7.11.2000

HASANKEYF -
Staudammprojekt des Wahnsinns

LETZTE AUSFAHRT HASANKEYF

»Auf der ehemaligen Seidenstraße passieren wir alte Karawansereien. In der mittelalterlichen Stadt Hasankeyf finden wir Felsen- und Höhlenwohnungen, eine Moschee und eine Raubritterfestung am Tigris, die als Kontrollstation diente. In Midyat, im Tur-Abdin-Gebirge (»Berg der KnechteGottes«), besuchen wir eine Kirche und knüpfen, falls möglich, Kontakt mit der christlichen Gemeinde. Weiter nach Mardin. 310 km.«
studiosus-Reisen,Katalog 2000

DIE BÜRGSCHAFT DIESER KOALITION

Jetzt reisen, bevor die Fluten kommen! In der neuen Kultur der westlichen Vorteilsnehmer ist die alte grade noch eine Reise wert, weil sie morgen mit Sicherheit nicht mehr ist. Die mesopotamische Geburtsstätte der menschlichen Zivilisation, von der die Europäer behaupten, sie demnächst in der Türkei & Kurdistan recht eigentlich erst einführen zu wollen, muß als Original zuvor beseitigt werden. Kein Wort davon, alles nur Erdenkliche tun zu wollen, damit Städte wie Hasankeyf auch in Zukunft besucht werden können.

Die Berliner Koalition der Grünen und Sozialdemokraten ist der geplanten Beihilfe an der Vernichtung zu beschuldigen. Der Ilisu-Staudamm und die anderen Dämme an den Grenzen der Türkei zu Syrien und Irak vollenden das Bild der Vernichtung Kurdistans: 4000 zerstörte Dörfer durch einen mit enormer deutscher Waffenlieferung geführten Krieg gegen Kurdinnen und Kurden. »Ein Modernisierungsprogramm«, das die »Rückständigkeit beseitigte«, sagen die türkischen Militärs. Der noch halbwegs heile Rest des Landes wird nun durch Staudämme zerstört, ein Gebiet überflutend, das der Größe der Schweiz entspricht.

Neue Konflikte und Kriege um Wasser im konfliktreichen Nahen Osten werden damit programmiert. Die Türkei weigert sich, die UN-Konvention über die Nutzung nicht-schiffbarer Wasserwege zu unterzeichnen. »Wer an derQuelle sitzt, bestimmt über die Verwendung des Wassers und seinen Preis«, sagen die Direktoren dieses anatolischen Entwicklungsprojektes (GAP). Dabei geht es nicht um den Eigenbedarf der Türkei an Wasser und Strom: sie sichert sich exklusiv die alleinige Kontrolle über vitale Ressourcen der Region, die sie nicht friedlich und demokratisch teilen will. Der Energieanspruch der Türkei ließe sich durch schonendere Projekte, etwa durch die Bekämpfung von Übertragungs- verlusten bei der Energieversorgung, noch effektiver decken als durch die Dämme, die weitere 50 kurdische Orte allein aufgrund des Ilisu-Projektes überfluten werden.

Der Bundesregierung liegt ein bisher positiv behandelter Antrag auf die Gewährung einer HERMES-Bürgschaft in Höhe von 150 Mio. DM vor, welche der Ravensburger Firma Sulzer für den Bau garantiert werden sollen.

Ein brandneuer (September 2000) interner Bericht über den Ilisu-Damm belegt eklatante Mängel bei der Umsiedlungs- planung. Die Zahl der möglicherweise Betroffenen liegt demnach um ein Vielfaches höher als bisher angenommen. Internationale Standards werden in vielen Punkten nicht eingehalten. Noch im Dezember letzten Jahres war das Finanzministerium von 8000 Umzusiedelnden ausgegangen. Die frühere Weltbank-Expertin Ayse Kudat, die den aktuellen Bericht erstellt hat, rechnet jetzt mit 55.000 - 78.000 möglicherweise vom Ilisu-Damm vertriebenen Menschen. Ayse Kudat stellt fest, daß von türkischer Seite immer noch entscheidende Daten fehlen. Wie über die Einkommens- struktur der Betroffenen. Entgegen den Weltbank- und OECD-Richtlinien sind keine Förderprogramme für Frauen vorgesehen und es wurde kein Budget für Umsiedlungs- maßnahmen festgelegt. Ersatzland für die Vertrieben steht so gut wie nicht zur Verfügung. Alternativplanungen werden ignoriert. Die Bürgermeister und gewählte Kommunalvertreter in der Region wurden nur unzureichend oder gar nicht konsultiert, wohl aber unter repressiven Druck gesetzt, für den Bau zu votieren.

Die Bilanz der Berliner Koalition lautet bis heute: Krieg im Kosovo, kein rascher Atomausstieg, Lieferung der Hanauer Plutoniumfabrik ausgerechnet an Herrn Putin, das Votum für soziale Einschränkungen bei der Renten- und Kranken- versicherung, Einlenken in Fragen der Bio- und Gentechnologie. Nun soll noch folgen DIE BÜRGSCHAFT DIESER KOALITION für ein friedensgefährdendes strategisches Megaprojekt, dessen Sintflut zur Menschen- vertreibung führt, das unersetzliches Weltkulturerbe vernichtet, das anfangs auf jede Umweltverträglichkeits- untersuchung verzichtete, dessen Planung bis heute 18fach gegen die Weltbankrichtlinien verstoßen hat und das den Kriegen im Nahen weiteren Nährboden liefert.

GEFAHR IST IM VERZUGE:
Die außerparlamentarische Bürgerinnen- und Bürgeraktion ist dringend erforderlich. Vor wenigen Wochen hat der entwicklungspolitische Ausschuss im britischen Unterhaus sich einmütig gegen eine Bürgschaft für das Ilisu-Projekt ausgesprochen. Hasankeyf kann gerettet werden. Fällt auch die deutsche Bürgschaft, ist die Finanzierung des Projekts definitiv gescheitert. Das kann gelingen, wenn wir alle uns schleunigst bewegen. Wir bitten darum, daß möglichst alle Leserinnen & Leser unserer Zeitung ihr persönliches VETO einlegen. Durch Protestfaxe & Briefe an Bundeskanzler Schröder, Wirtschaftsminister Müller und Außenminister Fischer. Bitte mit einem Kontrollfax an medico. Dadurch bleiben wir in Verbindung. Wir stehen mit Hintergrundmaterial, Informationen, Fotoausstellungen und für Veranstaltungen zur Verfügung.

RETTEN WIR HASANKEYF. Spenden Sie bitte auch für die Rettung der Stadt & gegen die Vertreibung ihrer Menschen unter dem Stichwort: »Hasankeyf«.

Spendenkonto: 1800
bei der Frankfurter Sparkasse (BLZ 500 502 01)
oder

Spendenkonto: 6999-508
bei der Postbank Köln (BLZ 370 100 50)

Hans Branscheidt & Martin Glasenapp

neuronales Netzwerk