17.05.2004

Artikel

20.000 RentnerInnen protestieren
in Berlin gegen Sozialabbau

Im Vergleich mit den Millionen-Protesten am europäischen Tag gegen Sozialabbau am 3. April waren die 20.000 am Samstag in Berlin zwar wenige - dafür aber, daß es bisher noch kaum Demonstrationen von RentnerInnen, sozial Schwachen und Behinderten in Deutschland gab, war es ein starker Beginn. Und klarer als die Gewerkschaften haben sie sich in ihrer Kritik gegen die "asoziale" Bundesregierung gewandt: "Rot-Grün" habe sich mit der Agenda 2010 "endgültig auf die Seite der Unternehmen gestellt" und lasse "die Arbeitnehmer im Regen stehen", sagte der Präsident des Sozialvebandes Deutschland (SoVD), Adolf Bauer in seiner Rede. Und ebenso klar ist den DemonstrantInnen, daß es erst ein Beginn ist, daß es ein langer Kampf wird und daß von der schwarz-gelben Opposition erst recht nichts zu erwarten ist.

Zur Demonstration vor dem Brandenburger Tor, an der sich vorwiegend ältere und behinderte Frauen und Männer beteiligten, hatten der SoVD und die 'Volkssolidarität' aufgerufen. " Welche sozialstaatlichen Grundsätze gelten noch in einer sozialdemokratischen Partei, wenn unter Reformen nur noch Sozialabbau zu Lasten der kleinen Leute verstanden wird?", sagte SoVD-Präsident Adolf Bauer weiter unter dem Beifall der DemonstrantInnen, die aus der ganzen Bundesrepublik nach Berlin gekommen waren. Er prangerte an, daß Millionen Menschen in Deutschland sinkende Realeinkommen hinnehmen müßten, während Konzernmanager sechsstellige Monatsgehälter bezögen. Wenn die "christlichen" Parteien CDU und CSU diesen Sozialabbau "mittragen und sogar noch verschärfen wollen", sei dies verantwortungslos, betonte Bauer. Der Verband wehre sich auch "mit aller Kraft« gegen die Einführung des Arbeitslosengeldes II. Damit werde kein einziger Arbeitsplatz geschaffen, sondern Menschen bestraft, die unverschuldet arbeitslos geworden seien.

Die KundgebungsteilnehmerInnen machten im strömenden Regen ihrer Empörung mit Pfeifkonzerten und Plakaten Luft. "Schluß mit der Rentenlüge" und "Das Maß ist voll" war auf Transparenten zu lesen. Hauptthema waren die Streichungen bei den Leistungen für Kranke und Rentenkürzungen. Gewinner der Änderungen im Gesundheitswesen seien die Unternehmen, kritisierte Bauer. Die Krankenversicherung sei nicht modernisiert, sondern "in ihren Kernleistungsbereichen dramatisch zusammengestrichen" worden. Leidtragende seien ältere Menschen, Behinderte und chronisch Kranke. Zu echten Strukturreformen im Gesundheitswesen gehört nach Auffassung des SoVD die Entmachtung der Kassenärztlichen Vereinigungen sowie größere Einsparungen in der Pharmaindustrie.

Ihren "traurigen Höhepunkt" aber erreiche der Sozialabbau mit den Rentenkürzungsgesetzen, sagte der SoVD-Präsident. Für viele jüngere Versicherte bedeuteten sie die Verkündung des "Prinzips Hoffnungslosigkeit". Sie hätten auf Grund fehlender Beschäftigung oder geringer Einkommen keine Chance, die Leistungskürzungen durch private Vorsorge auszugleichen. Der Sozialverband VdK warnte die Regierungskoalition zudem davor, an ihren Plänen für eine Erhöhung der Rentenbesteuerung festzuhalten. Sollte es zu der vorgesehenen Anhebung auf 50 Prozent kommen, sei ein Gang vor das Bundesverfassungsgericht unausweichlich, sagte VdK-Präsident Walter Hirrlinger der Chemnitzer Freien Presse (Samstagausgabe). Da die Rentenbeiträge aus versteuerten Einkommen stammten, seien 40 Prozent die Obergrenze. Alles andere verstoße gegen das Grundgesetz, betonte Hirrlinger. Gegen die geplante Rentenbesteuerung und die ebenfalls geplante Erhöhrungen bei der Pflegeversicherung liegen bereits jetzt 700.000 Einsprüche vor.

 

Harry Weber

 

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