Kritik der Europäischen Arzneimittelagentur beiseite gewischt
Die genmanipulierte Kartoffel des Chemie-Konzerns BASF soll für die industrielle Stärke-Produktion eingesetzt werden. Der Zulassungs-Antrag liegt derzeit bei der EU-Kommission.1 Das Zulassungsverfahren mußte wegen Kritik, die auch von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMEA) in London geteilt wurde, zwischenzeitlich gestoppt werden.2
Zum einen wurde in der Gen-Kartoffel 'Amflora' ein Gen "ausgeschaltet", damit ihre Stärke für die Industrie besser nutzbar ist. Zum anderen enthält sie zugleich ein Marker-Gen - gewissermaßen ein Produktionsrückstand. Schon der Begriff "ausgeschaltet" suggeriert eine inzwischen veraltete Sichtweise des Zusammenspiels zwischen Genen, der Produktion von Eiweißen und den Abläufen des gesamten Stoffwechsels. Längst ist erwiesen, daß die Funktionsweise der Gene nicht nach dem simplen Schema von "Bauanleitungen" oder "Ein-Aus-Knöpfchen" erklärt werden kann.
Bei dieser Gen-Kartoffel von BASF wird ein essentieller Teil des Stoffwechsels der Pflanze blockiert, so daß eine der üblicherweise zwei Kartoffelstärken - und zwar die Amylose - nicht gebildet wird. Die Frage, was die Pflanze stattdessen mit den Stoffen macht, die eigentlich in Amylose umgewandelt würden, und ob die Blockade auch andere Stoffwechselwege blockiert, die zum Beispiel unter Stressbedingungen aktiviert werden, wurde bisher schlicht und einfach nicht untersucht. Die von BASF mit dem Zulassungsantrag vorgelegten Studien sind äußerst lückenhaft und unterbieten die sonst schon mangelhaften Standards bei der EU. Die immer wiederkehrenden Behauptungen, nichts würde so streng untersucht wie Gen-Pflanzen bei ihrer Zulassung, ist nichts als Propaganda.
Die BASF-Kartoffel enthält das Antibiotikaresistenz-Gen "nptII" als Marker-Gen. Marker-Gene dienen im Labor dazu, frühzeitig die gentechnisch veränderten Zellen zu identifizieren. Als Technik ist das Nutzen von Antibiotikaresistenzen hierfür inzwischen veraltet und - wichtiger noch - in der EU ausdrücklich verboten. Laut der EU-Freisetzungsrichtlinie 2001/18 dürfen seit 2005 praktisch keine Gen-Pflanzen mit Antibiotika-Resistenz mehr angebaut werden. Dennoch hatte die EFSA, die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit, den BASF-Antrag bereits im Dezember 2006 positiv beschieden.
BASF und die EFSA scheint das Antibiotikaresistenz-Gen wenig zu kümmern. Die EFSA bescheinigt dieser Antibiotikaresistenz einfach Unbedenklichkeit, da die betroffenen Antibiotika nur in geringem Umfang in der Human- und Tiermedizin eingesetzt würden. Das Marker-Gen bewirkt eine Resistenz gegen Aminoglykosid-Antibiotika. Zu dieser Gruppe von Antibiotika gehören Neomcyin und Kanamycin. Neomycin wird in einigen EU-Ländern sehr wohl noch in der Human- und/oder Veterinärmedizin eingesetzt. Bedenklich ist aber vor allem die Resistenz gegen Kanamycin. Dieses Antibiotikum wird in der WHO-Liste der wichtigsten Medikamente als Reserveantibiotikum gegen mehrfach-resistente Tuberkulose aufgeführt.
Wegen der Kritik an dem in die Gen-Kartoffel eingeschleusten Antibiotikaresistenz-Gen hatte sich die Europäische Arzneimittelagentur (EMEA) in London eingeschaltet. Die EFSA wurde daraufhin von der EU-Kommission zu einer Stellungnahme aufgefordert. Seit dem 20. Februar stockte das Zulassungsverfahren. In beachtlichem Tempo wurde inzwischen ein Unbedenklichkeits-Gutachten vorgelegt. Die Zulassung soll offenbar mit aller Kraft noch rechtzeitig vor dem Ende der aktuellen Anbausaison bei der BASF eintreffen - also noch vor Ende Mai.
