21.03.2001

Ölpest
Titanic der Bohrinseln gesunken

P-36, die größte Bohrinsel der Welt ist gestern (20.03.) gesunken.
Brasilien droht eine Ölpest bisher ungekannten Ausmaßes.

Die größte Bohrinsel der Welt ist im Atlantik in nächster Nähe zur brasilianischen Küste versunken. Nun drohen unabsehbare Mengen Öl und Diesel ins Meer zu laufen. Die Gier der Konzerne und der Spritdurst der Konsumenten in den Industrieländern wird vermutlich die Küste des brasilianischen Bundesstaates Rio de Janeiro in eine riesige Umwelt- katastrophe stürzen.

Ein Pfeiler der Bohrinsel war am Donnerstag, 15.03., bei mehreren Explosionen leck geschlagen. Seither hatten sich brasilianische und niederländische Experten fieberhaft bemüht, die schwimmende Insel zu stabilisieren. Sie hatten immer wieder Stickstoff und Pressluft in den Schwimmkörper der Plattform getrieben, um das Wasser hinaus zu pumpen. Doch die Technik verlor den Kampf gegen das schiere Gewicht.

Am frühen Morgen des 20.03. ging ein Ruck durch die Insel. Ihre Schräglage vergrößerte sich von 27 auf 31 Grad. Die Bergungsmannschaften zogen sich zurück. Um 10 Uhr Ortszeit versank der Stolz der brasilianischen Erdölindustrie in den Fluten. Zuvor hatten sich alle Schiffe und Boote zurückgezogen, aus Angst, von dem Sog mit in die Tiefe gerissen zu werden.

Der Ort im Meer, an dem nun nichts mehr von der Bohrinsel zu sehen ist, liegt 120 Kilometer vor der Stadt Macae im Bundesstaat Rio de Janeiro. Das Meer ist an dieser Stelle 1.360 Meter tief.

Spezialboote stehen bereit, um das austretende Öl aufzufangen oder den Ölteppich einzudämmen. Auch die niederländischen Spezialisten sind für etwaig austretendes Öl gerüstet. Umweltschützer befürchten aber, dass eine Ölpest die Strände der Badeorte Buzios und Cabo Frio erreichen könnte.

Die Naturschutzorganisation WWF erhob schwere Vorwürfe gegen Petrobas, die Betreiberfirma der gigantischen Ölbohrinsel. Der Untergang der P-36 werde "die 'Titanic' unter den Ölkatastrophen sein", teilte der WWF Brasilien mit. Einige Petrobas-Inseln liefen völlig ohne die verlangten Umweltlizenzen.

Die gesunkene Ölplattform P-36 war die größte Anlage dieser Art weltweit. Sie war in Italien gebaut und in Kanada für die Ölförderung ausgerüstet worden. In Brasilien war sie erst seit dem vergangenen Jahr in Betrieb. Auf ihr arbeiteten rund 175 Menschen. Die Bohrinsel produzierte zuletzt 80.000 Barrel (1 Barrel = 159 Liter) Öl pro Tag, hatte aber eine Produktions- kapazität von bis zu 150.000 Barrel pro Tag. Sie war 113 Meter lang und 96 Meter breit. Mit 120 Metern über dem Wasser war sie so hoch wie ein Wolkenkratzer. Ihr Gewicht von 32.400 Tonnen lastete auf vier halbgefluteten Pfeilern. Der Wert der gigantischen Anlage: umgerechnet mehr als eine Milliarde Mark. Mit Sicherheit weniger als allein der ökonomische Schaden, der noch zu erwarten ist - vom ökologischen, in Geld kaum aufzuwiegenden, ganz zu Schweigen.

 

Klaus Schramm

 

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