15.02.2001

Greenpeace:
CASTOR-Transporte zu WAAs
sind unverantwortlich

NACH SCHWEREM STÖRFALL IN SELLAFIELD: GREENPEACE FORDERT STOPP ALLER CASTOR-TRANSPORTE NACH ENGLAND

Sellafield/Hamburg. Nachdem sich in der britischen Wiederaufarbeitungsanlage (WAA) Sellafield erneut ein schwerer Störfall ereignet hat, fordert Greenpeace die Bundesregierung auf, unverzüglich alle geplanten CASTOR-Transporte nach England zu stoppen. Solche Lieferungen, die eine indirekte Mitverantwortung für die unhaltbaren Zustände in den WAAs bedeuten, sind unverantwortlich. Das gleiche gilt selbstverständlich auch für den für Ende März bevorstehenden CASTOR-Transport aus der WAA La Hague nach Gorleben, denn durch diesen Transport wird der Weiterbetrieb der nicht minder gefährlichen atomaren Anlage in La Hague gewährleistet. Nicht zuletzt Greenpeace hat immer wieder auf die Einleitung radioaktiver Flüssigkeiten in die Meere durch die Abflußrohre sowohl von La Hague als auch Sellafield hingewiesen.

Einem Bericht der englischen Tageszeitung Observer (Sonntagsausgabe) zufolge kam es am 26. Januar in der Atomanlage im Nordwesten Englands zu einer Panne, die katastrophale Folgen hätte haben können. In mehreren Behältern mit flüssigen, hoch radioaktiven Abfällen stieg demnach die Konzentration explosiver Gase wie Wasserstoff, nachdem die Lüftung ausgesetzt hatte. Die Arbeiter in der Anlage nahmen die Panne zunächst nicht ernst und reagierten erst mit zweieinhalbstündiger Verzögerung auf die Warnsignale.

"Die Explosion der Abfalltanks ist der schlimmste denkbare Unfall in einer Wiederaufarbeitungsanlage. Eine solche Explosion würde weite Teile Großbritanniens radioaktiv verseuchen," erklärte Susanne Ochse, Energieexpertin bei Greenpeace. "Wer jetzt nicht aufwacht und trotzdem weiter Atommüll nach Sellafield liefert, dem sind die Gefahren für Mensch und Natur offenbar egal. Energieversorger wie E-ON, RWE oder ENBW dürfen nicht länger mit den Sellafield- Betreibern Geschäfte machen."

Die Behälter mit dem hochradioaktiven, flüssigen Müll gehören zu den gefährlichsten Teilen der Atomanlage. Die flüssige Masse muss ständig gekühlt werden, damit sich der Behälter nicht zu sehr aufheizt und explodiert. In den Tanks können bis zu 1.500 Tonnen Atommüll gelagert werden. Der flüssige Strahlenmüll enthält rund 30mal mehr radioaktives Caesium 137 als im Kern des Unglücksreaktors von Tschernobyl enthalten war. Caesium war einer der Hauptbestandteile der radioaktiven Wolke, die nach der Reaktorkatastrophe 1986 große Teile Europas verstrahlte. "Das zeigt, was für eine Zeitbombe in Sellafield tickt", so die Energieexpertin von Greenpeace.

Der älteste der insgesamt 21 Tanks ist seit mehr als vierzig Jahren in Betrieb. Im Februar 2000 hatte die britische Atomaufsicht die Betreiberfirma BNFL scharf für die Vernachlässigung der gefährlichen Abfälle kritisiert und zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen gefordert. Der jüngste Störfall reiht sich ein in eine Serie von Pannen, Unfällen und Sicherheitsverstössen in Sellafield.

Nur vier Tage vor der Panne erhielt das Atomkraftwerk Neckarwestheim grünes Licht von der Bundesregierung, die Transporte von Atommüll nach Sellafield wieder aufzunehmen. Über 700 Tonnen sollen laut Vereinbarung mit der Atomindustrie insgesamt noch aus deutschen AKWs nach Sellafield gebracht werden. Bundesumweltminister Trittin hatte noch drei Tage vor dem Störfall in einem Schreiben an Greenpeace erklärt, er würde sich auf die Sicherheits- vorkehrungen innerhalb der Wiederaufarbeitungsanlage verlassen.

 

Klaus Schramm
Quelle: Presseerklärung von Greenpeace

 

neuronales Netzwerk