22.08.2002

Tanzen gegen Transporte
Mit Fantasie gegen den Flächenfraß

Farbenfrohe Aktion einer internationalen Gruppe von 100 Jugendlichen gegen den geplanten Bau des 70 ha großen Logistikzentrums "Magna Park" bei Göttingen

Vom 11. bis 15. August fand das Abschluß-Camp der Bike+10-Sternradtour in der Nähe von Göttingen statt. Über 200 Jugendliche aus 7 europäischen Ländern, die vorher schon 10 Tage lang in vier verschiedenen Routen durch Deutschland geradelt waren, beschäftigten sich hier nun weiter unter dem Motto "Gimme hope Jo'anna" mit der Thematik der nachhaltigen Entwicklung und erstellten einen Katalog von 10 Forderungen, die dem deutschen Umweltminister mit auf den Weg zum Gipfel nach Johannesburg gegeben wurden.

Am 14. August beteiligten sich rund 100 TeilnehmerInnen des Camps an einer Aktion gegen die schon im Bau befindliche Erweiterung der A 38 und gegen das geplante Logistikzentrum Magna Park.

Was ist der Magna Park?

Der Magna Park ist ein in Planung befindliches Logistikzentrum von 70 Hektar Fläche, ein Investitionsprojekt der amerikanischen Firma Wal Mart. Auf bestem Ackerboden und eingeklemmt zwischen einige Ortschaften (die Entfernungen zum Industriepark würden zwischen 0 und 400 Metern betragen) sollen 6 riesenhafte Lagerhallen 24 Stunden am Tag und 7 Tage die Wochen von Lastwagen aus ganz Europa angefahren werden. Sie sollen die Segen der Konsumgesellschaft in alle Winkel des Kontinents verteilen können.

Das bedeutet für die Anwohner: Rund um die Uhr Licht, rund um die Uhr Lärm, rund um die Uhr Abgase und Gestank. Das bedeutet für Europa sicherlich keine Reduzierung der Straßentransporte und das bedeutet fürs Klima sicherlich keine CO2-Reduktion. Das bedeutet sicherlich auch keine nachhaltige Entwicklung im Sinne von Rio.

Einher mit der Planung des Magna Parks geht die schon im Bau befindliche Erweiterung der A38 bei Friedland (Nähe Göttingen).

Die Aktion

Gemeinsam mit unseren Fahrrädern und einigen Mitgliedern der örtlichen Bürgerinitiative machen wir uns Mittwoch Abend auf den Weg zur Baustelle der neuen Autobahn. Überall in der Gegend kann man Plakate finden "Magna Park No". Den Leuten stinkt es. Wer will schon gern in einem Industriepark leben.

"Wenn die damit anfangen, machen sie irgendwann die ganze Gegend platt", befürchtet eine Anwohnerin. Die Gegend bietet sich ja an, direkt in der Mitte Europas gelegen. Man muß halt Opfer bringen für die Segen der modernen Welt.

Einen langen und eindrucksvollen Spaziergang machen wir über die unfertige Autobahn - wann hat man dazu schon mal Gelegenheit - bis zur aktuellen Baustelle. Ein großes Transparent flattert uns schon vom Kran entgegen "Lebendige Auen statt Autobahn" und sofort legen wir los und schmücken die herumstehenden Baumaschinen mit bunten Papierblumen, Schleifen, Postern, Farbe und kleinen Notizzettel für die Arbeiter. Deren Gesichter würde ich morgen früh gerne sehen.

Dann legt unsere Sambaband los und zwar oben auf den Maschinen und wir tanzen auf den Ladeflächen der Laster, im Staub der Baustelle. Auf der noch unbenutzten Brücke stehen unsere 100 Fahrräder und demontrieren eindrucksvoll: Es geht auch anders.

Feiern und demonstrieren macht hungrig und so beginnen wir bei Einbruch der Dunkelheit mit unserem Widerstandspicknick, das uns das niederländische Kochkollektiv Rampenplan gezaubert und gebracht hat. Das besänftigt auch die Polizisten, die inzwischen aufgetaucht sind und die sehen: Auch Demonstranten müssen essen wie ganz normale Leute und da kann man sie nicht einfach mitten während dem Abendbrot wegjagen.

Aber die Personalien müssten sie dann doch demnächst mal aufnehmen, falls Kosten entstanden sind wegen der Farbe. Wenn der Einsatzleiter kommt... Ich frage mich erstens wie 10 Polizisten von 100 Leuten die Personalien aufnehmen wollen (wir sind zwar gut erzogen, aber so zuvorkommend auch nicht, daß wir uns noch extra in einer Reihe anstellen und brav warten, bis wir dran sind), zweitens, woher sie wissen wollen, wer die Farbe gesprüht hat und drittens, wann der Herr Einsatzleiter denn nun kommt.

Im Grunde hat der Polizist, mit dem ich spreche aber nicht wirklich was gegen unsere Aktion, schließlich wohnt er selbst im nächsten Dorf und ist Betroffener. Wir sollen nur aufpassen, dass niemand auf die Straße läuft.

Die Stimmung ist super. Mit der bunten Dekoration hat sich die Baustelle in eine Partylandschaft verwandelt - Samba, tanzen, Sprechchöre, leckeres Essen, alle haben ihren Spaß, die Presse ist äußerst interessiert und die Leute von der BI sind begeistert: "Das ist die beste Aktion, die hier jemals stattgefunden hat, wir sind euch so dankbar, dass ihr hier seid und tanken viel Kraft zum Weitermachen." Ehrensache.

Wir hätten ihn ja gerne noch kennengelernt, den Herrn Einsatzleiter, aber wir können ja schließlich nicht die ganze Nacht auf ihn warten. Und so schwingen wir uns mit einem letzten, wohlgemeinten Ratschlag unserer Freunde und Helfer ("Licht anmachen und wer kein Licht hat, schieben!") auf unsere Drahtesel um die 5 km bergauf zum Camp zu radeln.

Der eine Polizist möchte so gerne noch ein "Magna Park No"-Poster haben. Das bekommt er auch und meint noch: "Aber laßt Euch nicht noch mehr solche verrückten Ideen einfallen!" Sein Kollege sieht mich verschmitzt an und sagt: "Doch, doch, macht mal weiter so, das ist wichtig!"

Klar machen wir weiter so, da könnt ihr euch drauf verlassen.

NO MAGNA PARK

 

Janne Ellenberger

 

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