30.07.2004

Rotbauchunke
reloaded

Gen-Datenbank soll ausgestorbenen Arten dereinst zu neuem Leben verhelfen

Daß Artenschutz nicht nur hierzulande unter "Rot-Grün", sondern auch weltweit nur für Sonntagsreden taugt, kann - wer sich informieren möchte - an einer ganzen Reihe von Beispielen erkennen. Im Bundesland Brandenburg soll die vom Aussterben bedrohten Rotbauchunke1 bedenkenlos der Profitgier eines Energie-Konzerns geopfert werden, in Baden-Württemberg dürfen wir dem Aussterben des Apollofalters2 beiwohnen und die Weltmeere sind bereits nahezu leergefischt.3

Nun scheinen einige britische WissenschaftlerInnen eine Notlösung gefunden zu haben: Sie wollen das Erbgut der vom Aussterben bedrohten Säugetiere, Vögel, Insekten, Reptilien und Amphibien einfrieren und unter anderem im Natural History Museum aufbewahren. Nach der Idee aus dem Spielberg-Movie 'Jurassic Parc' soll dereinst - so denn auf diesem Planeten irgendeine intelligente Art überlebt - das genetische Material aufgetaut und mit zukünftigen technologischen Mitteln zu neuem Leben erweckt werden.

Die ersten Proben von gefährdeten Arten wie der Socorro-Taube, der Säbelantilope und dem gelben Seepferdchen wurden bereits eingefroren. Auch wenn es bislang keine Pläne zum Klonen oder gar Wiederbeleben einer Spezies gibt, hoffen die WissenschaftlerInnen so zumindest ihre genetischen Informationen zu erhalten. Zunächst sollen jene Tiere verewigt werden, die in den nächsten Jahren aussterben und solche, die nurmehr in Gefangenschaft leben. Später sollen tausende anderer Arten hinzukommen. Die Gewebe- und DNS-Proben werden bei minus 80 Grad Celsius eingefroren.

All dies ist jedoch zwecklos und eine Verschwendung finanzieller Mittel, die zur Rettung von gefährdeten Arten dringend nötig wären. Zudem lenkt es von dem ab, was zu tun wäre und bestärkt die trügerische Sicherheit des allgegenwärtigen Machbarkeitswahns. Denn aus drei Gründen wird sich dieser technologische Wunschtraum als Chimäre erweisen. Roger Higman, Koordinator für Biodiversität bei der Umweltorganisation Friends of the Earth erklärt, daß für den Schutz genetischer Vielfalt mindestens 3000 Individuen jeder Spezies notwendig sind. Die biblische Geschichte von Noah, der von jeder Art ein Paar in seine Arche nahm, um sie für ein Leben nach der Sintflut zu retten, war schon damals nichts als patriarchalischer Machbarkeitswahn.

Als weiterer Grund, warum dieses Projekt nicht realisierbar ist, kommt ein Argument hinzu, das BiologInnen eigentlich geläufig sein sollte. Auf einem leergefegten Planeten hätte eine isolierte Art, so sie denn wie ein Computerprogramm neu geladen werden könnte, keine Überlebens-Chance. Es müßte zugleich auf einen Schlag das gesamte Geflecht all der Arten, mit denen sie verknüpft ist - nicht allein die Nahrungskette - "reloaded" werden. Und zugleich müßte das ökologische Gleichgewicht, das zwischen all den miteinander verwobenen Arten besteht, künstlich wieder eintariert werden. Kurzum: Genauso gut könnten wir uns direkt mit der Bitte an den lieben Gott wenden, sich doch ein zweites Mal für sieben Tage ins Zeug zu legen.

Und ein dritter Grund, der uns wohl endgültig die jegliche menschliche Dimension sprengende Größe dieser phantastischen "Reload"-Aktion bewußt machen kann, ist die schiere Zahl der noch auf diesem Planeten vorhandenen Arten. Allein diese gigantische Anzahl übersteigt die technologischen Mittel, die der Menschheit selbst unter optimistischsten Annahmen zur Verfügung stünden. Allein der Speicherplatz für die eingefrorene DNA würde niemals ausreichen.

Täglich werden auf diesem Planeten mehr als hundert Tier- und Pflanzenarten für immer ausgerottet. Für immer. Nur in der Zerstörung ist der Menschheit keine Grenze gesetzt. Das gegenwärtige Artensterben ist das radikalste, was dieser Planet bisher erlebt hat. Es stellt das Artensterben zum Ende der Ära der Dinosaurier bei weitem in den Schatten.

Es ist allerdings infam, wenn pseudo-ökologische Wanderprediger davon reden, "wir" würden diesen Planeten zerstören. Selbstverständlich tragen auch die 80 bis 90 Prozent der Menschen in den Industrieländern, die trotz angeblicher Demokratie keinen realen Anteil an den Entscheidungen haben, einen gewissen Anteil der Schuld. Ihre Schuld besteht darin, daß sie ein Wirtschaftssystem, das auf Ausbeutung und Zerstörung beruht, und ihnen - noch - ein einigermaßen bequemes Leben ermöglicht, weiterhin dulden. Die Hauptschuld jedoch tragen diejenigen, die die Entscheidungen treffen und sehr genau über das Ausmaß der weltweiten, sich beschleunigenden Zerstörung Bescheid wissen. Und dann gibt es noch die zwei Drittel der Menschheit, die in den ausgebeuteten Ländern leben und denen mit dem "Argument" Überbevölkerung die (Haupt-) Schuld in die Schuhe geschoben werden soll. Dabei leiden sie neben der Natur am meisten unter den Auswirkungen des globalen Kapitalismus und die Zahl ihrer Kinder ist nicht Ursache, sondern eine der Folgen des Übels.

Diejenigen jedoch, die Bescheid wissen, und die den Menschen ein schlechtes Gewissen einreden, statt ihnen einen Ausweg aufzuzeigen, sind die Schlimmsten. Sie verbreiten zwar das notwendige Wissen, lassen ihre ZuhörerInnen jedoch mit einem überwältigenden Grauen zurück. Dies erzeugt Verdrängung und Resignation. Wer beispielsweise eine Energiewende einfordert, darf dabei nicht vergessen zu erwähnen, daß diese nicht möglich sein wird ohne Entmachtung von ExxonMobil, BP, DaimlerChrysler, Royal Dutch Shell, ChevronTexaco, TotalFinaElf, VW, EdF, EnBW, E.on, RWE, Vattenfall und Siemens, um nur einmal einige der mächtigsten zu nennen.

 

Solveig Brendel

 

Anmerkungen:

1 Siehe auch unseren Artikel
    Energie-Multi gegen Lacoma und Rotbauchunke (9.08.03)

2 Siehe auch unseren Artikel
    Apollofalter - the scream of the butterfly (19.05.03)

3 Siehe auch unseren Artikel
    Ozeane bald leer gefischt (26.05.03)

 

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