Zur aktuellen Diskussion um die Rente mit 67
Bevor ich auf die aktuelle Diskussion um die Rente mit 67 eingehe, will ich mal kurz die reale Situation darstellen. Das wird leider in den Mainstream-Medien und daher auch im öffentlichen Bewußtsein durchweg ausgeblendet:
Bereits heute erhalten 98 Prozent der Rentnerinnen eine Renten unter 900 Euro - also unter der Pfändungsfreigrenze. 62 Prozent sogar unter 450 Euro. Von den Rentnern erhalten rund 50 Prozent weniger als 900 Euro. Die Durchschnittsrente liegt bei 831 Euro.
Längst wird auch von vielen sogenannten RentenexpertInnen umstandslos erklärt, die BeitragszahlerInnen dürften nicht erwarten, mehr ausgezahlt zu bekommen als sie einbezahlt haben. Das ist so dreist, daß viele gar nicht begreifen, was das bedeutet. Stellt Euch mal vor, eine Bank erklärt Euch: Sie dürfen aber nicht erwarten, daß Sie für Ihr Guthaben Zinsen bekommen.
Tatsächlich ist das heute bereits bei den meisten Rentnern und insbesondere den Rentnerinnen der Fall, daß sie an Rente weniger herausbekommen als sie über die Jahre hin einbezahlt haben.
Wie sieht die Bilanz für RentnerInnen mit der Durchschnittsrente von 831 Euro aus?
Die durchschnittliche Lebenserwartung von Arbeiterinnen liegt heute bei 70 Jahren, von Arbeitern bei 68,5 Jahren. Bei einem Renteneintrittsalter von 67 Jahre bleiben dann gerade noch eineinhalb oder drei Jahre, in denen sie überhaupt Rente beziehen können - für viele war die Einzahlung der Rentenbeiträge für die Katz, weil sie vor Erreichen der 67 Jahre sterben. Minusrente? Für viele läuft es auf eine nahezu vollständige Enteignung hinaus.
Gehen wir zur Berechnung mal von vier Jahren Rente - zwischen 67 und dem Tod mit 71 Jahren - aus. Bei der Durchschnittsrente werden also 4 mal 12 mal 831 Euro ausbezahlt. Das sind 39.888 Euro. Dem stehen einbezahlte Rentenbeiträge von - ohne Zinsen - insgesamt rund 100.000 Euro gegenüber. Ein Minus von rund 60.000 Euro.
Vor diesem düsteren Hintergrund wird also derzeit diskutiert.
Das Spektakel, das der Vorsitzende der sogenannten Roten, Kurt Beck und der Vizekanzler mit dem roten Schal, Franz Müntefering aufführen, soll uns davon ablenken, daß der brutalste Sozialabbau - ein Sozialabbau, der sogar die wahrlich nicht kapitalfeindliche "schwarz-gelbe" Regierung unter Bundeskanzler Helmut Kohl übertraf - der brutalste Sozialabbau der letzten 20 Jahre, gerade von ihnen selbst während der Zeit der "rot-grünen" Koalition exekutiert worden war. Unter der Mittäterschaft von Beck und Müntefering.
Und weil diese Herren jetzt merken, daß die SPD die Folgen dieser Politik deutlicher zu spüren bekommt als die Schwarzen, versucht Müntefering jetzt, dem Kurt Beck ein bißchen Rouge aufzulegen. Dasselbe leicht zu durchschauende Schauspiel wie sie es schon in den letzten Wochen beim Thema ALG I aufgeführt haben.
Und wenn wir uns das, was Kurt Beck als soziale Wohltaten verkaufen will, genauer anschauen, stellt sich heraus: Das ist ein schlechter Witz!
Das vom Schein-Linken in der SPD-Bundestagsfraktion vorgelegte Papier zur Abmilderung der Rente-67-Beschlüsse, sieht zwar die Möglichkeit vor, bereits vor dem 67. Lebensjahr in Rente zu gehen. Die Lasten sollen aber allein die Lohnabhängigen tragen, die dann mit Abschlägen von bis zu 25,2 Prozent rechnen müssten. Darüber hinaus soll die Möglichkeit eröffnet werden, sich von der Rente ab 67 freizukaufen. Der ursprüngliche Plan, den Zugang zu Erwerbsminderungsrenten zu erleichtern, wurde fallen gelassen.
Mit den Änderungsvorschlägen wollen die Gauner über den massiven Sozialabbau hinwegtäuschen, der durch die Rente ab 67 Frauen, GeringverdienerInnen und Erwerbslose besonders hart trifft.
Gar nicht mehr in der öffentlichen Diskussion ist die drohende Zwangsverrentung für Erwerbslose. Hartz IV-BezieherInnen sollen ab 1. Januar 2008 zwangsverrentet werden können. Der Arbeitskreis Arbeitslosigkeit der IG Metall Berlin hat eine Unterschriftenliste dagegen vorgelegt.
Wir sehen also: Der Sozialabbau soll weiter und weiter vorangetrieben werden. Allenfalls gehen sie mal einen halben Schritt zurück - zur Verwirrung des Publikums - wenn sie gerade zwei Schritte vor gegangen sind.
Ebenso wie beim Thema ALG I
Ebenso wie beim Thema Almosen für ein anständiges Mittagessen für "Hartz-IV-Kinder"
sagen wir: Kosmetik wollen wir nicht!
Die gesamte Agenda 2010 muß weg!
Klaus Schramm