12.02.2005

Artikel

Hartz-IV-Protest bestätigt

Über 80 Prozent der ALG-II-Bescheide falsch

Wie der Sozialverband Deutschlands (SoVD) heute in einer öffentlichen Stellungnahme in Berlin bekannt gab, sind 80 bis 90 Prozent aller Bescheide auf Arbeitslosengeld II falsch. Dies habe der Verband bei einer Auswertung der Erfahrungen seit Inkrafttreten von Hartz IV am 3. Januar feststellen müssen. Es sei damit zu rechnen, daß all diese Bescheide in den nächsten Monaten nach unten korrigiert würden, sagte SoVD-Präsident Adolf Bauer.

"Vielen Betroffenen wird ihre Lage erst dann klar werden", erklärte Bauer. Die Arbeitsagenturen hätten die Anträge auf ALG II im Schnellverfahren genehmigt. Nun würden die Anträge noch einmal überprüft, und es sei damit zu rechnen, "daß weitere Leistungsempfänger aus dem Bezug herausfallen".

Seit dem 1. Januar bekommen knapp 4,1 Millionen Langzeitarbeitslose Arbeitslosengeld II - deutlich mehr als erwartet. Die Bundesregierung hatte offiziell mit nur 3,2 Millionen Leistungsempfängern gerechnet, als sie das Hartz-IV-Gesetz verabschiedete. Es wird jedoch gemutmaßt, daß die Bescheide auf interne Weisung hin bewußt falsch ausgestellt wurden, um den Widerstand gegen die "Sozialreform" so gering zu halten.

Außerdem kritisiert der SoVD, daß bisher von der Angekündigten Vermittlung von Arbeitslosen wenig zu erkennen sei. Statt dessen vor allem in den sogenannten Optionskommunen, die die Langzeitarbeitslosen allein betreuen, viele Empfänger von Arbeitslosengeld II aufgefordert, sich eine billigere Wohnung zu suchen, auch wenn Miethöhe oder Quadratmeterzahl nur geringfügig über den "angemessenen" Kosten oder Wohnungsgrößen liege. Noch zu Ende letzten Jahres hatte es von offizieller Seite geheißen, auch hier werde "großzügig" verfahren. So muß auch dieses Versprechen als Versuch gewertet werden, dem Widerstand gegen Hartz IV Wind aus den Segeln zu nehmen.

Nach Ansicht des Sozialverbands seien die Regelsätze zu niedrig, weil die Preisentwicklung der vergangenen Jahre nicht berücksichtigt wurde. Außerdem seien die unterschiedlichen Regelsätze zwischen Ost und West nicht mehr zu rechtfertigen. In Ostdeutschland werden monatlich 14 Euro weniger an die Langzeitarbeitslosen bezahlt als im Westen.

Bauer forderte zudem höhere Freibeträge für die Altersvorsorge. Nachgebessert werden müßte auch für diejenigen Arbeitslosen, die die so genannte 58er Regelung mit dem Arbeitsamt unterzeichnet hätten. Darin wird der Bezug von Arbeitslosenhilfe bis zum frühestmöglichen Renteneintritt vereinbart. Die Arbeitslosen wurden nicht mehr vermittelt und aus der Statistik gestrichen. Seit dem 1. Januar erhalten auch diese Arbeitslosen nur noch das niedrigere Arbeitslosengeld II.- "Das ist ein klarer Fall von Vertragsbruch", kritisierte Bauer. Der Sozialverband unterstützt daher Musterklagen, die inzwischen vor Gericht anhängig sind.

 

Harry Weber

 

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