22.07.2004

Artikel

Neuwahlen in Ba-Wü?

Justizministerin Corinna Werwigk-Hertneck heute zurückgetreten

Nicht nur die zweimaligen Vorboten der Klimakatastrophe1 haben in Baden-Württemberg in den letzten Wochen Weinberge und Felder verhagelt, auch Erwin Teufels eben erst neu aufgestelltes Kabinett hat's nunmehr zweifach getroffen:

Gleich bei der Präsentation der drei neuen Minister, der neuen Ministerin und der neuen Staatssekretärin am 8. Juli mußte Ministerpräsident Teufel ungewohnte Kritik auch aus den eigenen Reihen einstecken. Die Versorgungsposten für die entsorgten Minister Thomas Schäuble (Inneres) und Friedhelm Repnick (Unsoziales) hatten für bislang ungekannten Gegenwind im baden-württembergischen Blätterwald (besser: Wäldle, da nach all den Übernahmen nur noch durch die Zeitungsnamen der Eindruck von Pluralität erweckt wird) gesorgt. Thomas Schäuble, der geradlinige kleine Bruder von Wolfgang Schäuble erhielt sein Lieblings-Lehen, die Rothaus-Brauerei, und Friedhelm Repnick, der ehemalige Apotheker entblödete sich nicht, auf seine "unternehmerischen" Erfahrungen zu verweisen, um seine Eignung als zukünftiger Chef der landeseigenen Toto-Lotto- Gesellschaft zu beglaubigen. Bereits am Tag darauf, am 9. Juli, mußten erstmals Flurschäden durch bis zu faustgroße Hagelkörner vermeldet werden.

Nachdem nun schon das erste Revirement des schwarz-gelben Kabinetts durch den mehr grauen als gelben Walter Döring und dessen Huntzinger-Connection ausgelöst worden war, bricht Teufel nun auch die andere gelbe Seele von der Seite: Nur fünf Wochen nach dem Rücktritt von Wirtschaftsminister Walter Döring legt nun auch die blaßgelbe Justizministerin Corinna Werwigk-Hertneck ihr Amt nieder. Die Dame war eigentlich schon seit Beginn ihrer ministeriellen Laufbahn ein wandelnder Skandal, da sie nur durch heftiges "gutes Zureden" davon hatte abgehalten werden können, als Justizministerin zugleich den Job in ihrer Anwaltskanzlei zu behalten. Nach den heftigen Abstürzen der gelben Vorbilder Möllemann und Döring schien sich die Dame offenbar nicht auf Fallschirm oder Hubschrauber, sondern allein auf ein weiches Landeplätzchen verlassen zu wollen.

Teufel muß das dräuende Unwetter wohl schon geahnt haben, denn wohlweislich entzog er die auf magische Weise die Blitze auf sich ziehende Ministerin dem Zugriff des Flowtex-Untersuchungs- ausschusses. Mit einem Überraschungs-Coup hatte Teufel Mitte des Monats eine Sitzung des Ausschusses absetzen lassen und so seine Dame auf dem Schachbrett zumindest bis zur Sommerpause den genialen Zügen der Landtagsopposition entzogen. So war ja bereits angekündigt, Corinna Werwigk-Hertneck danach zu befragen, unter welchen Umständen (per Handy oder Festnetz-Telefon) und mit welchen Details (die gesamten Akten oder nur die wichtigen Stellen) sie ihren früheren Chef Walter Döring über das zu diesem Zeitpunkt noch bevorstehende staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren informiert hatte. Nun nahm die Statsanwaltschaft Ermittlungen auch gegen sie auf und dies bedeutet, daß zumindest ein begründeter Verdacht auf die Verletzung von Dienstgeheimnissen vorliegen muß.

Da muß Erwin Teufel wohl schwer gepoltert haben, daß die Justizministerin diesmal so schnell begriff, daß das Spiel nun ausgespielt ist. Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft bestätigte, daß das Verfahren gegen die 51-jährige Werwigk-Hertneck am Mittwochabend - also vor weniger als 24 Stunden - eingeleitet worden war. Inzwischen ist auch durchgesickert, daß Werwigk-Hertneck den als Minister und FDP-Landesvorsitzenden zurückgetretenen Döring nicht nur Anfang Juli über das zweite Ermittlungsverfahren gegen ihn informierte, sondern auch während seiner Amtszeit bereits im Juni über das erste. Werwigk-Hertneck wies alle erhobenen Vorwürfe als "aus der Luft gegriffene Behauptungen" zurück und beteuerte, sie habe stets die Wahrheit gesagt. Mit ihrem Rücktritt wolle sie lediglich Schaden vom Amt abwenden.

Schwer angeschlagen schloß Erwin Teufel heute gegenüber den Medien vorzeitige Neuwahlen nicht mehr aus, versuchte sich aber als Handelnder statt Getriebener zu präsentieren: Er sei "jederzeit zu Neuwahlen bereit", sagte er heute in Stuttgart.

 

Klaus Schramm

 

Anmerkungen:

Siehe auch unseren Artikel
'Vorgeschmack auf die Klimakatastrophe' (18.07.04)

 

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