19.01.2005

"Operation Ali Baba"

Auch britisches Militär folterte im Irak

Seit gestern, 18. Januar 2005, stehen drei ehemals im Irak stationierte Soldaten vor einem britischen Militärgericht in Osnabrück. Zugleich wurden gestern Fotos mit Folterszenen veröffentlicht, die jenen aus dem US-amerikanisch geführten Gefängnis Abu Ghraib nicht nachstehen.

Heute wurde der Prozeß, in dem es um Mißhandlungen und Folter von irakischen ZivilistInnen geht, fortgesetzt. ZeugInnen wurden vernommen, um zu klären, ob die Angeklagten, zwei 25 und 30 Jahre alte Gefreite und ein 33 Jahre alter Obergefreiter, die ihnen vorgeworfenen Taten auf Befehl oder - wie von Militär und britischer Regierung bereits verkündet - ausschließlich aus eigenem Antrieb verübten. Auch der Rechtsberater der britischen Truppen im Irak, Oberstleutnant Nicholas Mercer, mußte in den Zeugenstand. Nicht zu leugnen ist offenbar, daß die Soldaten bereits im Mai 2003 Befehl bekamen, straffällig gewordene IrakerInnen "hart anzupacken".

Unter dem Decknamen "Ali Baba" verschärften die britischen Truppen nach Angaben von Mercer im Mai 2003 ihre Praktiken im Irak - angeblich als Reaktion auf zunehmende Plünderungen. Die "Operation Ali Baba" artete - so Mercer - in Schlägen, Tritten und entwürdigende Behandlung gegen Gefangene aus. Fotos zeigen britische Soldaten, die mit beiden Füßen auf den wehrlos am Boden liegenden Menschen stehen. Ein anderes Foto zeigt ein Opfer in einem Netz, auf das ein Soldat mit der Faust einprügelt. Auf einer weiteren Aufnahme sind zwei Iraker zu sehen, die gezwungen werden, Anal-Sex zu simulieren.

In Großbritannien sorgten die Folter-Fotos bereits für öffentliche Emporung; die gesamte britische Armee werde "ins Zwielicht" gerückt. Der Prozeß in Osnabrück ist das erste öffentliche Verfahren gegen britische Armeeangehörige. Drei weitere Verfahren dieser Art sind vor Gerichten anhängig; 48 Ermittlungsverfahren laufen. Der Fotograf der Folter-Fotos wurde in der vergangenen Woche vor einem britischen Militärgericht in Bergen-Hohe vernommen. Über dieses Verfahren hat das Britische Militär eine Nachrichtensperre verhängt.

Dennoch sah sich Premierminister Blair nach Enthüllungenen britischer Medien zu einer Stellungnahme gezwungen. Er wertete die Fotos als "schockierend und empörend". "Schande" und "Schock" war schon in Schlagzeilen über den in britischen Zeitungen veröffentlichten Folter-Fotos zu lesen. "Jeder findet diese Fotos schockierend und entsetzlich und es gibt einfach keine anderen Worte für ihre Beschreibung", sagte Tony Blair vor dem Parlament und ergänzte, die Mehrheit der britischen Soldaten habe sich ehrenhaft verhalten.

Außenminister Jack Straw verurteilte die Mißhandlungen als "widerlich und demütigend", sie schadeten dem Ansehen Großbritanniens. Oppositionsführer Michael Howard sagte, die Bilder "beschämen unser Land". Er stimmte mit Blair und Straw jedoch überein, daß der Großteil der britischen Streitkräfte nichts mit solchen Verfehlungen zu tun habe.

Die Entscheidung der britischen Labour-Regierung sich am US-amerikanischen Krieg um das irakische Öl zu beteiligen, hatte schon einmal Anfang 2003 und dann nochmals im Verlauf der Affäre um den Tod des britischen Geheimdienstlers David Kelly für sinkende Umfragewerte der Regierung gesorgt. Die britische Bevölkerung ist mehrheitlich gegen den Krieg. In den vergangenen Wochen hatte Blair es aber mit Hilfe der ihm wohl gesonnenen Medien erreicht, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit wieder mehr auf innenpolitische Themen im Vorfeld der für Mai erwarteten Parlamentswahlen zu lenken. Politische Beobachter sehen Blair mit dem Auftauchen der Folter-Fotos nun aber erneut in Bedrängnis.

Professor Wyn Grant, Politik-Wissenschaftler an der Universität Warwick kommentierte: "Es bringt natürlich einen gewissen Schaden mit sich, weil Blair mit der Irak-Politik assoziiert wird."

 

Harry Weber

 

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