25.05.2007

Unternehmenssteuern
erneut gesenkt

"Schwarz-Rot" steuert Staatsbankrott an

Der Offene Brief der DGB-Chefs Michael Sommer blieb wirkungslos: Heute stimmten - wie leicht vorauszusagen war - 391 Bundestagsmitglieder (MdBs) für die "Unternehmenssteuerreform" der "schwarz-roten" Regierung. In der namentlichen Abstimmung stimmten 149 MdBs, darunter die der Linkspartei geschlossen, gegen die Vorlage und 17 enthielten sich. Sommer hatte alle MdBs aufgefordert, gegen die "Unternehmenssteuerreform" zu stimmen. Gemeint hatte er aber sicherlich vor allem seine Partei-"Genossen" in der "S"PD.

Mit der ab 2008 in Kraft tretenden Absenkung Unternehmenssteuern wird erneut eine Umverteilung von unten nach oben betrieben. Während durch die zu Beginn dieses Jahres wirksame Erhöhung der Mehrwertsteuer rund 30 Milliarden Euro mehr in die Staatskasse fließen, wird mit der "Unternehmenssteuerreform" ein Betrag von jährlich 5 Milliarden Euro (nach Schätzung der Bundesregierung) an die Konzerne verschenkt. Ähnliche Schätzungen gab es allerdings auch vor der im Jahr 2000 von "Rot-Grün" realisierten Steuerreform, die dann die Steuereinnahmen in den Folgejahren um jährlich über 20 Milliarden einbrechen ließ:

Übersicht über die Einnahmen des Bundes in Milliarden Euro

2000 2001 2002 2003
Veranlagte Einkommen-Steuer 12,2 8,8 7,5 4,6
Gewerbesteuer 27,0 24,5 23,5 23,4
Zinsabschlags-Steuer 7,3 9,0 8,5 7,5
Kapital-Ertrags-Steuer 13,5 20,9 14,0 9,0
Körperschafts-Steuer 23,6 -0,4 2,9 8,3
Summe 83,6 62,8 56,4 52,9

Folgende Grafik gibt die Entwicklung anhand der - die Realität allerdings beschönigenden - offiziellen Steuersätze wieder:

Unternehmenssteuern nominal 2000 bis 2008

Die "schwarz-rote" Bundesregierung argumentiert auf derselben Schiene wie die Vorgängerregierung. Mit den Geschenken an die Konzerne wolle sie "Arbeitsplätze in Deutschland halten". Falls dies tatsächlich je Absicht von ParlamentarierInnen gewesen sein sollte - und nicht lediglich der Vorwand, um das Kräfteungleichgewicht zwischen Wirtschaft und Politik ganz bewußt weiter zu einem "Primat der Ökonomie über die Politik" hin zu verschieben - muß dieses Experiment mit Blick auf einen europäischen Vergleich als gescheitert angesehen werden.

So schrieb beispielsweise der Gießener Professor für Volkswirtschaftslehre, Armin Bohnet, im Januar 2001 in einer Studie über den "Einfluß der Globalisierung auf staatliche Handlungsspielräume und die Zielverwirklichungsmöglichkeiten gesellschaftlicher Gruppen":
"Dem europäischen Steuersenkungswettbewerb im Bereich der Kapitaleinkommensbesteuerung hat sich auch Deutschland nicht entzogen, vor allem nicht bei der Körperschaftsbesteuerung. Die Bundesregierung aus SPD und Bündnis 90/Die Grünen hat Mitte 2000 die Senkung der Unternehmenssteuern auf 25 v. H. bei gleichzeitiger Vereinheitlichung des Steuersatzes auf ausgeschüttete und thesaurierte Gewinne verabschiedet (Steuerreform 2000), so daß Deutschland nun den niedrigsten Körperschaftsteuersatz in der Europäischen Union aufweist."

