28.07.2008

Sozialabbau
und steigende Inflation

Am 1. Januar 2005 wurde das ALG II mit einem Regelsatz von 345 Euro eingeführt. Mitte 2007 wurde es auf 347 Euro und zum Juli 2008 auf 351 Euro angehoben. Das sind insgesamt 6 Euro, was 1,7 Prozent in dreieinhalb Jahren entspricht.

Die Preissteigerungsrate lag laut Statistischem Bundesamt schon 2005 bei 1,5 Prozent. 2006 lag sie offiziell bei 1,6 Prozent, 2007 bei 2,3 Prozent - und in diesem Jahr hat sie nun bereits 3,3 Prozent erreicht und wird bis Ende des Jahres noch erheblich steigen. Weltweit ist die Inflation auf dem Vormarsch. Eine neue Weltwirtschaftskrise wie jene in den Jahren nach 1929 steht vor der Tür.

Die drastische Preissteigerung bei Energie und Lebensmitteln trifft gerade die unteren Schichten viel härter. Für sie ist der Warenkorb, der als statistische Grundlage zur Ermittlung der durchschnittlichen Inflationsrate dient, in keiner Weise repräsentativ. Entgegen gehässigen Gerüchten, wonach sich doch heute auch Hartz-IV-Abhängige schon einen DVD-Player leisten könnten, ist allein schon an den rückläufigen Verkaufszahlen im Elektronikfachhandel abzulesen, daß trotz sinkender Preise beispielsweise von einfachen TV-Geräten in vielen Haushalten ein neues Gerät gar nicht mehr angeschafft werden kann.

Auch das Statistische Bundesamt merkt in einer öffentlichen Stellungnahme am 16. Juli an, daß die Verbraucherpreise im Juni wegen deutlich erhöhter Energie- und Lebensmittelpreise so stark gestiegen sind wie seit über 14 Jahren nicht mehr. "Diese beiden Bereiche erklären weit mehr als die Hälfte der gesamten Preissteigerung gegenüber dem Vorjahr und umfassen etwa 20 Prozent der Ausgaben der privaten Haushalte."

Die vom Statistischen Bundesamt genannten 20 Prozent beziehen sich allerdings auf einen Durchschnitts-Haushalt. In Unterschichten-Haushalten ist der Anteil der Energie- und Lebensmittelkosten an den Gesamtausgaben erheblich höher. Und da die Lebensmittelpreise Dank der agro-industriellen Landwirtschaft an die Energiepreise gekoppelt sind, werden beide Kostenbereich in Zukunft immer schneller nach oben jagen. Denn der Peak Oil ist überschritten, die globale Erdölförderung sinkt immer schneller ab - und wie sich eine Verknappung des Angebots auf den Preis auswirkt, dürfte inzwischen bekannt sein.

Im Jahresvergleich verteuerte sich leichtes Heizöl um 62 Prozent. Kraftstoffe verteuerten sich um 15 Prozent, davon Diesel mit 30 Prozent besonders deutlich. An vielen Tankstellen mußten für einen Liter Sprit zeitweise Rekordpreise von mehr als 1,60 Euro hingeblättert werden, nachdem der Ölpreis erstmals die Marke von 140 US-Dollar überschritten hatte. Strom kostet im Durchschnitt 7,2 Prozent mehr.

Nahrungsmittel wurden um 7,6 Prozent teurer. Dabei trugen vor allem Milchprodukte, Fette und Brot zur Preissteigerung bei. Für Quark wurde 31 Prozent mehr verlangt, für Schnittkäse 27 Prozent. Margarine verteuerte sich um 23 Prozent, Milch und Eier um 19 Prozent, Butter um 8 Prozent, Nudeln um 28 Prozent und Brötchen um 8,8 Prozent. Fisch und Fischwaren kosteten 1,2 Prozent mehr.

Manche AutofahrerInnen überlegen angesichts von Benzinpreisen von 1,60 Euro pro Liter, ob sie nicht auf Bus, Bahn oder Fahrrad umsteigen könnten. Doch auch vor dem Nahverkehr macht die Inflation nicht Halt. So hat beispielsweise der RMV in Hessen kürzlich eine saftige Fahrpreiserhöhungen angekündigt. "Explodierende Energiekosten" lautete die Begründung des Verkehrsunternehmens.

Daß die offizielle Preissteigerungsrate dennoch bei 3,3 Prozent liegen, hat rechnerisch einen einfachen Grund: Bei langlebigen Gebrauchsgütern sanken die Preise um durchschnittlich 0,7 Prozent. Notebooks wurden um gar um 27,6 Prozent billiger, Fernseher um 18,9 Prozent.

Nun haben auch die Verbraucherzentralen vor wachsender Armut in Deutschland wegen des drastischen Preisanstiegs für Energie und Lebensmittel gewarnt. "Ich bin sicher, daß die Armutsschwelle bei steigenden Energiepreisen nach oben gehen wird", sagte vor wenigen Tagen der Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen, Gerd Billen, der Deutschen Presse-Agentur dpa in Berlin. "Das Problem wird verschärft durch die Lebensmittelpreise, die meiner Meinung nach ebenfalls weiter steigen werden. Wenn nicht gleichzeitig die Einkommen steigen, wächst die Gefahr der Verarmung." Die Folge sei, daß die Menschen beim Essen sparten. Die Gewerkschaften warnen mittlerweile vor den ersten Kältetoten im kommenden Winter.

Billen sprach auch die angestiegenen Energiepreise an: "Für einen Vier-Personen-Haushalt haben die steigenden Energiekosten dazu geführt, daß er über das ganze Jahr gesehen rund 1000 Euro mehr an Ausgaben für Strom, Heizung und Benzin haben wird als im letzten Jahr." Das entspricht - aufs Jahr umgerechnet - 83 Euro pro Monat. vzbv-Chef Billen weist darauf hin, daß es schon jetzt mehrere hunderttausend Haushalte gebe, denen pro Jahr der Strom abgestellt werde.

Forderungen von 50 oder 100 Euro monatlichem Zuschlag zum Hartz-IV-Regelsatz sind vor diesem Hintergrund ein Witz. Es muß den Menschen klar werden, daß es ohne eine Überwindung des kapitalistischen Gesellschaftssystems immer tiefer und immer schneller abwärts geht.

 

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