18.12.2004

Neue CEO-Spitze bei EADS

Neue Perspektiven bei EU-Rüstungs-Konzern Nummer Eins?

Was tatsächlich hinter dem Stühlerücken an der CEO-Spitze (CEO steht für chief executive officer - entspricht: Vorstandsvorsitz) steckt, vermögen nur die Auguren und Kaffeesatzleser* in den Redaktionen der Wirtschaftsressorts von 'FAZ', 'spiegel', 'FTD' oder 'Handelsblatt' (zweifellos) zu beurteilen. Eines jedenfalls ist sicher: Auch bei der militärischen Vereinigung Europas, spielen nationale Interessen weiterhin eine Rolle und nicht nur DaimlerChrysler, Airbus, Deutsche Bank, Lagardère-Matra-Aeropaciale, sondern auch die französische, die spanische und - nicht zuletzt - die deutsche Regierung wollen den Finger am Drücker haben.

In der letzten Nacht wurde bekannt, daß Airbus-Chef Noël Forgeard den Machtkampf um einen der beiden Chef-Sessel bei EADS1 gewonnen hat. Dies "bestätigt" Vermutungen, die bereits seit Wochen kursieren und wonach mit dieser Sessel-Besetzung der französische Einfluß bei EADS "deutlich gestärkt" werde.

Mit der Unterstützung des EADS-Anteilseigners Lagardère (30,28 Prozent) löst Noël Forgeard Philippe Camus als französischen Co-Chef ab. Die Verträge der beiden EADS-Co-Chefs Philippe Camus und Rainer Hertrich sind allerdings eh auf Sommer 2005 terminiert. Und Hertrich hatte bereits kürzlich erklärt, für eine zweite Amtszeit aus "persönlichen Gründen" nicht zur Verfügung zu stehen. Arnaud Lagardère, dessen Anteil an EADS bei rund 15 Prozent liegt, gab nun in einem Zeitungsinterview mit der Tageszeitung 'Le Figaro' bekannt: "Ich habe diese Entscheidung vor langer Zeit getroffen und ich habe sie Frankreichs damaligem Finanzminister, Nicolas Sarkozy, mitgeteilt. Die Wahl ist ganz einfach. Philippe Camus wird zurück zu Lagardère gehen, und ich werde in Übereinstimmung mit den französischen Anteilseignern Noël Forgeard nominieren, Philippe Camus als Co-Chef der EADS zu ersetzen."

Ein wenig Colorit bekam diese Veranstaltung durch die giftige Reaktion von Philippe Camus, der umgehend in einem Magazin verlautbarte: "Ich bin nicht der Aggressor. Ich konzentriere meine gesamte Energie auf EADS. Ich registriere aber einen Angriff und Manipulationen." Dennoch blies er zugleich zum Rückzug: "Ich habe mich entschieden, Arnaud Lagardères Vorschlag zu akzeptieren, wieder vollständig zum Lagardère-Konzern zurückzukehren."

EADS war 1999 zu Beginn des Kosovo-Kriegs als deutsch- französischer Luftfahrt- und Rüstungs-Konzern entstanden, nachdem die Briten zwar anfänglich interessiert waren, dann aber absprangen. British Aerospace hatte gerade Marconi, den Rüstungsableger von General Electric, verschluckt und war nach diesem fetten US-amerikanischen Braten (erstmal) gesättigt. So verfügt EADS seither über eine deutsch-französische Doppelspitze. Auf deutscher Seite ist DaimlerChrysler beziehungsweise dessen Hausbank, die Deutsche Bank, zu 30,28 Prozent Anteilseigner. Auch der französische Staat ist mit 15 Prozent beteiligt und Spanien hält eine Minderheitsbeteiligung von 5,5 Prozent. 33,9 Prozent befinden in "Streubesitz", wobei allerdings wiederum Großbanken wie die Deutsche Bank über Depots mit zusätzlichen Stimm-Anteilen ausgestattet sind.

Forgeard wurden schon seit einiger Zeit lange Ambitionen auf den blau-weiß-roten EADS-Chefsessel nachgesagt und er hatte mit "kaufmännischen" Argumenten daran gearbeitet, die Doppelspitze abzuschaffen. Dies war aber am Veto von DaimlerChrysler gescheitert. Für den Stuttgarter global player trägt EADS zu einem Hauptteil der Gewinne bei; und dafür wiederum ist die EADS-Tocher Airbus maßgeblich.

DaimlerChrysler schlug nun Thomas Enders für den schwarz-rot- goldenen EADS-Chefsessel vor. Enders leitet bereits jetzt mit dem Rüstungs-Bereich den politisch zentralen Geschäfts-Bereich von EADS. Er soll daher Nachfolger von Rainer Hertrich werden. Der Vorstand von DaimlerChrysler hat aktuell den EADS-Vorstands- vorsitzenden Manfred Bischoff beauftragt, Enders als einen der beiden Co-CEOs vorzuschlagen.

