Gezerre um das eurasische Pipeline-Netz
Die Pipeline vom Kaspischen Meer zum Mittelmeer, zweimal so lang wie Deutschland und ebenso teuer wie der
Hamburg-Berlin-Transrapid seligen Angedenkens, ist seit langem geplant. BTC-, Baku-Tbilissi- Ceyhan-Pipeline
heißt sie.
Von der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku vor den ölreichen kaspischen
Offshore-Gebieten wird die Trasse, um das russisch verbündete Armenien herum, über Georgien führen, durch
kurdisches Gebiet in der Türkei bis zum Ölhafen Ceyhan, nicht weit von der syrischen Grenze.
Gleich geht's los
Nach jahrelangen Verhandlungen und vielen Signalen zum Baubeginn erklärte der Konsortialführer BP Amoco,
drittgrößter Ölkonzern der Welt, die BTC-Trasse werde nun gezogen. Im September 2002 setzten sich
US-Energieminister Abraham und die drei Präsidenten Alijew (Aserbaidschan), Schewardnadse (Georgien) und
Sezer (Türkei) in Baku vor Fotografen, jeder einen Helm mit ihrer Staatsfahne auf den Kopf und schaufelten etwas
Sand von links nach rechts. Gleich geht's los, sagten sie.
Zwar gab es noch ökologische Bedenken gegen die Trassenführung durch die empfindliche Borjomi-Schlucht. Aus
dieser Schlucht hatte die ganze Sowjetunion einst ein vielgelobtes Mineralwasser bezogen. Doch diese Kleinigkeit
schien drei Monate später ausgeräumt. Im Dezember 2002 kündigte die georgische Regierung an: Gleich geht's
los.
Die Türkei drängelte nun, doch aus Afghanistan wurden Finanzierungsprobleme gemeldet. Die Weltbank sei mit der
aserbaidschanischen Zahlungsmoral unzufrieden. Der Bau werde jedenfalls im Frühjahr 2003 beginnen. Gleich
geht's los, hieß es von BP Amoco.
Dann, im Juli 2003, meldete die 'junge Welt', die Pipeline werde jetzt gebaut. Sie zitierte die 'Financial Times
Deutschland', die sich auskennt in solchen Sachen. Die hatte die Neuigkeit von Andrew McAuslan, Manager bei BP
Amoco. Von den drei Milliarden Dollar Bausumme werde 1,3 Milliarden Dollar das BTC-Konsortium tragen, dreißig
Prozent davon, also 433 Millionen Dollar, halte BP Amoco. »Die Finanzierung durch das Konsortium ist auf jeden
Fall gesichert, auch wenn Details mit Banken und Kreditversicherungen noch verhandelt werden«. Gleich geht's los?
Die Differenz zwischen BTC-Konsortialanteil und Baukosten müsse extern finanziert werden, unter anderem von der
Weltbank und der Europäischen Bank für Wiederaufbau. 1,7 Milliarden Dollar kämen also noch dazu. Warum
eigentlich von außen? Und warum überhaupt dieser ungeheuer lange Landweg von 1700 Kilometern?
Flaschenhals Bosporus
Der erste Grund für Außenfinanzierung und langen Landweg heißt Bosporus. Der Bosporus, so die Energy
Information Agency beim US-amerikanischen Energieministerium, ist ein Chokepoint - ein Würgepunkt. Durch ihn
würgen sich täglich Tanker mit einer Gesamtfracht von über 1,7 Millionen Barrel Rohöl1, genug für den
Benzinverbrauch von 40 Millionen Autos. Würgepunkt auch deshalb, weil am Bosporus die Zufuhr russischen,
kasachischen und kaspischen Öls und deren Abfuhr durchs Mittelmeer in die Welt regelrecht abgewürgt werden
können.
Im Augenblick würgt die Türkei. Weitere Schiffsbewegungen durch den Bosporus gefährdeten Istanbul, argumentiert
die türkische Regierung, den Profit fest im Auge, der dem türkischen Ölkonzern SOCAR winkt, wenn das BTC-Öl
erst über ihr Land fließt. SOCAR ist an BTC beteiligt, wenn auch im türkischen, dem längsten Abschnitt, ein anderer
im Auftrag von SOCAR den Bau leiten wird: Es ist Halliburton, der Rüstungs-, Privatarmee- und
Öltechnologie-Gigant, von dem Dick Cheney, der Vizepräsident der USA, als ehemaliger Generaldirektor noch
immer Geld bezieht.
