18.08.2004

Artikel

Seelsorger im Wendland
veröffentlichen Bericht
über Polizeistaat-Methoden

Wiederholte Demontage von Grundrechten bei CASTOR-Transporten

Neun Monate nach dem letzten und drei Monate vor dem nächsten CASTOR-Transport haben Seelsorger der katholischen und der evangelischen Kirche aus dem Kirchenkreis Lüchow-Dannenberg einen Bericht veröffentlicht, der eigentlich den Rest der Republik aus dem rot-grünen Dämmerschlaf aufrütteln müßte.

Pfarrer, Pastorinnen und Pastoren, sowie kirchliche Mitarbeiter, die während des Atommüll-Transports in das als zusehens als Endlager festgeschriebene Gorleben zur Vermittlung und zur Beobachtung unterwegs waren, stellen in ihrem Bericht unzweideutig fest, daß von Seiten der Polizei "vitale Rechte unseres demokratischen Gemeinwesens erdrückt wurden". Dies sei einerseits spät, doch Superintendent Peter Kritzokat erklärt dies damit, daß er "schockierende Erlebnisse" nicht "im Zornesausbruch" habe niederschreiben wollen. Der jetzige Zeitpunkt der Veröffentlichung ziele aber andererseits auch ganz bewußt darauf, im medialen Sommerloch und vor dem nächsten CASTOR-Transport eine möglichst große Öffentlichkeit zu erreichen.

Gegenüber den vorangegangenen CASTOR-Transporten habe sich die Situation nicht etwa verbessert, sondern verschlechtert. Superintendent Peter Kritzokat und Propst Hans-Jürgen Wolters zeigen in ihrem Vorwort zu den Berichten vier "unerwartete Rückschritte" auf. Dazu gehöre der tätliche Angriff eines Polizeibeamten gegen den Quickborner Pfarrer Jörg Prahler. Verschärfend kommt hinzu, daß der Seelsorger, der als Vermittler im Einsatz war, der Polizeieinsatzleitung mit Namen und Handy-Nummer bekannt war.

Kritzokat und Wolters bezeichnen es darüber hinaus als "Willkür", wenn einzelne Polizeieinheiten Bürgerinnen und Bürger mißhandelten und sich beispielsweise damit rechtfertigten: "In Bayern wird niemand weggetragen." Nach wie vor hoffen sie darauf, daß für die Zukunft ausgeschlossen werde, daß die (vorgebliche) Ordnungsmacht den durch Allgemeinverfügung eingerichteten Transportkorridor willkürlich ausdehnt und so ganze Dörfer abriegelt und auf diese Weise Menschen in ihren Häusern und Dörfern eingesperrt werden. Und schließlich dürfe sich nicht wiederholen, daß Friedhöfe, Kirchen und Pfarrhäuser ohne Rücksicht und Respekt behandelt werden. Auch in Langendorf war dies laut kirchlichem Bericht geschehen. Der dortige Kirchenvorstand hat ebenfalls wie der Quickborner Anzeige erstattet.

Für die KirchenvertreterInnen waren die "üblen Entgleisungen" überraschend. Sie schildern ihren Eindruck, daß mit Hilfe von Vorgesprächen mit VertreterInnen der beteiligten Bürgerinitiativen und mit der Polizeieinsatzleitung Grund zu Hoffnung bestanden habe. Auch sei von den Medien während der letzten CASTOR-Transporte korrekt berichtet worden, daß es von Seiten der DemonstrantInnen unbestritten gewaltfrei zuging. So hatten sie gehofft, daß die von kirchlicher Seite "immer wieder eingeforderte Achtung der Würde des anderen zu maßvollem Handeln und zu einem im Vergleich zu früher respektvollerem Umgang miteinander führen würde". Doch es kam anders. Die "unerwarteten Rückschritte" sehen die Kirchenleute eindeutig und ausschließlich auf Seiten der Polizei.

 

Ute Daniels

 

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