Als größter europäischer Rüstungs-Konzern ist EADS zudem mit Airbus zum international führenden Produzenten im Bereich des zivilen Flugzeugbaus aufgestiegen. Dabei werden die Geldes in den Konzernen zwischen zivilem und militärischem Bereich mit gigantischen sogenannten Quersubventionen hin und hergeschoben. Der Produktion von Rüstung steht im Gegensatz zur Produktion von Verbrauchsgütern - zumindest wenn es nicht um Kleinwaffen geht - keine reale Nachfrage gegenüber und so sind sie "Kunden" ausschließlich Staaten - also SteuerzahlerInnen.

Auch wenn es des öfteren umgekehrt dargestellt wird, fließt die konzerninterne Subvention meist in die eine Richtung: Um mit fetten Rüstungsaufträgen die kostspielige Entwicklung neuer Verkehrsflugzeuge zu finanzieren und im verschärften internationalen Konkurrenzkampf zu bestehen. So wird auch das aktuelle EADS-Airbus-Projekt, der A 3803 indirekt über den Bau des EADS-Militärtransporters A 400 M mitfinanziert, dessen Entwickung sich aus deutschen und französischen Steuergeldern speist.

Und gemessen am Auftrags-Volumen ist EADS mit 46 Milliarden Euro bereits an die Position Nummer Zwei der Weltspitze aufgerückt - direkt nach Lockheed Martin2 mit 63 Milliarden Euro. Boeing ist zwar weiterhin noch vor dem anderen großen US-amerikanischen Rüstungs-Konzern Lockheed Martin der Branchen-Primus im Todes-Geschäft, derweil aber nur noch Nummer Zwei bei den Passagiermaschinen.

Doch nach wie vor laufen die besten Rüstungsgeschäfte mit den USA. British Aerospace bekommt dabei besonders dicke Brocken ab und so entfällt der größte Teil seines Umsatzes auf Pentagon-Aufträge. Dies mindert das Interesse des britischen Konzerns sich an EADS zu beteiligen. Doch die Konzentration auf dem Rüstungs-"Markt" schreitet beschleunigt fort. Erst kürzlich schluckte British Aerospace den Panzer-Produzenten Alvis und verfolgt derzeit eine partielle Fusion mit dem italienischen Rüstungs-Konzern Finmeccanica.

Auch EADS bemüht sich verstärkt um Aufträge des Pentagon und macht sich Hoffnungen auf einen Zuschlag für den Bau militärischer Tankflugzeuge. In diesem Zusammenhang ist auch die Übernahme des US-amerikanischen Rüstungs-Konzerns Racal Defence für 130 Millionen US-Dollar zu sehen.

Zentral ist dennoch weiterhin die Bedeutung von EADS für den Aufbau einer militärischen Supermacht EU.4 Sowohl die deutsche als auch die französische Regierung verfolgen dabei als Agenturen der Konzerne keineswegs vorrangig nationale Interessen. So ist aus Gründen der Profitmaximierung und des Bestehens im globalen Konkurrenzkampf beispielsweise das Interesse von DaimlerChrysler zwar einerseits, möglichst viel Einfluß bei EADS zu behalten und auszubauen. Doch überlagert wird dies vom aus demselben Movens getriebenen Interesse am Aufstieg von EADS zum europäischen Super-Rüstungs-Konzern.

Selbstverständlich muß dies vor dem Hintergrund einer EU-Verfassung5 gesehen werden, in der fortschreitende Aufrüstung als Maxime festgelegt ist. Und in Zeiten einer globalen Rezession ähnlich wie 1914 und 1933 und dramatischer Ressourcen-Verknappung werden EU-Aufrüstung und EU-Kriege zwangsläufig mit den Interessen der global player mit Standort USA in Konflikt geraten.

 

Christian Semmler

 

Anmerkungen

* Hier sei mir erlaubt, auf die weibliche Form zu verzichten,
      da in den Wirtschafts-Redaktionen kaum Journalistinnen,
      und wenn, dann eher faktenorientiert und nicht
      an solchen Spekulationen, mitarbeiten.

1 EADS steht für European Aeronautic Defence and Space Company
      1999 ging die Deutsche Bank, die Hausbank von DaimlerChrysler,
      unter die Literaten und brachte das Buch heraus:
      'A European Leader is born' (Ein europäischer Führer ist geboren).
      Inzwischen beschäftigt EADS europaweit über 100.000
      MitarbeiterInnen, davon rund 43.000 in Frankreich und rund
      41.000 in Deutschland.)

2 Siehe hierzu auch unseren Artikel
      'Opel-Arbeitsplätze und Kampfjet F16' (25.10.04)

3 Siehe hierzu auch unsere Artikel
      'Hamburg: Wegen Airbus droht Enteignung' (27.11.04)

      'Bau des Super-Airbus verzögert' (31.05.04)

      'Robin Wood kämpft gegen Frankfurter-Flughafen-Ausbau'
      Protestaktion gegen die geplante Airbus-Halle (15.01.04)

4 Siehe hierzu auch unsere Artikel
      'Neue Atommacht EU?' (24.04.04)

      'Zwangsweiser Atomausstieg in Großbritannien?' (11.04.04)

      ''British Energy' und der europäische Atom-Ausstieg' (8.05.04)

5 Siehe hierzu auch unseren Artikel
      'Atomenergie, Atomwaffen und Militarisierung besiegelt'
      Billigung der EU-Verfassung markiert schwarze Stunde für Europa
      (19.06.04)

 

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