Die Ölkonzerne Chevron und ExonMobil, vor BP Amoco auf Platz eins und zwei der Weltrangliste, hatten sich bei
der BTC-Planung stark zurückgehalten. Sie glaubten nicht an die ökonomische Tragfähigkeit. Auf eine Million Barrel
Öl pro Tag ist die Leitung ausgelegt. Aserbaidschanisches Offshore-Öl allein, fürchteten sie, würde die
Drei-Milliarden-Investition nicht auslasten. Einige hunderttausend Barrel müßten vom Nordufer des Kaspischen
Meeres hinzukommen. Doch dort, in Kasachstan, haben sich Chevron und ExxonMobil für das Öl der Tengisfelder
auf den Bau der ebenfalls gigantischen CPC-Pipeline eingelassen - zusammen mit Kasachstan und Rußland
(in der Karte: die Route nördl. des Aralsees). Die Millionen-Barrel-Leitung ist in Betrieb, und das Öl fließt zum
russischen Schwarzmeehafen Noworossisk.
Muß nicht auch das Tengis-Öl aus Kasachstan vom Nordufer des Schwarzen Meeres weiter zu den rohstoffarmen
ölfressenden Industriestaaten - also ebenfalls durch den Flaschenhals Bosporus? Nicht unbedingt. Davon später.
Im Widerspruch zu den Taten von Chevron und ExxonMobil sah der US-Sondergesandte für die kaspische Region,
Stephen Mann, immer noch Möglichkeiten, die BTC-Leitung zumindest zu 15 Prozent mit kasachischem Öl zu füllen.
Das BTC-Konsortium unter Führung des Konkurrenten BP Amoco jedenfalls faßte nicht etwa die Reduzierung oder
gar Einstellung ihres Projekts ins Auge, sondern die Ausweitung. Die eh vorhandene Trasse könne großenteils für
eine Erdgasleitung von Baku über Tbilissi in die Türkei, nämlich nach Erzurum verwendet werden. Das koste dann
statt drei zwar 4,7 Milliarden Dollar, werde sich aber wegen der großen Gasfunde auf den Shah-Deniz-Feldern vor
Baku als rentabler erweisen. Die Frage wurde nicht entschieden. Dafür wurde immer wieder verkündet: Gleich
geht's los.
Die Regionalmächte
Der zweite und der dritte Grund für die Außenfinanzierung des BTC-Projekts, für den langen Landweg und zugleich
für alle Bauverzögerungen sind der Iran und Rußland. Diese beiden Regionalmächte will die US-Staatsmacht
schwächen, selbst wenn die eigenen Konzerne mit den russischen Konzernen kooperieren und mit den iranischen
gern kooperieren würden. Daher auch die Außenfinanzierung, also die staatliche oder überstaatliche
Subventionierung des im Kern politisch-strategischen Projekts. Weltbank und Europäische Bank für Wiederaufbau
sollen sich mit 1,7 Milliarden Dollar beteiligen. Das Reglement der Europäischen Bank für Wiederaufbau gestattet
jedoch nur Beteiligungen an ökologisch einwandfreien Projekten. Daher die Verzögerung in Georgien. Inzwischen
hat zwar dessen Regierung den Bau freigegeben, doch die Klage einer Umweltorganisation ist von einem
georgischen Gericht zugelassen und noch nicht entschieden worden. Somit hängt die Außenfinanzierung in der Luft,
und mit ihr der ganze Mehrmilliardenbau.
Die Konzeption eines Pipelinenetzes für Eurasien ähnelt dem Versuch, ein großes Laken über ein Doppelbett zu
legen. Mit Schwung und viel Luft darunter landet das Laken schräg, hängt über und läßt abzudeckende Fläche frei.
Wenn es liegt, bleiben Falten, und das glättende Herumkrabbeln hinterläßt anderswo krumpelige Stellen. Da
versucht's der Hausmann dann mit einem zweiten oder dritten Wurf und weiterem Gekrabbel. Ist er ins Schwitzen
gekommen und hat das Fenster geöffnet, landet das Laken beim erneuten Versuch erst einmal auf der Kommode.
