8.02.2011

Kleine Verbesserungen in Tunesien
Wie weiter nach dem Putsch?

Tunesien Wie sich allmählich immer deutlicher herausstellt, wurde die Flucht des tunesischen Diktators Ben Ali nicht durch Massendemonstrationen, sondern durch einen Putsch verursacht: Armee-Chef General Rachid Amar, der starke Mann hinter Interimspräsident Foued Mbazaa und "Regierungs-Chef" Mohammed Ghannouchi, hat Ben Ali abgesetzt. Die Macht liegt damit zwar nach wie vor in den Händen der bisherigen engeren Regime-Clique - es ist nicht ganz zu unrecht auch von einer "Palastrevolte" die Rede - , doch erstmals seit langem erscheinen etwa Zeitungen unzensiert.

Ob die neuen Freiheiten allerdings dauerhaft gewährt werden oder ob sie nur dazu dienen, die Menschen davon abzuhalten, vom Massenprotest zu einem effektiven Kampf um Demokratisierung überzugehen, muß sich erst noch zeigen. In den tunesischen Kiosken sind jetzt Zeitungen zu kaufen, die von der Verhaftung des bisherigen Innenministers Rafik Belhaj Kacem berichten. Er soll allein dafür verantwortlich sein, daß Menschen bei den Massendemontrationen ums Leben kamen. Eine nach Tunesien entsandte UN-Kommission zählte bislang 219 Tote. Auch sollen alle Gouverneure in den Provinzen ausgetauscht worden sein. Zugleich rief Ghannouchi dazu auf, die Menschen sollten an ihre Arbeitsplätze zurückkehren: "Die Krise der vergangenen Tage ist vorbei. Stellen Sie sich den Herausforderungen."

Im "Übergangs-Kabinett" sind lediglich die altbekannten Gesichter aus der Regime-Clique - erweitert um einige zu Zeiten Ben Ali treue Blockflöten-Politiker - zu erkennen. Anders als mittlerweile in Ägypten bekam die Opposition bislang keinen Fuß in die Tür. Ob die derzeitigen Machthaber tatsächlich wie jetzt versprochen "freie und transparente Wahlen" realisieren werden, steht dahin. Die Situation in Tunesien ähnelt jener in der "Wendezeit" 1989/1990 in Ostdeutschland: Mbazaa als Nachfolger Ben Alis ist mit Egon Krenz als Nachfolger Erich Honneckers zu vergleichen. Doch während in jener Zeit in Deutschland äußere Kräfte dafür sorgten, daß Krenz schnell verschwand und keine Chance für Freiheit und Demokratie in einer eigenständig fortbestehenden DDR bestand, sind vergleichbare Kräfte heute nicht zu entdecken. Ebenso wenig wie die Deutschen in der ehemaligen DDR sind heute die Menschen in Tunesien im Untergrund politisch breit organisiert und daher kaum in der Lage, einen effektiven gewaltfreien Kampf für die Durchsetzung ihrer Rechte aufzunehmen.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

Siehe auch:

      Millionen gegen Mubarak auf den Straßen
      Folgt das Militär einer "Strategie der Gummizelle"? (1.02.11)

      US-Regierung stützt Mubarak
      Militärdiktatur ist Plan B (30.01.11)

      Chancen für Demokratie
      in Tunesien? (15.01.11)

      Schein-Wahl in Ägypten
      Offenbarungseid für Barack Obama (2.12.10)

      Obama stärkt Diktatur
      Waffen-Deal für 60 Milliarden US-Dollar eingefädelt (14.09.10)

      Manipulation bei der Präsidentschaftswahl im Iran?
      (20.06.09)

      Barack Obama und das Nadelöhr
      ... anderes zu erwarten als von Bush? (6.10.08)

      Verfassungs-Referendum in Ägypten:
      Mehrheit für Demokratie
      Mubarak zu 82 Prozent für Mubarak (29.05.05)

 

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