1.09.2003

Kein Appetit
auf regionale Produkte?

Regionale Produkte oder Convenience-Food in der Krankenhaus-Küche

Für 10.000 Euro wirbt der Ortenaukreis mit einer Broschüre "Appetit auf die Region" für regionale und gesunde Kost: "Ernährung und Gesundheit hängen unmittelbat zusammen." Weitere vernünftige Argumente für auf kurzen Wegen geliefertes und frisch zubreitetes Essen bietet die neue Ausgabe einer Krankenhaus-Zeitung, die in Kreiskliniken kostenlos verteilt wird.

Darüber hinaus sehen fast alle Mediziner und Krankenkassen in frischer, natürlicher und vitaminreicher Ernährung einen Schlüssel zur Vorbeugung gegen Krankheiten.

Doch offensichtlich werden diese Informationen bei den Leitungen der Kreiskliniken nicht zur Kenntnis genommen. Wie sonst ist es zu verstehen, daß immer mehr vorgefertigte und tiefgefrorene "Produkte" auf langen Lieferwegen in die Kreiskliniken gefahren werden? Bei der aufwendigen Vorbehandlung und den längeren Transportwegen, steigt mit diesem Convenience-Food der Energieeinsatz, während auf der anderen Seite Arbeitsplätze in den Küchen wegrationalisiert werden. Solange der Preis für Energie - notfalls mit Hilfe von Krieg - niedrig gehalten werden kann, wird menschliche Arbeitskraft mehr und mehr zum "Kostenfaktor".

Von der regionalen Presse über die Herkunft von Wurst, Fleisch, Gemüse oder Nudeln befragt, muß die stellvertretende Leiterin der Zentralen Krankenhaus- und Heimverwaltung passen. Eines aber weiß sie: Wichtig seien "Qualität und Masse". Denn "diese Mengen muß jemand liefern können". Daß kurze Wege nur dann möglich und regionale Anbieter nur dann zum Zuge kommen, wenn die Krankenhäuser dezentral statt zentral versorgt würden, ist zwar logisch, aber nicht billig. Ausführlichere Auskunft ist vom Leiter, Andreas Weichert, zu erhalten. Die Klinikküchen würden als "Mischküchen" gefahren. Ein Teil werde vorgefertigt antransportiert, ein Teil werde zentral eingekauft, könne jedoch "nach dem gemeinsam erstellten Speiseplan frei zubereitet" werden.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Klinikküchen der sieben Ortenauer Kreiskrankenhäuser müssen sich jedenfalls derzeit auf veränderte Zubereitungsmethoden einstellen. Mehr "Fertigungstiefe" heißt das Zauberwort. Salate und Gemüse kommen geputzt, zerkleinert und in Kunststoff verpackt, Kartoffeln vorgeschält, Schnitzel und Wurst vorgeschnitten. Die Ausschreibungen laufen bereits.

Was "Convenience" bedeutet, ist auch dem Kehler Essenslieferdienst von Albin Stöckle aus Kehl nicht fremd, der täglich rund 2000 Portionen u.a. ans Landratsamt liefert. Das Fleisch muß beispielsweise angefrostet werden, damit es maschinell geschnitten werden kann. Die Zentralisierung soll bei den Kliniken zwar noch nicht soweit getrieben werden, daß es nur noch eine gemeinsame Großküche gibt. Jeder Schritt zu mehr Zentralisierung birgt jedoch auch zusätzliche Gefahren wie die Lebensmittelskandale der letzten Jahre zur Genüge gezeigt haben.

 

Hans Martin Stahl

 

 

neuronales Netzwerk