24.05.2005

Kommentar

Lafontaines Sprung
aus dem Tanker

Vereinigung von WASG und PDS unter seiner Führung?

Manche hatten ja orakelt, Oskar Lafontaine, SPD-Vorsitzender von 1995 bis 19991 werde seinen angekündigten Austritt aus der SPD bis zu seinem Tod hinauszögern. Wer bereits 1966 in die SPD eingetreten ist, wer dem nur schwer zu manövrierenden Tanker SPD so viele Jahre seines Lebens geopfert hat und wer zudem den Ruf als Deutschlands größter Zauderer genießt, dem mag ein solcher Sprung sicherlich sehr schwer gefallen sein. Und so hatte Lafontaine denn auch mit einer Soll-Bruchstelle vorgebeugt, die ihm nun - schneller als wohl gedacht - zur Entscheidung verholfen hat: "Meine formelle Mitgliedschaft ist beendet, wenn die SPD mit der Agenda 2010 und Hartz IV in die Bundestagswahl zieht."

Diese Entscheidung wird Lafontaine nun morgen auf dem Titel von Deutschlands meistverkauftem Toilettenpapier (das mit den vier Buchstaben) verkünden. Das Blatt ist ihm bekanntlich in den letzten Jahren unentbehrlich geworden und ans (linke!) Herz gewachsen. Wo er allerdings landen wird, ist - Tanker sind bekanntlich hoch und die Flugzeit entsprechend lang - noch nicht ausgemacht. Punktgenau will er mit je einem Fuß auf den beiden Nußschalen WASG und PDS laden, die er dann unter seiner Führung zu vereinigen gedenkt und auf denen er (Zurück in die Zukunft?) dem Paradies der 60er Jahre namens "Sozialstaat" entgegen segeln will.

In einem vorab veröffentlichten Text plädiert Lafontaine für ein Bündnis von WASG und PDS, mit dem er dann und nur dann in den Wahlkampf ziehen will: "Wenn es zu einer gemeinsamen Liste kommen sollte, bin ich bereit mitzumachen." Es sei nicht sinnvoll, wenn mit der WASG und der PDS zwei Parteien links von der SPD anträten. PDS-Chef Lothar Bisky und WASG-Vorstandsmitglied Klaus Ernst äußerten bereits die grundsätzliche Bereitschaft zu einem gemeinsamen Vorgehen. "Alle - die PDS wie die WASG - sind gut beraten, das Projekt zu versuchen. Ob es zu einer Einigung kommt, hängt vom Ergebnis der Gespräche ab", sagte Klaus Ernst.

Ob der vom selbsternannten Wirtschafts-Weisen Lafontaine vorgegebene Kurs allerdings überzeugt und ob - Lafontaine als Kanzler einmal hypothetisch vorausgesetzt - mit einer keynesianischen Wirtschaftspolitik Aufschwung und Arbeitsplätze zu bewerkstelligen wären, ist doch zumindest recht fraglich. Eher realistisch erscheint da die Option, daß Lafontaine darauf spekuliert, als Napoleon an der Spree "Rot-Grün" nach einer Bundestagswahl im Herbst 2005 die notwendige Mehrheit beschaffen zu können - selbstverständlich gegen ein Ministeramt und als Dreingabe den Kopf von Gerhard Schröder.

Ganz schlaue Strategen haben sich schon ausgedacht, wie die WASG mit der PDS um eine gemeinsame Liste verhandeln sollte. So schlägt Jürgen Elsässer in der 'Jungen Welt' vor, die WASG solle der PDS einen Verzicht auf die eigene Kandidatur und eine Unterstützung ihrer offenen Liste anbieten, "aber nur unter der bindenden Voraussetzung - bitte mit Unterschrift von Bisky, Gysi und Ramelow -, daß die PDS sich im nächsten Bundestag nicht an einer Bundesregierung beteiligt und auch eine mögliche SPD-Grüne-Minderheitsregierung nicht toleriert." Dann läge der Ball im Feld der PDS, so Elsässer. Und insgeheim hofft der bekennende Lafontaine-Fan Elsässer sicherlich, sein Held von der Saar werde seine Zeilen lesen.

Jede Wette, Lafontaine wird sich nicht festlegen lassen. Er wird - wie er des öfteren in seiner politischen Karriere bewiesen hat - jede beliebige politische Position für ein vermeintliches Stückchen Macht oder für die Befriedigung seiner Rachegelüste opfern.

 

Klaus Schramm

 

Anmerkungen

1 Siehe hierzu den Überblick über sämtliche SPD-Vorsitzende in

      'SPD benötigt Minderheitenschutz'
      Historischer Tiefststand (9.04.05)

 

neuronales Netzwerk