23.12.2005

Dokumentation

»Junge Welt«
und Ahmadinedschad

Franz Schandl schrieb bisher eine wöchentliche Kolumne in der »Jungen Welt«. Diesmal wurde sie ohne Diskussion mit ihm gekippt. Im Dissens, um den es dabei geht, stehen wir von NETZWERK REGENBOGEN der Position Franz Schandls zwar näher, genehmigen uns aber dennoch die Kritik an der »Jungen Welt«, daß sie mit diesem autoritären Stil einmal mehr ihre Borniertheit beweist. Eine Tageszeitung mit linkem Anspruch sollte die Toleranz aufbringen, von ihrem "Mainstream" abweichende Inhalte abzudrucken, zumal wenn diese in einer namentlich gezeichneten Kolumne als Meinung des Verfassers klar erkennbar sind und zudem keinem linken Essential widersprechen. Mit der Dokumentation dieser Kolumne solidarisieren wir uns bewußt mit Franz Schandl, auch wenn seine Positionen mit unseren pazifistischen nicht in jedem Punkt deckungsgleich sind.
Die folgenden zwei Abschnitte gibt zunächst eine persönliche Stellungnahme Franz Schandls wieder:

Der unten stehende Artikel konnte in der heutigen Jungen Welt leider nicht veröffentlicht werden, da ihn die Redaktion in Person ihres Chefredakteurs Arnold Schölzel aus inhaltlichen Gründen ablehnte. Das sei Main-stream, teilte man mir mit. Tatsache ist freilich, dass ich die vorherrschende Blattlinie der Jungen Welt bezüglich Ahmadi-Nejad nicht teile und diese Differenz auch deutlich machen wollte. Die Leser mögen sich selbst ein Urteil bilden, daher bitte ich auch um Weiterverbreitung.

Meine wöchentliche Kolumne in der Jungen Welt habe ich daher vorläufig eingestellt. Es geht nicht an, dass man meine Kommentare entsprechend einer Linie selektiert. Auf dieser Basis kann man nicht zusammenarbeiten.

Alles Gute allen

Franz Schandl

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Kulturclasher

In Ahmadi-Nejad hat George Bush einen kongenialen Partner gefunden

Konnte man bisher Georg Bush "getrost" auf Platz eins der gefährlichsten Männer der Welt setzen, so möchte ihm nun einer seiner Kontrahenten den Rang ablaufen: der iranische Staatspräsident Ahmadi-Nejad. Der Präsidentenmullah will aufräumen, vor allem mit den Juden, die er nach Europa vertreiben, und dem Staat Israel, den er vernichten möchte. Da braucht nichts mehr dechiffriert zu werden, der antisemitische Gehalt ist offensichtlich. Diese Drohungen sind nebenbei auch ein schwerer Anschlag auf alle kritischen Bemühungen, der US-Bombenpolitik und dem westlichen Interventionismus offensiv entgegen zu treten.

Natürlich ist es so, dass man dem Iran übel mitspielen will, doch dessen Präsident leistet furiose Zuarbeit. Als wollte da einer direkt den besten Vorwand liefern, einzumarschieren. Ahmadi-Nejad verhält sich wie eine von der US-Administration aufgezogene Puppe. Verfügt der US-amerikanische Präsident über die größten Tanks, so der iranische über die nötige Zündschnur. Der moslemischen Welt will er beweisen, was für ein Kerl er ist im Kampf gegen den Imperialismus, den er wohl als jüdische Weltverschwörung halluziniert. Der imperiale Kreuzzug muss sich die Irren gar nicht erfinden, sie erfinden sich selbst. Und sie präsentieren sich in geradezu tob- und todessüchtiger Präpotenz, die nach Bestätigung schreit. Koste es, was es wolle, und wenn dabei der Mittlere Osten in Schutt und Asche fällt. Aber die Massen werden sich um die Mullahs scharen, wenn das Imperium seinen Angriff startet. Welch Perspektive!

Was will Ahmadi-Nejad? In die Geschichte eingehen als der erste staatlich legitimierte Selbstmordattentäter, der ein Kollektiv von Gläubigen und Zwangsgläubigen ins Nichts schickt? Was hat er vor? Einen zweiten Irak zu erschaffen? Eine Atombombe auf Tel Aviv schmeißen? Und eine auf Teheran geworfen zu bekommen? Es ist zu befürchten, dass er das in himmlischer Verblendung direkt anstrebt. Wollen die christlichen Sektenbrüder freedom and democracy über die ganze Welt bringen, so die iranischen Mullahs den Koran. Der Fetischismus blüht und gebiert ein Monster nach dem anderen. Der Nahe und Mittlere Osten ist ein hochexplosiver Schnellkochtopf des Wahnsinns und der allseitigen Entsicherung geworden.

Der Islam ist wie jede Religion eine regressive und repressive Ideologie. Und der Islamismus ist kein verunglückter Widerstand, er ist vielmehr eine aktuelle Verfallsform der modernen Zivilisation an einer ihrer zahlreichen inneren Fronten. Aus der Unerträglichkeit der Verhältnisse entwickelt sich lediglich eine durchgeknallte Antipathie. Ahmadi-Nejads Aussagen repräsentieren freilich einen gefährlichen Gemütszustand nicht weniger Menschen in vom Islam geprägten Staaten. Der religiös aufgeladene Minderwertigkeitskomplex findet seine negative Projektion in den Juden und ihrem Staat.

In dem aufgeschaukelten Klima gilt es festzuhalten, dass die traurige und aussichtslose Konfrontation von Israelis und Palästinensern nicht das Hauptproblem dieser Welt ist, sondern ein von diversen Kulturclashern hochgespielter Supertrumpf. Ebenso ist aber anzumerken, dass Israel im Inneren eine im Vergleich säkularisierte Gesellschaft ist, die in jeder Hinsicht dem Mullah-Regime vorzuziehen ist. Das ist auch gültig, wenn man seine Politik gegenüber den Palästinensern als falsch erachtet, ja für unerträglich hält. Sollte sich der palästinensische Befreiungskampf tatsächlich in eine "islamische Revolution für Palästina" (Ahmadi-Nejad) transformieren, ist ihm nicht nur jede Unterstützung zu entziehen, in diesem Falle wäre er aktiv zu bekämpfen.

Zweifellos, die radikale Linke des Westens hat ihren Hauptfeind vor Ort zu verorten, in den Zentren des Kapitals, dabei darf aber nicht die spezifische Qualität der Contras an der Peripherie außer Acht gelassen werden. Hier ist ausdrücklich vor falscher Toleranz oder gar obskuren Bündnissen zu warnen. Dass jemand ein Feind des Feindes ist, sagt über den Charakter des Feindesfeindes nichts aus. Die iranische Staatsführung ist nicht zu tolerieren, sie ist zu stürzen. Und zwar von den Iranern. Solidarität mit den Opfern US-amerikanischer Übergriffe bedeutet heute auch: Kein Fußbreit dem Islamismus, kein Verniedlichen der antisemitischen Aggression!

 

Franz Schandl

 

Anmerkung

    Zum Thema Ahmadinedschad siehe auch den
    Kommentar von Adriana Ascoli
    'Irans Präsident outet sich als fanatischer Irrer' (26.10.05)

 

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