Am 1. Januar 2005 wurde das ALG II mit einem Regelsatz von 345 Euro eingeführt.
Mitte 2007 wurde es auf 347 Euro und zum Juli 2008 auf 351 Euro angehoben. Das
sind insgesamt 6 Euro, was 1,7 Prozent in dreieinhalb Jahren entspricht.
Die Preissteigerungsrate lag laut Statistischem Bundesamt schon 2005 bei 1,5
Prozent. 2006 lag sie offiziell bei 1,6 Prozent, 2007 bei 2,3 Prozent - und in
diesem Jahr hat sie nun bereits 3,3 Prozent erreicht und wird bis Ende des
Jahres noch erheblich steigen. Weltweit ist die Inflation auf dem Vormarsch.
Eine neue Weltwirtschaftskrise wie jene in den Jahren nach 1929 steht vor der
Tür.
Die drastische Preissteigerung bei Energie und Lebensmitteln trifft gerade die
unteren Schichten viel härter. Für sie ist der Warenkorb, der als statistische
Grundlage zur Ermittlung der durchschnittlichen Inflationsrate dient, in keiner
Weise repräsentativ. Entgegen gehässigen Gerüchten, wonach sich doch heute auch
Hartz-IV-Abhängige schon einen DVD-Player leisten könnten, ist allein schon an
den rückläufigen Verkaufszahlen im Elektronikfachhandel abzulesen, daß trotz
sinkender Preise beispielsweise von einfachen TV-Geräten in vielen Haushalten
ein neues Gerät gar nicht mehr angeschafft werden kann.
Auch das Statistische Bundesamt merkt in einer öffentlichen Stellungnahme am 16.
Juli an, daß die Verbraucherpreise im Juni wegen deutlich erhöhter Energie- und
Lebensmittelpreise so stark gestiegen sind wie seit über 14 Jahren nicht mehr.
"Diese beiden Bereiche erklären weit mehr als die Hälfte der gesamten
Preissteigerung gegenüber dem Vorjahr und umfassen etwa 20 Prozent der Ausgaben
der privaten Haushalte."
Die vom Statistischen Bundesamt genannten 20 Prozent beziehen sich allerdings
auf einen Durchschnitts-Haushalt. In Unterschichten-Haushalten ist der Anteil
der Energie- und Lebensmittelkosten an den Gesamtausgaben erheblich höher. Und
da die Lebensmittelpreise Dank der agro-industriellen Landwirtschaft an die
Energiepreise gekoppelt sind, werden beide Kostenbereich in Zukunft immer
schneller nach oben jagen. Denn der Peak Oil ist überschritten, die globale
Erdölförderung sinkt immer schneller ab - und wie sich eine Verknappung des
Angebots auf den Preis auswirkt, dürfte inzwischen bekannt sein.
Im Jahresvergleich verteuerte sich leichtes Heizöl um 62 Prozent. Kraftstoffe
verteuerten sich um 15 Prozent, davon Diesel mit 30 Prozent besonders deutlich.
An vielen Tankstellen mußten für einen Liter Sprit zeitweise Rekordpreise von
mehr als 1,60 Euro hingeblättert werden, nachdem der Ölpreis erstmals die Marke
von 140 US-Dollar überschritten hatte. Strom kostet im Durchschnitt 7,2 Prozent
mehr.
Nahrungsmittel wurden um 7,6 Prozent teurer. Dabei trugen vor allem
Milchprodukte, Fette und Brot zur Preissteigerung bei. Für Quark wurde 31
Prozent mehr verlangt, für Schnittkäse 27 Prozent. Margarine verteuerte sich um
23 Prozent, Milch und Eier um 19 Prozent, Butter um 8 Prozent, Nudeln um 28
Prozent und Brötchen um 8,8 Prozent. Fisch und Fischwaren kosteten 1,2 Prozent
mehr.
Manche AutofahrerInnen überlegen angesichts von Benzinpreisen von 1,60 Euro pro
Liter, ob sie nicht auf Bus, Bahn oder Fahrrad umsteigen könnten. Doch auch vor
dem Nahverkehr macht die Inflation nicht Halt. So hat beispielsweise der RMV in
Hessen kürzlich eine saftige Fahrpreiserhöhungen angekündigt. "Explodierende
Energiekosten" lautete die Begründung des Verkehrsunternehmens.
Daß die offizielle Preissteigerungsrate dennoch bei 3,3 Prozent liegen, hat
rechnerisch einen einfachen Grund: Bei langlebigen Gebrauchsgütern sanken die
Preise um durchschnittlich 0,7 Prozent. Notebooks wurden um gar um 27,6 Prozent
billiger, Fernseher um 18,9 Prozent.
Nun haben auch die Verbraucherzentralen vor wachsender Armut in Deutschland
wegen des drastischen Preisanstiegs für Energie und Lebensmittel gewarnt. "Ich
bin sicher, daß die Armutsschwelle bei steigenden Energiepreisen nach oben gehen
wird", sagte vor wenigen Tagen der Chef des Bundesverbands der
Verbraucherzentralen, Gerd Billen, der Deutschen Presse-Agentur dpa in Berlin.
"Das Problem wird verschärft durch die Lebensmittelpreise, die meiner Meinung
nach ebenfalls weiter steigen werden. Wenn nicht gleichzeitig die Einkommen
steigen, wächst die Gefahr der Verarmung." Die Folge sei, daß die Menschen beim
Essen sparten. Die Gewerkschaften warnen mittlerweile vor den ersten Kältetoten
im kommenden Winter.
Billen sprach auch die angestiegenen Energiepreise an: "Für einen
Vier-Personen-Haushalt haben die steigenden Energiekosten dazu geführt, daß er
über das ganze Jahr gesehen rund 1000 Euro mehr an Ausgaben für Strom, Heizung
und Benzin haben wird als im letzten Jahr." Das entspricht - aufs Jahr
umgerechnet - 83 Euro pro Monat. vzbv-Chef Billen weist darauf hin, daß es schon
jetzt mehrere hunderttausend Haushalte gebe, denen pro Jahr der Strom abgestellt
werde.
Forderungen von 50 oder 100 Euro monatlichem Zuschlag zum Hartz-IV-Regelsatz
sind vor diesem Hintergrund ein Witz. Es muß den Menschen klar werden, daß es
ohne eine Überwindung des kapitalistischen Gesellschaftssystems immer tiefer und
immer schneller abwärts geht.
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