Die Idee des Gender Mainstreaming wurde 1995 durch die Weltfrauenkonferenz der Vereinten Nationen in Peking bekannt. Schon 1997 wurde Gender Mainstreaming durch den Amsterdamer Vertrag zum offiziellen Ziel der EU-Politik erklärt.
Zu erklären ist zunächst, was Gender Mainstreaming bedeutet und was das Ziel sein soll. Gender bedeutet das sexuelle Geschlecht und Mainstreaming die Hauptrichtung. Die Idee des Gender Mainstreaming ist, dass alle politischen Entscheidungen auf allen Ebenen auf die Auswirkung für beide Geschlechter untersucht (oder betrachtet) werden und danach die Entscheidungen geschlechtergerecht erfolgen sollen.
Vor der Verbreitung des Gender Mainstreaming wurde auf internationaler Ebene schon das Gender Budgeting in den 1990er Jahren entwickelt, das fordert, dass eine geschlechtsdifferenzierte Analyse der öffentlichen Haushalte erfolgen soll.
Seit neun Jahren ist also Gender Mainstreaming offizielles Ziel der EU-Politik. Da könnte schon einiges in dieser Hinsicht in die geschlechtergerechte Richtung gelenkt worden sein. Die Politikerinnen und Politiker und auch die Verwaltungsmenschen der Europäischen Union, der EU-Mitgliedsstaaten, der Bundesländer, der Landkreise und der Kommunen könnten in der Anwendung des Gender Mainstreaming ausgebildet sein. Es sollte nach neun Jahren sogar vieles routinemäßig erfolgen können.
Auch in den Programmen einiger Parteien wird das Ziel "Gender Mainstreming" benannt. Ebenso wird - auf Deutschland bezogen - in den meisten Bundesländern das Thema mit Beauftragten und Arbeitsgruppen bedacht, In wenigen Städten wurden seither Abteilungen der Verwaltungen in Gender Mainstreaming geschult und wenden dies innerhalb der Abteilungsaufgaben an. Arbeitshilfen der Bundesregierung und vom Deutschen Städtetag gibt es und von einer europäischen Kommission wurde eine Sechs-Schritte-Prüfung entworfen. Es wird von offiziellen Seiten aber auch festgestellt, dass es die Gender-Mainstreaming-Methode nicht geben kann.
Bei näherem Hinsehen und Nachfragen sieht es insgesamt bundes- und europaweit noch nicht sehr "gegendert" aus. Woran könnte das liegen, fragen Frau und Mann sich vielleicht.
Um Gender Mainstreaming - egal auf welcher politischen Ebene - anwenden zu können, ist zuerst einmal eine gemeinsame Verständigung über Phasen und Schritte nötig. Es muss festgelegt werden, wie das Ziel Geschlechtergerechigkeit in jeder Phase einbezogen werden kann und soll. Dazu gibt es inzwischen Fortbildungsmöglichkeiten für Verwaltungsmenschen, Pilotprojekte und Personaltraining. Vor einer zwei Jahre dauernden Ausbildung in Gender Mainstreaming wird dabei ausgegangen, damit die richtige Anwendung verwaltungsintern gewährleistet sei. Das ist nicht umsonst, kostet Arbeitszeit und Geld.
PolitikerInnen aller Parteien müssten zuerst von dem Thema überzeugt werden und dann bereit sein, das Ziel, Geschlechtergerechtigkeit, zu wollen. Es dürfte schon eine Unmöglichkeit darstellen, den Begriff Geschlechtergerechtigkeit über alle Parteigrenzen hinweg gleich zu definieren.
Wenn gleichzeitig die Verwaltungen auf allen Ebenen Personal einsparen sollen, drängt sich ganz stark die Frage auf, ob Gender Mainstreaming ernsthaft gewollt wird oder ob dies ein bewusster oder unbewusster Versuch ist, den Frauen zu signalisieren: Wir kümmern uns um die Geschlechtergerechtigkeit, ihr könnt beruhigt und unbekümmert zu Hause bleiben.
Wenn wir das mal weiterspinnen, wäre Gender Mainstreaming ein Segen für die Menschen. Da Politik und Verwaltungen auf allen Ebenen Gender Mainstreaming in zehn weiteren Jahren umgesetzt haben, könnten sie den Frauen (und Männern) zum Beispiel sagen:
Eure Renten und Eure Arbeitslöhne werden durch die Anwendung von Gender Mainstreaming von der Europäischen Union bis zu den kleinen Kommunen in den nächsten Jahren denen der Männer angepasst sein
öffentliche Verkehrsmittel, Kindergartenplätze, Teilzeitarbeit für Männer, Arbeitszeit und alles andere, was Jahrhunderte im argen lag, werden den tatsächlichen Bedürfnissen von Mensch und damit auch von
einer gesunden Umwelt angepasst.
Wir werden auch keine Waffenexporte mehr zulassen oder gar an manche Staaten Kriegsgerät verschenken, denn wir haben in unseren Gender-Prüfungen festgestellt, dass die absolute Mehrheit der Frauen und Männer Kriege ablehnen und dass sie nicht bereit sind, Milliarden für Kriegsgerät auszugeben, sondern dass die Menschen Frieden und Freiheit wollen und dass sich die Politik dafür einsetzen soll und wird....
Lucia Kronauer-Dietsche