4.06.2004

Das "humanitäre" Interesse
am Sudan

gilt den Bodenschätzen

In immer dichterer Folge erscheinen Meldungen und Äußerungen von PolitikerInnen zum Sudan.1 Obwohl weltweit permanent zwischen 20 und 50 Kriege und kriegsähnliche Konflikte2 toben, wird plötzlich der Eindruck erweckt, die "westliche Wertegemeinschaft" müsse ausgerechnet im Sudan aus "humanitären Gründen" eingreifen. Auch die Vorsitzende der 'Deutschen Welthungerhilfe', Ingeborg Schäuble (die Gattin von Ex-Innenminister Wolfgang Schäuble), verkündete Ende Mai eine "humanitäre Katastrophe ungeheuren Ausmaßes" im Sudan, wo über eine Million Menschen vom Hungertod bedroht seien, weil die Konfliktparteien Hilfslieferungen unmöglich machten.

Das Schema dieses Propaganda-Feldzuges entspricht exakt dem vor Beginn des Kosovo-Krieges 1999, dem vor Beginn des Afghanistan-Krieges 2001 und dem vor Beginn des Irak-Kriegs 2003. Doch wie aus der internationalen Presse zu erfahren ist, steht die Unterzeichnung eines Friedens- abkommens zwischen der Zentralregierung in Khartoum und den Rebellen im Süden des Landes unmittelbar bevor. Damit würde der seit 1983 dauernde Bürgerkrieg beendet und Macht und Ölreichtum des Südens würden geteilt.

Daß ausschließlich das Vorkommen von Öl die Begierde nach "humanitären Operationen" im Sudan nährt und menschliche Gesichtspunkte noch nie ins Gewicht fielen, wird deutlich, wenn der Anschlag vom 20. August 1998 im Rückblick betrachtet wird. Der damalige US-Präsident Clinton ließ ohne Beweise eine Arzneimittel-Fabrik in der Nähe der sudanesischen Hauptstadt Khartoum mit Missiles zerstören. Der Anschlag wurde als "Vergeltungs-Schlag" wegen angeblich von Islamisten begangener Anschläge in Nairobi (Kenia) und Daressalam (Tansania) verübt, bei denen US-amerikanische Staatsangehörige ermordet worden waren. Zudem wurde von Clinton behauptet, es habe sich um eine Nervengas-Fabrik mit Verbindung zu Osama Bin Laden gehandelt. Diese Behauptung gilt inzwischen auf Grund internationaler Untersuchungen als zweifelsfrei widerlegt. Dem Schutt der zerstörten Fabrik waren Proben entnommen und von unabhängigen Wissenschaftlern chemisch untersucht worden. Es hatte sich um die Fabrik des größten sudanesischen Herstellers von Arzneimitteln gehandelt, in der rund 300 Menschen gearbeitet hatten. Nur durch glückliche Umstande waren bei der Zerstötung der Fabrik keine Toten, sondern ausschließlich Verletzte zu beklagen. Dennoch ist der Verlust - insbesondere der in dieser Fabrik hergestellten Antibiotika - für ein armes Land gravierend. Für diesen völkerrechtswidrigen kriegerischen Akt wurde die US-Regierung nie zur Rechenschaft gezogen.

Um trotz des bevorstehenden Friedensschlusses einen Vorwand für "humanitäre Operationen" liefern zu können, behaupten Teile der deutschen Presse nunmehr, dieser Friedensschluß stünde auf "tönernen Füßen". Sudans Präsident Al Bashir führe einen "rassistisch-arabischen Krieg", einen "archaisch anmutenden Kampf für das Fantasiegebilde eines großarabischen Reiches".3 Weiter hieß es, der Sudan sei ein "nationalstaatliches Kunstgebilde" - ein politischer Kampfbegriff, mit dem Berlin bereits die Zerteilung Jugoslawiens betrieb. Die Berliner Außenpolitik erwägt seit längerem die Zerschlagung des Sudan und die Stationierung von Besatzungstruppen unter EU-Führung. Erst kürzlich hatte der deutsche NGO-Gründer Rupert Neudeck vorgeschlagen, ein "Konsortium von Nichtregierungsorganisationen" könne in den abgespaltenen Landesteilen mit einem verbindlichen Mandat "die Führung übernehmen".