Bis auf die Zeit des kurzen Aufschwungs in diesem Jahr sank die Zahl der Erwerbstätigen in der BRD seit 2000 Jahr um Jahr. Und es bedarf ebenfalls keiner Hellsehergabe, um vorauszusagen, daß dieses Strohfeuer keine dauerhafte Wirkung haben wird und der Trend der letzten Jahre sich bereits im Sommer 2007 erneut durchsetzen wird.

Die "schwarz-rote" Bundesregierung behauptet nun des weiteren, mit der "Reform" werde lediglich die Steuerlast der Kapitalgesellschaften von knapp 39 Prozent auf rund 30 Prozent gesenkt. Deutschland werde damit "für alle Unternehmen attraktiver, die hier investieren wollen". Mit dieser Höhe der Unternehmenssteuern liege die Bundesrepublik lediglich im europäischen Mittelfeld, während sie zuvor den Unternehmen "die höchste Steuerlast in der EU" zugemutet habe. Dies wird regierungsamtlich mit folgender Grafik verdeutlicht:

Unternehmenssteuern im europäischen Vergleich laut Bundesregierung, Mai 2007

Daß es sich bei diesem Argument um einen billigen Roßtäuschertrick handelt, macht "Schwarz-Rot" selbst deutlich, wenn Bundesfinanzminister Peer Steinbrück an anderer Stelle selbst sagt: "Es geht darum, daß Konzerne wieder in Deutschland Steuern zahlen." Und der "S"PD-MdB Joachim Poß gibt vor, zu glauben: "Nun werden einige Dax-Unternehmen zum ersten Mal jetzt richtig Steuern zahlen".

Sonst wird immer so getan, als ließe sich die reale Steuerbelastung der großen Unternehmen in Deutschland schwerlich exakt beziffern, da die Unternehmensfinanzen kaum transparent seien und die Möglichkeiten, Steuerschlupflöcher zu nutzen, kaum je publik werden. So ist beispielsweise kaum bekannt, daß der DaimlerChrysler-Konzern (jetzt kurz: Daimler) an seinem Hauptsitz in Stuttgart-Sindelfingen über zehn Jahre lang weniger Gewerbesteuer bezahlte als dort allein an Hundesteuer zusammenkam. Vergessen wird auch gerne, daß dies politisch so gewollt ist.

Mitte der 1960er-Jahre kamen noch rund 20 Prozent des Steueraufkommens aus Gewinn- und Vermögenseinkommen, in den letzten Jahren waren es noch rund sechs Prozent. 1983 trugen Körperschaft- und Einkommensteuer noch 14 Prozent zum Steueraufkommen bei, in den letzten Jahren waren es noch rund 2 Prozent.

Und Deutschland liegt im europäischen Steuersenkungswettbewerb nicht etwa am Ende des Feldes, sondern an dessen Spitze und treibt so die Abwärtsspirale energisch an:

Unternehmenssteuern im europäischen Vergleich, real

In dieser Statistik wird das Bruttoinlandsprodukt (BIP) als realistischer Maßstab zu den Unternehmenssteuern des jeweiligen Landes ins Verhältnis gesetzt. Mit der Abwärtsspirale treibt "Schwarz-Rot" nicht nur die Bundesrepublik Deutschland, sondern sämtliche EU-Staaten in den Bankrott. Wie Arno Luik bereits 2004 in einem Essay1 im 'stern' treffend schrieb, betreiben die CDU/SPD/CSU/FDP/Grünen- PolitikerInnen mit einer "fast hysterische Zerstörungslust" die Zerschlagung des herkömmlichen Nationalstaates: "Werden die Reformen umgesetzt - und die politisch Handelnden sind dazu verbissen entschlossen -, wird diese Republik eine radikal andere Gesellschaft sein: ein entkernter Staat ohne Gemeinsinn, eine entzivilisierte Gesellschaft."

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

1 Siehe auch:

      Der Putsch von ganz oben (23.10.04)

 

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