Ein Pipelinenetz, genauer: ein Netz von Transportkorridoren für Gas- und Ölleitungen, Nachrichtenkabel, Straßen
und Eisenbahnschienen mit Verschiffungsmöglichkeit an den Enden, hängt davon ab, wo der Rohstoff liegt, wie gut
er ist und wie teuer jetzt und später; wo er gebraucht wird; wo das Meer für den Weitertransport ist; wie tief das Meer
am Ufer ist; wo Feinde oder Partisanen den Hahn abdrehen können; wo die Konkurrenz baut; wer welche Risiken
mitträgt; welche Auflagen die beteiligten Staaten machen; welchen Widerstand die Bürger leisten... Da kommt es zu
Verzögerungen, zumal sich die meisten Projekte erst über mehr als zwanzig Jahre hinweg amortisieren.
Die Trasse von Aserbaidschan über Georgien ans türkische Mittelmeer lohnt sich nur, wenn der Ölpreis dauerhaft
eher hoch liegt. Kommt viel hochwertiges irakisches Öl - billig - auf den Markt, so hat sich BP Amoco verkalkuliert.
Auch spielt die politische Lage im Iran eine Rolle. Kippt das US-feindliche Mullah-Regime, so werden alle Karten
neu gemischt. Denn der kürzeste Weg von der landumschlossenen Kaspischen See führt nun einmal über Teheran
und den Persischen Golf in die Weltmeere. Was läge näher als eine Kooperation mit dem Iran, teilweise über
sogenannte Swap-Geschäfte. Kaspisches Öl wird in der iranischen Hauptstadt raffiniert und verbraucht, iranisches
Öl aus dem hauptstadtfernen Süden des Landes geht als Kompensation in die Welt.
Gas durch Afghanistan?
Doch der Flaschenhals Bosporus kann noch anders umgangen werden. Die drittgrößten Erdgasreserven der Welt
liegen nordwestlich von Afghanistan in Turkmenistan. Sie könnten über das Kaspische Meer nach Baku und von dort
in die Welt geleitet werden - oder über Afghanistan nach Pakistan an die Arabische See, also den Indischen
Ozean. Genau solch einen Gasleitungsplan des US-Konzerns Unocal von Turkmenistan über Afghanistan nach
Pakistan hatte Ahmed Rashid vom konservativen britischen Telegraph in seinem Buch über die Taliban bekannt
gemacht, als die USA Afghanistan überfielen. (hellgrüne und braune Route) Der jetzige US-Statthalter in Kabul,
Hamid Karzai, und der
US-Sonderemissär in Afghanistan, Zalmay Khamilzad, waren in die Geschäfte von Unocal verwoben. Unocal
erklärte wiederholt, unter anderem in einem Interview mit dem prominenten Internet-Rechercheur Jared Israel, es
habe alle Pipeline-Pläne für Afghanistan verworfen. Doch immer wieder wurde gemeldet, der Bau sei weiterhin
beabsichtigt.
Tatsächlich hatten die turkmenische und die pakistanische Regierung am Bau ebenso viel Interesse wie der
afghanische US-Statthalter. Doch politisches Interesse ist das eine, ökonomisches das andere. AP titelte am 26.
Dezember 2002, die drei Länderchefs würden ein »3,2-Milliarden-Dollar-Pipeline-Geschäft« abschließen. Im Text
war nur noch von einem Rahmenvertrag über die ehemalige Unocal-Trasse die Rede. Die Asian Development
Bank, eine Weltbanktochter, würde eine Machbarkeitsstudie fertigen, und jeder interessierte Investor könne
einsteigen.
Ein Investor fand sich bisher nicht. Die US-Regierung soll inzwischen wieder Kontakt mit den Taliban aufgenommen
haben - oder ihn nie haben abbrechen lassen. Das Land jedenfalls ist nicht befriedet. Das sind schlechte
Aussichten für einen Pipeline-Bau.
Statt dessen schloß der »Zar« von Turkmenistan, mit bürgerlichem Namen Nijasow, überraschend ein Abkommen
mit Rußland. Dieses Abkommen dürfte die politische ebenso wie die ökonomische Position der USA in der Region
stark geschwächt haben: Über die nächsten 25 Jahre hinweg wird Turkmenistan an Rußland insgesamt zwei
Billionen Kubikmeter Erdgas im Werte von voraussichtlich 500 Milliarden Dollar liefern. Im Jahre 2010 wird der
Erdgasstrom etwa den Brennwert von 1,8 Millionen Barrel Öl am Tag erreichen. Diese Menge genügt für die stetige
Versorgung aller deutschen Autos. Rußland, mit den größten Erdgasvorkommen der Welt, kauft Erdgas offenbar
aus den gleichen strategischen Gründen, aus denen die US-Regierung über alles Öl der Welt herrschen will.
Turkmenistan grenzt neben Afghanistan auch an die Ölmacht Iran.
