.04)

 

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