23.02.2003

Kommentar

Inquisition

Zur neuen Diskussion über Folter

In Zeiten des Notstandes und der Vorkriegszeit ist alles erlaubt. Es darf wieder laut über Folter und Todesstrafe, selbstverständlich nach streng "rechtsstaalichen" Grundsätzen, nachgedacht werden. Schmerz und Qual gegen Leben, darüber gibt es seit Tagen eine Debatte unter Juristen und Politikern. Anlaß war früher und ist erneut eine von der Gesellschaft produzierte menschliche Zeitbombe, ein Sexualstraftäter. In einem Aktenvermerk hatte der Frankfurter Polizeivizepräsident festgehalten, daß er Anweisung gegeben habe, dem Verdächtigten Magnus G. mit Folter zu drohen und diese auch anzuwenden, um den Aufenthaltsort eines entführten Kindes zu erfahren.

Aus dem konservativen Lager hagelt es Zustimmung, aber auch die SPD-Justizministerin Brigitte Zypries läßt sich nicht lumpen: Die Frankfurter Polizei sei im "rechtfertigenden Notstand" gewesen. Was zählt da schon das im Artikel eins des Grundgesetzes verbürgte Grundrecht: "Die Würde des Menschen ist unantastbar"? Für den Vorsitzenden des deutschen Richterbundes Geert Mackenroth wenig. Er hält "Ausnahmen vom Rechtsgrundsatz der Aussageerpressung" für legitim, wenn es um ein "höherrangiges Rechtsgut" geht.

Folter ist in der Bundesrepublik nichts Neues. Um was handelte es sich, als man z.B. die RAF-Gefangenen in Isolationshaft brachte? Wie nennt man es, wenn in deutschen Polizeistuben mal wieder die Fäuste fliegen - vorzugsweise gegen festgesetzte Linke oder Migranten?

Die Folterdebatte verwundert keinen, der die Diskussion in den USA nach dem 11. September verfolgt hat. Dort erörtern die Medien ungeniert, daß Folter zur Verteidigung und Sicherheit des Landes wieder eingeführt werden muß. Das Gefangenenlager in Guantanamo Bay wird inzwischen in aller Welt hingenommen. Umstritten ist derweil in den USA z. B. noch, ob das FBI selbst Fingernägel ausreißen darf oder Spezialisten dafür eingesetzt werden sollen.

Die Vorstellung, daß ein deutsches Notstandsgesetz Folter ausdrücklich gestattet, ist in Zeiten der "Terrorismusbekämpfung" nicht besonders abwegig. Das Instrumentarium, Grundrechte und Rechtsstaatlichkeit zu verletzen, ist längst vorhanden. Die "Antiterrorpakete" räumen den Geheimdiensten weitgehende Rechte ein, die Privatsphäre zu mißachten. Mit Hilfe dieser Gesetze wurde die Bundesrepublik Weltmeister beim Abhören und Erfassen von Daten. Vor rassistischer Hetze machen sie keinen Halt: Migranten sind durch sie in diesem Land zu einem permanenten Sicherheitsrisiko erklärt worden.

Das Folterverbot muß aus grundsätzlichen Erwägungen verteidigt werden. Die Folter ist menschenrechtswidrig.

 

Ulla Jelpke

 

 

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