Ob für ein US-amerikanisches Leitungsprojekt durch Afghanistan überhaupt noch genug turkmenisches Gas übrig
bleibt? Die Asian Development Bank hat eine technisch-ökonomische Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Die
Ergebnisse sollen Mitte September vorliegen.
Blue Steam
Rußland exportiert sein Erdgas in alle Richtungen, auch in die Türkei. Die neuere türkische Industrie wird fast
durchgängig mit Erdgas betrieben. Zwei Drittel des Gases kommen gegenwärtig auf dem Umweg über den Balkan
aus Rußland. Seit Ende 2002 betreibt die russische Gazprom eine neue Erdgasleitung durchs Schwarze Meer von
Noworossisk nach Samsun und weiter bis Ankara - eine Dreimilliarden-Dollar-Investition, von der als
unterseeischer Rohrleger der italienische ENI-Konzern profitiert hat, ebenso wie die deutsche Röhrenindustrie.
Das technische Wunderwerk, das Meeresbodenberge von über 1000 Metern Höhe bewältigt, kann seit
Ende 2002 Tankschiff- und Umweglieferungen ersetzen und vermag über den künftigen türkischen Gasbedarf
hinaus auch Teile der Nachfrage auf dem Balkan zu befriedigen. Und der Bosporus wird nicht belastet.
Allerdings tröpfelt das russische Gas vorerst nur durch die Transportanlage mit dem malerischen Namen Blue
Stream. Bei einer Jahreskapazität der Zwillingsröhren am Meeresboden von 14 Milliarden Kubikmetern sind im
Februar und März 2003 kaum 190 Millionen Kubikmeter geflossen, nicht einmal zehn Prozent der möglichen Menge.
Die Türkei hat bisher dem russischen Leitungsbetreiber Gazprom weit weniger Gas abgenommen als erwartet. Die
türkische Seite erklärte, der Gaspreis läge zu hoch.
Eurasianet, eine US-Internetzeitung, sieht den Grund für den zögerlichen Gaseinkauf im Erfolg der Gasbohrungen
auf den aserbaidschanischen Shah-Deniz-Feldern bei Baku. Ab 2006 könnte billigeres Gas von Baku nach Erzurum
in der Türkei fließen - über die US-amerikanisch dominierte BP-Amoco-Trasse.
Rußland zieht also am Laken, um eine ärgerliche Falte auszubügeln. Es baut die Bluestream-Gasleitung durchs
Schwarze Meer. Die Türkei stolpert über einen Zipfel, nimmt weniger Gas ab als erwartet und setzt auf
US-Investitionen. Rußland streicht die turkmenische Falte glatt, und doch könnten seine Öl-Konzerne bald am
anderen Lakenende das Nachsehen haben: bei der Westumgehung des Bosporus.
EU- oder US-Balkan
Das kasachische Öl von Chevron und ExonMobil aus der CPC-Pipeline wird im russischen Schwarzmeerhafen
Noworossisk verschifft. Doch es soll nicht mehr durch den Bosporus. Als Bosporus-Ersatz sind seit Jahren zwei
große Transportkorridore durch den Balkan ins westliche Mittelmeer geplant. Die südliche AMBO-Trasse
(Albanien-Mazedonien-Bulgarien) wurde bisher von den USA favorisiert. (Route 8) Sie soll von Burgas am
Schwarzen Meer durch Mazedonien nach Vlore an der Adria führen. Eine Eisenbahnlinie besteht bereits im größten
Teil des Korridors. Dennoch sollen die Baukosten bei über einer Milliarde Dollar liegen. Die nördliche Trasse, vom
rumänischen Constanta durch Ungarn und Slowenien (oder die jugoslawische Voivodina) und Kroatien bis Omisalj
und weiter bis Triest, war bisher Favorit der italienenischen ENI und des belgisch-französischen Konglomerats
TotalFinaElf.
Während des Jugoslawien-Krieges bombardierten US-Flugzeuge sämtliche Donau-Brücken ohne erkennbaren
militärischen Grund. Sollte durch die Donau-Blockade der Bau des nördlichen Transportkorridors erschwert und der
des südlichen erzwungen werden? Jedenfalls haben die USA in unmittelbarer Nähe der geplanten AMBO-Trasse im
südlichen Kosovo zwischen Pristina und Skopje ihre gigantische Festung Bondsteel errichtet. Kellogg, Brown &
Root, die Tochterfirma des Halliburton-Konzerns von Dick Cheney, hat die Machbarkeitsstudie für AMBO erstellt.
