23.01.2004

Protest in Freiburg
verstolpert

Gewerkschafter und Linke Liste hatten sich vornehm zurückgehalten

Im vollbesetzten Audimax der Freiburger Uni sprach sich gestern bei einer Vollversammlung die Mehrheit für eine Beendigung des "Streiks" nach nur drei Tagen aus (so jedenfalls das praktische Ergebnis - wie es dazu kam: weiter unten). Der uAStA bewertete den "Streik" als erfolgreich. Dabei wurde weder auf die neuen Formen des Protestes, noch auf die in die Öffentlichkeit verlegten Vorlesungen eingegangen. Zudem erschien der "Streik" plötzlich wieder auf die Hochschulpolitik beschränkt. Von Sozialabbau war nunmehr keine Rede mehr. Als Erfolg wurde in der Art eines pädagogischen Praktikums-Nachweises gelobt, der Horizont der Studentinnen habe sich erweitert und diese ihre Kreativität unter Beweis gestellt.

Weder von der "Linken Liste - Unabhängige Frauen", die offenbar vollauf damit beschäftigt sind, ihre neue Liste für die anstehende Kommunalwahl und damit ihre Existenzsicherung zu organisieren, noch von Gewerkschaftsseite war irgendeine gemeinsame Aktion zusammen mit den StudentInnen in der Öffentlichkeit bekannt geworden.

Der Beschluß auf der Vollversammlung im Audimax, der ab 16 Uhr mit knapper notwendiger Mindestbeteiligung bei mehr als 2000 StudentInnen begonnen hatte, kam - wie so oft - recht merkwürdig zustande. Doch bevor der wichtigste Tagesordnungspunkt behandelt werden durfte, mußten sage und schreibe 5 andere - teilweise in Form langatmiger Vorträge über all das, was seit Wochen selbst aus den Massenmedien hinlänglich bekannt ist - Tagesordnungspunkte ausgesessen werden. Die Folge war eine schleichende Entleerung des Audimax, bis nach etlichen "Hammelsprüngen" gerade noch rund 300 StudentInnen an den letzten Abstimmungen teilnahmen.

Ironischer Weise - und in Widerspiegelung der realen Mehrheitsverhältnisse - hatte es zu Beginn von Tagesordnungspunkt 6 noch drei Alternativen zur Abstimmung gegeben:

1. So weitermachen wie bisher (also kein Streik im herkömmlichen Sinne, sondern so wie an anderen Unis kreative Proteste und öffentlichkeitswirksame Aktionen)

2. "strikter Streik - Klausuren zugelassen"

3. "strikter Streik (völlig)"

Da absehbar war, daß die erste Variante die Mehrheit bekommen würde, wurde flugs eine pseudo-radikale vierte Variante eingebracht: "Alle Eingänge bis auf je einen (pro Gebäude) werden abgesperrt, im letzten werden von allen, die rein wollen, Studiengebühren verlangt." In der nun ausbrechenden Hektik und im Abzähl-Chaos der "Hammel- sprünge" wurde den wenigsten bewußt, daß diese vierte Variante praktisch (da praktisch undurchführbar) auf ein Ende der Proteste hinauslaufen würde. Ganz offensichtlich wurde von der Versammlungsleitung die erste Variante nicht gewollt und effektiv verhindert. Zuerst wurde über - angeblich "weitestgehend" - die Variante 3 abgestimmt. Diese wurde erwartungsgemäß mehrheitlich abgelehnt. Dann wurden die Varianten 2 und 4 alternativ abgestimmt. Eine Mehrheit ist angesichts der unklaren zweiten Variante für die scheinbar klare und radikale Variante 4. Danach erst wurde die vorläufige Siegerin gegen Variante 1 abgestimmt. Kein eindeutiges Ergebnis - erster Hammelsprung und Resignation einer Vielzahl von StudentInnen. Angeblich ist das Ergebnis nun 400 zu 600 für Variante 4.

Wie nicht anders zu erwarten, erklärte der uAStA das Ende des Streiks. In der Öffentlichkeit entsteht der nicht anders zu erwartende Eindruck, die "Studi-Proteste" seien damit zu Ende. Über die kuriose Variante 4 dringt nichts nach außen. Aus dem uAStA ist bereits zu hören, daß sie undurchführbar sei.

 

Frank Bayer

 

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