23.11.2004

Schwäbische Kleinstadt
ist praktisch bankrott

Pro-Kopf-Verschuldung bei 4.200 Euro

Die schwäbische Kleinstadt Aulendorf im Kreis Ravensburg führt mit Abstand im Ranking der höchstverschuldeten Kommunen Baden-Württembergs. Insgesamt 42 Millionen Euro beträgt der Schuldenberg, den der oberschwäbische Kurort angehäuft hat. Bei nur 10.000 EinwohnerInnen kommen so - inklusive Säuglingen und GreisInnen - auf jeden 4.200 Euro.

Letzte Woche beschäftigte sich eine BürgerInnen-Versammlung mit den tiefroten Kommunal-Finanzen. Doch die Menschen scheinen durch eine über Jahrzehnte fortgesetzte hemmunglose Schuldenpolitik mehrerer Bürgermeister völlig abgestumpft zu sein. Jedenfalls nahmen die rund 500 Interessierten bei der BürgerInnen-Versammlung auch die düstersten Zukunfts-Prognosen äußerlich gelassen hin.

Ein aus Kehl angereister Wirtschaftsprofessor der dortigen Fachhochschule, ermunterte die ZuhöreInnen mit der Prognose, daß es mindestens 30 Jahre dauern werde, bis mit einer Radikalkur der Schuldenberg auf "Normalmaß" zurückgeführt werden könne. Wobei er allerdings nicht verriet, was er in Anbetracht der heute in den Kommunen herrschenden Durchschnitts-Verschuldung1 als "normales Verschuldungsniveau" ansieht.

Fünf Millionen Euro beträgt das Defizit, dem sich Aulendorfs Kämmerer 2004 gegenübersieht. Zins und Tilgung können immer nur mit neuen Krediten bezahlt werden. Sisyphus' Strafe war dagegen harmlos; dessen Berg wuchs nicht auch noch von Jahr zu Jahr.

Als Ausweg wird den AulendorferInnen die Null-Acht-Fünfzehn-Roßkur von Privatisierungen, Schließungen, Personalabbau und Gehaltskürzungen anheim gelegt. "Grausamkeiten" seien unvermeidlich. Selbstverständlich liegt es jenseits alles Denkbaren, daß den Banken die Grausamkeit angetan werden könnte, deren Forderungen zu kürzen...

Immerhin jedoch bietet Aulendorf das seltene Beispiel, daß ein Bürgermeister zur - teilweisen - Begleichung der aufgetürmten Schulden beitragen mußte: Der damalige Bürgermeister Johannes Heinzler kam 2001 nicht umhin, zur Minderung von Verlusten, die der Stadt beim Bau eines defizitären Thermalbades entstanden waren, ins eigene Portemonnaie zu greifen. Um einer Amtsenthebung durch das als Aufsichtsbehörde zuständige Landratsamt zu entgehen, erklärte sich Heinzler zur einmaligen Zahlung von ungerechnet 55.000 Euro bereit.

Es geht also auch anders.

 

Harry Weber

 

Anmerkungen

1 Siehe auch unsere Artikel
      Profite, Pleiten und Sozialabbau (27.03.04)

      Städte pleite, Mittelstand pleite, Privathaushalte pleite (6.02.04)

      NRW pleite (3.09.03)

      Pleiten, Pleiten und - noch mehr Pleiten (20.07.03)

 

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