In der EFSA-Stellungnahme wird nun das in der BASF-Kartoffel enthaltene Marker-Gen als ungefährlich für die Gesundheit von Tieren und Menschen bezeichnet. Die EFSA schätzt die Wahrscheinlichkeit eines Gentransfers auf Bakterien als extrem gering ein. Im Labor sei ein solcher Transfer unter bestimmten Bedingungen schon beobachtet worden, in der Natur dagegen noch nie, heißt es in der Expertise. Mit dieser Argumentation könnte allerdings die gesamte EU-Freisetzungsrichtlinie 2001/18 als unbegründet aufgehoben werden.
Als nächste Station im Zulassungsverfahren muß der EU-Agrar-MinisterInnen-Rat über die Gen-Kartoffel befinden. Sollte dort keine Mehrheit für oder gegen den Antrag zustandekommen, wird die EU-Kommission entscheiden. BASF ist hoffnungsfroh, denn die EU-Kommission ist nach allen Erfahrungen äußerst gentechnik-freundlich. Zudem hatte sie bereits zu Beginn des Zulassungsverfahrens eine Empfehlung zugunsten von 'Amflora' ausgesprochen.
Wie in Deutschland mittlerweile üblich läuft eine Vorstufe des Anbaus unter der Bezeichnung "Feldversuche", obwohl diese zur Begründung des Zulassungsantrags bei der EU bereits durchgeführt wurden und abgeschlossen waren. BASF hat parallel einen Antrag gestellt, im Rahmen von Feldversuchen "Pflanzgut für das nächste Jahr" produzieren zu dürfen. In Deutschland soll dies laut BASF auf 160 Hektar in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern erfolgen. Dies sind bereits 10 Hektar mehr als BASF für den kommerziellen Anbau Mitte Januar in die Standort-Register in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern hatte eintragen lassen. "Mit der hierzulande für Feldversuche erforderlichen Genehmigung vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit in Berlin rechnen wir in Kürze", erklärt BASF-Sprecherin Susanne Benner.
Ob sich die Gen-Kartoffel allerdings als Stärke-Lieferantin auf dem Markt durchsetzen kann, ist noch keineswegs ausgemacht. Die Stärkeindustrie gibt sich zurückhaltend. Südstärke, der drittgrößte Produzent Deutschlands, hat offenbar kein Interesse daran, 'Amflora' einzusetzen. "Als maßgeblicher Lieferant für die Nahrungsmittelindustrie wird von uns erwartet, daß unsere Produkte gentechnikfrei sind", sagt Geschäftsführer Richard Lenk. Der technische Aufwand, der nötig ist, um eine Vermischung bei der Produktion auszuschließen, sei zu hoch.
Sein Kollege Hubert Eilting vom deutschen Marktführer Emsland Stärke will sich noch nicht festlegen: "Wenn unsere Kunden Vorteile in dieser Stärke sehen, haben wir technisch kein Problem damit, sie herzustellen." Er gibt jedoch zu bedenken, daß die Gentechnik bislang als Nachteil wahrgenommen wird. Eilting fragt: "Warum sollte man sich ein Problem aufhalsen, wenn es sich vermeiden läßt?"
Wenn die Zulassung der Gen-Kartoffel trotz dieser absehbaren Absatzschwierigkeiten durchgepeitscht werden soll, hat dies vermutlich einen anderen Grund. In der EU wurden seit Anfang 1998 keine genmanipulierten Pflanzen mehr für den kommerziellen Anbau zugelassen. Mit einem positiven Bescheid würde das bereits durchlöcherte Gen-Moratorium auf EU-Ebene endgültig zu Fall gebracht.
REGENBOGEN NACHRICHTEN
Anmerkungen
1 Siehe auch unseren Beitrag:
BASF will Gen-Kartoffel anbauen
Fällt nun das europäische Gen-Moratorium? (9.02.07)
2 Siehe auch unseren Beitrag:
Entscheidung über Gen-Kartoffel vertagt
Europäisches Gen-Moratorium hängt am seidenen Faden (24.02.07)