26.09.2005

Friedensdemos
in den USA

Washington:
Über 200.000 US-AmerikanerInnen gegen Irak-Krieg

Das "Ende der Besatzung Iraks und der sofortigen Abzug aller US-Truppen" war die zentrale Forderung bei der größten Demo in den USA seit Beginn des Irak-Kriegs. Ein Impeachment (Amtenthebungsverfahren wie bei Nixon) wurde gegen G.W. Bush gefordert wegen der Lügen im Vorfeld des Kriegszuges. Auch die mangelhafte Vorbereitung auf den Wirbelsturm 'Katrina' und die Verwüstung von New Orleans wurde in einen Zusammenhang dem Öl-Krieg und mit der Fortsetzung der klimazerstörerischen Energiepolitik der US-Regierung gestellt. Die Lügen über angebliche Massenvernichtungswaffen und Verbindungen des Irak-Regimes zu islamistischen Terroristen, die zur propagandistischen Durchsetzung des Öl-Kriegs gedient hatten, werden in den USA zunehmend in der öffentlichen Diskussion thematisiert. Weitere Friedens-Demos fanden in den USA zeitgleich in Los Angeles, San Francisco und Seattle statt.

Jesse Jackson, früherer Bewerber der "democartic party" für die US-Präsidentschaft und als linksliberal geltendes Aushängeschild für die Einbindung der schwarzen US-AmerikanerInnen, versuchte in einem Redebeitrag den Zusammenhang zwischen New Orleans und Irak-Krieg umzudeuten: Er behauptete, die US-Regierung habe wegen des Irak-Kriegs zu wenig Geld für die Hurrican-Opfer. Er leugnet so den ökonomischen Zweck und den Erfolg des Öl-Krieg und lenkt zugleich davon ab, daß die US-Wirtschaft seit Mai 2003 sensationelle Zuwachsraten zu verzeichnen hat. In Washington konnten sich auf der Kundgebung insgesamt fünf Kongress-Mitglieder, die der "democartic party" angehören, mit Redebeiträgen in den Vordergrund schieben. Sie klagten die "republikanische" US-Regierung an, das Land in einen "unsinnigen" Krieg gestürzt zu haben und versuchten damit zugleich vergessen zu machen, daß der Präsidentschaftskandidat der "democartic party" John Kelly sich ebenfalls bei der letzten Wahl für den Irak-Krieg ausgesprochen hatte.

Wie Ted Glick von der Kampagne 'Climate Crisis: USA Join the World!' (www.climatecrisis.us) berichtet, sprachen sich einige der RednerInnen auf der Großkundgebung am Samstag dafür aus, die Friedensbewegung solle sich vorrangig auf die Kongresswahlen 2006 konzentrieren und auf die Präsidentschaftswahlen 2008. Dies wäre die traditionell erfolgversprechendste Methode, um die Friedensbewegung wieder klein zu kriegen. Glick meint jedoch, daß den allermeisten DemontrantInnen klar sei, wie wichtig hingegen die Organisationsarbeit auf der Graswurzel-Ebene sei. Er verweist auch auf die Bedeutung von Bündnissen zwischen den verschiedenen autonomen Gruppierungen innerhalb der US-Friedensbewegung ebenso wie auf ein Bündnis zwischen Friedensbewegung, Antirassismusbewegung und Umweltbewegung.

Zur Graswurzel-Ebene zählt Ted Glick insbesondere die Counter-Recruitment-Arbeit: Während der Sozialabbau in den USA den Rekrutierungs-Büros die Jugendlichen insbesondere der mittellosen farbigen US-Bevölkerung in die Arme treibt, versuchen Teile der Friedensbewegung dem mit Informationen über die Realität des Irak-Kriegs entgegen zu wirken. Glick bezeichnet dies als einen äußerst wichtigen strategischen Ansatz. Die US-Regierung war nicht zuletzt deshalb gezwungen, den Vietnam-Krieg verloren zu geben und ihre Truppen 1973 abzuziehen, weil immer mehr junge US-Amerikaner gegen die Wehrpflicht rebellierten oder sich ihr schlicht entzogen (Clinton), weil sich immer mehr GIs weigerten, am Vietnam-Krieg teilzunehmen und die US-Bevölkerung - nicht zuletzt durch die Aufdeckung des Massakers von My Lai - sich mehrheitlich auf die Seite der Kriegsgegner gestellt hatte. Offenbar ist jedoch der Demokratieabbau in den USA längst weiter fortgeschritten. Laut einer Untersuchung des Meinungsforschungsinstituts Gallup fordern 63 Prozent der US-AmerikanerInnen einen völligen oder teilweisen Abzug der Streitkräfte aus dem Irak. Eine Wirkung ist bisher nicht erkennbar.

Cindy Sheehan, die mit ihrem Protest vor dem Feriendomizil G.W. Bushs wochenlang die Mainstream-Medien der USA wieder zu Berichterstattung über die US-Friedensbewegung hatte bewegen können, erklärte in einem Redebeitrag, der Irak-Krieg sei "kein einziges Leben eines amerikanischen Soldaten mehr wert". Die Kundgebung in Washington wurde von den Organisation 'United for Peace and Justice' (Vereinigt für Frieden und Gerechtigkeit) und ANSWER organisiert. Erstere hat nach eigenen Angaben einen hohen Anteil afroamerikanischer Mitglieder, läßt sich zugleich jedoch auffallend stark für parteipolitische Zwecke instrumentalisieren.

 

Klaus Schramm

 

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