Bauarbeiten und Catering von Camp Bondsteel lagen ebenfalls bei Halliburton. Firmeneigene
Trassenwachmannschaften können gestellt werden.
Doch seit Milosevic nach Den Haag verschleppt ist, herrschen in Belgrad serbische Ökonomen, die ihre
ideologische Orientierung bei der Weltbank und beim Weltwährungsfonds erworben haben. Sie versuchen, mit Blick
auf die Transiteinnahmen, auch den US-Konzernen die Nordroute schmackhaft zu machen. Im April 2003 reiste die
jugoslawische Bergbau- und Energieministerin Kori Udovicki nach Washington. Belgrad erhielt den Zuschlag für ein
weltbankunterstütztes Koordinierungsbüro zwischen den Transitländern Rumänen, Jugoslawien und Kroatien.
Damit scheinen Ungarn und Slowenien aus dem Spiel. Der Bau könnte mit 400 bis 600 Millionen Dollar
recht billig werden. Trassen und Rohre existieren bereits im alten, erschöpften Ölförderland Rumänien, aber vor
allem zwischen dem kroatischen Ölimporthafen Omisalj nahe Rijeka und Pancevo im Belgrader Industriegürtel. Nur
die Fließrichtung müßte umgedreht werden. Das Öl müßte zum Hafen Omisalj hinab statt vom Hafen herauf gepumpt
werden.
Der russische Ölriese LUKoil besitzt im bulgarischen Schwarzmeerhafen Burgas die größte Raffinerie auf dem
Balkan. Offenbar für den Fall, daß er wegen drohender US-amerikanischer Dominanz weder bei der Nordroute noch
der Südroute durch den Balkan zum Zug kommt, will er sich an einem dritten Bosporus-Umgehungsprojekt
beteiligen: einer kurzen Ölleitung von Burgas zum griechischen Hafen Alexandropoulos.
Welche Transportkorridore tatsächlich demnächst begonnen und dann vor allem auch fertiggestellt werden, scheint
offen. Das Gezerre zwischen Groß- und Regionalmächten wird weiter gehen, und der Widerstand gegen die
ökologischen Schäden hoffentlich auch.
Kommentar: Multinationaler Widerstand
Gegen das Baku-Tbilissi-Ceyhan-Projekt hat sich Widerstand formiert. Denn 1,5 Milliarden Dollar für das Projekt
sollen aus öffentlichen Mitteln kommen: der International Finance Corporation und der Europäischen Bank für
Wiederaufbau, sowie von nationalen Einrichtungen, unter anderem der deutschen Hermes-Rückversicherung.
Die Route führt durch Türkisch-Kurdistan. Mit dem Leitungsbau dürften Rückkehrverbote für vertriebene Kurden
verknüpft sein. In den betreffenden Gebieten wurde die Bevölkerung nicht oder mangelhaft über ihre Rechte und die
Folgen des Baus informiert. Eigentumsrechte werden beschnitten. Die Bewachung durch türkische Gendarmerie
wird zur Militarisierung der Region führen. Die ganze Region ist Erdbebengebiet.
In Georgien führt die Trasse durch den Borjomi-Nationalpark und grenzt an mehrere politische Konfliktgebiete.
BP Amoco wird sich bei allen aufkommenden Problemen stützen können auf sogenannte Host Government
Agreements mit den betroffenen Staaten. Die Türkei gibt darin ihr staatliches Hoheitsrecht über das Trassengebiet
auf: Türkische Gesetze gelten dort nicht. Ähnliches gilt für Aserbaidschan und Georgien.
Im Widerstand gegen BP Amoco sind u.a. vereint:
- Kurdish Human Rights Project, London
- Campagna per la Riforma della Banca Mondiale, Rom
- Green Alternative, Tbilissi, Georgien
- CEE Bankwatch Network, Prag
- Friends of the Earth, Washington D.C.
- National Ecological Center of Ukraine, Kiew.
Sie haben drei Fact-Finding-Missions in die drei Länder unternommen. Die umfangreichen, aber anschaulichen
Preliminary Reports sind als pdf-Dateien zugänglich unter
http://www.bakuceyhan.org.uk/publications.htm
oder als Buch zu bestellen.
Thomas Immanuel Steinberg
Anmerkung:
1 Klare, Michael T.: Resource Wars. The New Landscape of Global Conflict. New York: Henry Holt 2002, S. 48,
Tabelle 2.4 (Angabe für 1998)