20.08.2004

Artikel

Nachrichten-Ping-Pong
um Nadschaf

spiegel-online: "...zu schön, um wahr zu sein"

Anfangs wurde heute, Freitag, beispielsweise um 15:32 Uhr in einer Nachricht, die auf Agenturmeldungen von apa, dpa und ag basierte, behauptet: "Irakische Polizisten und Soldaten sind am Freitag in die seit Wochen von schiitischen Milizionären besetzte Imam-Ali-Mosche in Najaf eingedrungen. Wie das irakische Innenministerium und Augenzeugen berichteten, gab es keinen Widerstand seitens der Anhänger des radikalen Predigers Moktada al-Sadr." Besonders witzig ist dabei die Formulierung "Irakische Polizisten und Soldaten," womit offensichtlich suggeriert werden sollte, der Einatz gegen die Miliz el Sadrs sei nicht (hauptsächlich) von US-Soldaten durchgeführt worden.

Bereits um 17:24 Uhr hieß es in anderen Nachrichten, die auf der Agentur afp (agence france presse) beruhten, bei den Erfolgs- handele es sich um Falsch-Meldungen. Die Moschee sei nicht eingenommen worden.

Um 17:36 Uhr kamen dann wiederum Meldungen, die von der Agentur Reuters stammten: "Die irakische Polizei hat offiziellen Angaben zufolge die wochenlang umkämpfte Imam-Ali-Moschee in der Rebellenhochburg Nadschaf eingenommen und die Kontrolle über die schiitische Pilgerstätte übernommen. Ein Vertrauter des radikalen Predigers Moktada al-Sadr sagte allerdings am Freitag im Fernsehsender Al-Dschasira, dessen Mehdi-Milizen kontrollierten die Moschee weiterhin."

Um 19:12 Uhr meldeten dann die Massenmedien überwiegend - in Berufung auf Reuters und CNN: "Iraks Polizei kontrolliert nicht Iman-Ali-Moschee"

Bedeutet dies, daß die US-Regierung von einer militärischen Eroberung der Moschee, die sicherlich nur von US-Militär zu realisieren wäre, Abstand nimmt? Bedeutet dies, daß die US-Regierung tatsächlich erkannt hat, daß eine militärische Eroberung der Imam-Ali-Moschee, die wohl unweigerlich mit deren Zerstörung einher gegangen wäre, zu einem Volksaufstand und dem Ende ihrer Marionetten-Regierung führen würde? Gegenwärtig ist das noch schwer einzuschätzen. Denn auch wenn sie versucht, auf Zeit zu spielen, wird - je länger, je deutlicher - el Sadr als Gewinner dastehen. Und auch dies läuft auf eine Schwächung ihrer Position als Besatzungsmacht hinaus. Die einzig realistische Alternative, sich aus dieser auch für eine Großmacht wie die heutigen USA ausweglosen Lage wie 1973 aus Vietnam zurückzuziehen, scheint für die gegenwärtige US-Regierung zur Zeit noch außerhalb ihres Horizonts zu liegen.

Zu guter letzt sei noch 'spiegel-online' von 20:19 Uhr zitiert: "Es war wohl zu schön, um wahr zu sein. Das irakische Innenministerium verbreitete am Nachmittag die Nachricht, die seit Wochen umkämpfte Moschee im Zentrum der Schiitenhochburg Nadschaf sei von irakischen Soldaten und Polizisten eingenommen worden, ohne dass ein Schuss gefallen wäre. Inzwischen mehren sich die Anzeichen, dass dem nicht so war."

 

Christian Semmler

 

Anmerkungen:

Siehe auch unsere Artikel

    'US-Besatzung bleibt im Irak' (29.06.04)

und

    'Nadschaf: Marionetten-Regierung als Legitimation' (19.08.04)

 

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