Ähnliche Vorstellungen verfolgt die deutsche "Entwicklungs"- Ministerin Wieczorek-Zeul (SPD). Sie fordert einen Militäreinsatz im Sudan sowie UN-Sanktionen, mit denen die Regierung des Landes gezwungen werden soll, den Berliner Einflußbegehren statt zu geben. Der Vorsitzende des EU-Militärausschusses, Gustav Hägglund, hat bereits erklärt, er halte den Einsatz einer internationalen Truppe unter Führung der EU im Sudan für "sehr wahrscheinlich". Außenminister Joseph Fischer hat seine EU-Amtskollegen veranlaßt, im Vorgriff auf einen noch ausstehenden Lagebericht der Afrikanischen Union einen Militäreinsatz in die westliche sudanesische Provinz Darfur zu unterstützen. Der UN-Sicherheitsrat bereitet unter deutschem Vorsitz eine Erklärung zur Situation im Sudan vor. Für Anfang Juni ist außerdem eine "Geberkonferenz" für die "Krisenregion" geplant, die von den UN, den USA und der EU ausgerichtet werden soll.

Auf diese "Geberkonferenz" hoffen auch deutsche Unternehmen. So beabsichtigt die Thormählen Schweiß- technik AG, eine 2.500 Kilometer lange Eisenbahnstrecke vom Süden des Sudan über Uganda bis nach Kenia zu bauen und anschließend auch zu betreiben. Allein für die Bahnstrecke ist ein Investitionsvolumen von rund einer Milliarde Euro vorgesehen, weitere zwei Milliarden Euro sollen in den begleitenden Ausbau der Infrastruktur (Straßen, Brunnen) fließen. Der Firmenchef ist zuversichtlich, daß die "Geberkonferenz" die Baukosten bewilligen wird: "Der Südsudan verfügt über reichhaltige Bodenschätze, unter anderem Öl, Gold und Uran."4 Vermittelt wurde der Milliardenauftrag von der kenianischen Regierung, mit der der deutsche Kanzler eine "privilegierte Partnerschaft" begründen will.5 Der Auftrag zum Eisenbahnbau wurde von John Garang unterschrieben, dem Anführer der christlich orientierten Rebellenbewegung SPLM/A, die den Süden des Landes weitgehend unter Kontrolle hat. Deutsche Ingenieure sind im Südsudan bereits bei Bauvorbereitungen tätig.

 

Klaus Schramm

 

Anmerkungen:

1 'Die Strategie der Rücksichtnahme erweist sich als fatal. /
    Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD)
    fordert Sanktionen gegen Sudan und kritisiert die UN',
    Frankfurter Rundschau vom 25.05.2004

    'Internationale Gemeinschaft muss Druck auf Sudan
    erhöhen. / Interview mit Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD)',
    Deutschlandradio vom 25.05.2004

    'Nickels fordert >>Notbremse<< gegen Sudan',
    "Die Situation in Dafaur >>geht auf Völkermord zu (...)"
    so die "grüne" Vorsitzende des Bundestagsausschusses
    für Menschenrechte, Christa Nickels,
    taz vom 21.05.2004

    "Friedensabkommen steht unmittelbar bevor",
    Der Standard vom 25.05.2004

    "Frieden im Sudan nicht in Sicht",
    Handelsblatt vom 25.05.2004

2 Siehe auch unseren Artikel
    'Die vergessenen Kriege' v. 28.03.03

3 "Ein islamistischer Rassist", 'DIE WELT' vom 25.05.2004

4 "Oldesloer Firma Thormählen Schweißtechnik plant
    für Afrika",
    Lübecker Nachrichten vom 19.05.2004

5 "Eine Eisenbahn für Afrika",
    Hamburger Abendblatt vom 21.05.2004

 

Unter Verwendung von:
'Informationen zur Deutschen Außenpolitik' (www.german-foreign-policy.com)

 

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