28.08.2007

Artikel

Zwangsarbeit durch Hartz IV

Lohndumping und Verdrängung regulärer Arbeitsplätze

EmpfängerInnen von Arbeitslosengeld II (ALG II) nach den Hartz-Gesetzen wurden nach Recherchen von 'Report Mainz' unter dem Vorwand, damit ein Praktikum zur "Wiedereingliederung in die Arbeitswelt" zu absolvieren, zu kostenloser Zwangsarbeit vergattert. Unter Androhung einer Kürzung des ALG II wurden sie gezwungen, oft sogar monatelang auf regulären Arbeitsplätzen zu arbeiten, ohne dafür mehr als das ALG II in Höhe von 347 Euro im Monat zu erhalten. Das berichtete das ARD-Politikmagazin in seiner gestrigen Sendung (Montag, 27.08.07). Der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Frank Bsirske, verurteilte diese Praxis im Interview mit 'Report Mainz' scharf: "Ich empfinde das als absoluten Skandal, weil hier Menschen im Grunde gezwungen werden, zu Armutslöhnen zu arbeiten und reguläre Arbeitsplätze systematisch ersetzt werden durch Billigst- und Dumpingarbeitsplätze in einer offensichtlich rechtswidrigen Praxis."

Die gesetzlichen Grundlagen sehen vor, daß diese Praktika im Regelfall vier bis acht Wochen dauern dürfen, im Ausnahmefall bis zwölf Wochen. 'Report Mainz' liegen zahlreiche PraktikantInnen-Verträge vor, die deutliche Überschreitungen dieser Grundlagen zeigen. PraktikantInnen wurden zum Beispiel neun Monate als AutoputzerInnen, sechs Monate als LagerarbeiterInnen oder vier Monate als GärtnerInnen beschäftigt. Als krassestes Beispiel hatte das TV-Magazin den Fall eines Arbeitslosen angeführt, der in einem Praktikumsverhältnis monatelang als Busfahrer eingesetzt war, kurz vor Ablauf einer Sechs-Monatsfrist aber von dem Unternehmen entlassen wurde. Bei einer Vielzahl von Fällen war von vornherein klar, daß keine Aussicht auf eine Festanstellung bestand.

In einem Urteil des Sozialgerichts Aachen vom März dieses Jahres hieß es "Unentgeltliche Arbeit ist nicht zumutbar". Das Busunternehmen, in dem ein Praktikant auf ALG-II-Basis vier Monate gearbeitet hatte, sei durch insgesamt sieben Praktikanten um 28 Busfahrer-Monatsgehälter entlastet worden. Der Sozialrichter Michael-Wolf Dellen sagte im Interview mit 'Report Mainz': "Ein regulärer Arbeitsplatz fiel dadurch weg."

Offenbar dienen die "Arbeits-Agenturen" inzwischen nicht mehr der Vermittlung von Arbeitsplätzen, sondern einer neuartigen Form von Unternehmens-Subventionierung, indem diesen Gratis-Arbeitskräfte zugewiesen werden. Die Zahl der Betriebe nimmt von Monat zu Monat zu, in denen weit mehr als zehn Prozent der Beschäftigten mit vagen Aussichten auf einen befristeten Arbeitsvertrag arbeiten müssen, um nach Ablauf des Praktikums vom nächsten Langzeitarbeitslosen ersetzt zu werden.

Laut einer aktuellen Mitteilung der "Bundesagentur für Arbeit" (BA) soll nun gegen den Mißbrauch von Langzeitarbeitslosen als Dauerpraktikanten ohne Aussicht auf Festanstellung vorgegangen werden. Die GeschäftsführerInnen der mehr als 400 Jobcenter in Deutschland würden umgehend angewiesen, entsprechende Maßnahmen besser im Blick zu behalten, sagte ein BA-Sprecher. "Wir werden vor allem stärker darauf achten, daß Arbeitslosengeld-II-Empfänger nicht länger als die gesetzlich vorgesehenen drei Monate als Praktikanten in einem Unternehmen beschäftigt werden."

 

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