6.05.2004

Gen-Weizen verschwunden

Göttlicher Beistand in Sachsen-Anhalt?

Aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen hatte es geheißen, Sachsen-Anhalt sei für den Versuchs-Anbau des Gen-Weizens von Syngenta ausgesucht worden, weil dort mit allenfalls geringem Widerstand zu rechnen sei. Ende März hatten Greenpeace-AktivistInnen bereits ein von zwei Versuchsfeldern unbrauchbar machen können, indem sie per Lenkdrachen Bioweizen aussäten. Eines der Felder blieb jedoch laut Syngenta brauchbar und so wurde Anfang April unter massivem Polizeischutz der per Genmanipulation auf Insekten giftig wirkende Weizen ausgesät. Greenpeace geriet wegen der Aktion unter Beschuß und nicht zum ersten mal wurde damit gedroht, die Gemeinnützigkeit abzuerkennen.

In der Nacht von Montag auf Dienstag verschwand nun urplötzlich sämtlicher Gen-Weizen vom übrig gebliebenen Versuchsfeld. Jesus scheint zumindest nicht verdächtig zu sein, da dieser bekanntlich beliebte, am Sabbat Weizen auszurupfen. Ob nun göttliche Schöpfung oder Folge der Evolution, vorläufig zumindest bleibt die Natur vor dem Eingriff von Syngenta und dem Wohlwollen der Landesregierung Sachsen-Anhalts bewahrt. Vielleicht bleibt das 450 Quadratmeter große Areal inmitten eines Rapsfelds, das sich im Besitz der sachsen- anhaltischen Landesanstalt für Landwirtschaft befindet, sogar auf Dauer verschont. Ein Sprecher von Syngenta kündigte inzwischen den Rückzug seiner Firma an. Ein Konzern schmollt: Es werde erörtert, ob ein weiteres Engagement in Deutschland insgesamt noch Sinn mache.

Ungeachtet, ob sie sich etwa Gotteslästerung zu Schulden kommen läßt, sprach gestern Landwirtschaftsministerin Petra Wernicke (CDU) von einem "feigen Akt". Sie meinte weiter: "Wer gegen Gentechnologie ist, sollte offen diskutieren und genveränderte Produkte nicht kaufen oder anwenden." Ob dies allerdings einen Anbau genmanipulierter Pflanzen verhindern kann, der von mehr als 70 Prozent der Bevölkerung abgelehnt wird, verriet sie dabei nicht. Und so, als sei nichts geschehen, wurde im Magdeburger Wirtschaftsministerium gestern der bundesweite Start des Erprobungsanbaus von Gen-Mais bekannt gegeben - auf 29 Standorten mit insgesamt 300 Hektar. Die Initiative geht auf Sachsen-Anhalt zurück, wobei sich die Mehrzahl der Versuchsfelder allerdings in Bayern befindet. Wissenschaftlich begleitet wird das Projekt von der Hallenser Universität.

Wirtschaftsminister Horst Rehberger (FDP) wandte sich dagegen, eine Technologie zu verteufeln, ehe sie ausreichend erprobt sei: "Der jüngste Vorfall hat die Regierung bestätigt, Versuchsflächen auch künftig geheim zu halten", erklärte Ministeriumssprecher Rainer Lampe. Aber da hat die Regierung vielleicht die Rechnung ohne den lieben Gott gemacht.

 

Adriana Ascoli

 

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