11.05.2004

Betrug
mit "delphinsicher"
gefangenem Thunfisch

Gutachter auf Fangschiffen für Thunfisch häufig bestochen

Auf mexikanischen Fangschiffen werden Gutachter bestochen, um Thunfischfänge als "delphinsicher gefangen" zu deklarieren. Wie die 'Gesellschaft zur Rettung der Delphine' (GRD) berichtet, schreiben offizielle Gutachter an Bord von Thunfisch-Fangschiffen für 10.000 US-Dollar pro Einsatzfahrt positive Bescheinigungen. Die US-Regierung habe von den Bestechungsvorgängen schon seit Jahren gewußt, kritisiert die Organisation. In einer internen Notiz habe ein Biologe der zuständigen US-Fischereibehörde bereits 1999 von den Bestechungsvorgängen berichtet.

Nach Aussagen eines auf mexikanischen Thunfisch-Fangschiffen beschäftigten Fischers "hatten diese zwar immer Gutachter an Bord, aber jeder in der Flotte wußte, daß die Gutachter regelmäßig geschmiert wurden, um Falschaussagen über den Ablauf der Fangfahrt zu machen." Er sei persönlich an Bord gewesen, als einem mexikanischen Gutachter 10.000 US-Dollar übergeben wurden, um den gesamten Thunfischfang als "delphinsicher" zu bestätigen.

"Es ist sehr bedauerlich, daß die US-Regierung dem Gericht wichtige Beweise vorenthält, die belegen, daß die Anzahl der Verfolgungen und Todesraten von Delphinen auf betrügerische Art und Weise unterschätzt wird. Die US-Regierung ignoriert routinemäßig wissenschaftliche Erkenntnisse zugunsten von offensichtlich politischen Entscheidungen, die die Umwelt schädigen", erklärt David Phillips vom Earth Island Institute (EII).

Der zuständige Richter Henderson halte die Information über die Schmiergelder für durchaus relevant und verlange deren Einbeziehung in den laufenden Prozeß. Das Urteil, ob die gelockerten Bestimmungen für "delphinsicheren" Thunfisch nun in Kraft treten dürfen oder nicht, wird gegen Ende Mai erwartet.

Im tropischen Ostpazifik werden Delphine mit Ringwadennetzen eingekreist, um die etwa 150 Meter unter ihnen schwimmenden Gelbflossen-Thunfische zu fangen. Diese Methode wird überwiegend von süd- und mittelamerikanischen Fangflotten eingesetzt. Dabei sterben jährlich rund 3.000 Tiere, die überwiegend in den Netzen jämmerlich ersticken. Nach dem Willen der US-Regierung solle derart gefangener Thunfisch künftig als "delphinsicher" gelten.

"Die Zahlen sind erschütternd", meint Projektleiterin Ulrike Kirsch von der Gesellschaft zur Rettung der Delphine, "über 7.600 Mal im Jahr werden Netze um Delphine gesetzt. Das heißt 9,3 Millionen Delphine werden jedes Jahr gnadenlos gejagt. Die Delphinbestände im tropischen Ostpazifik sind aber weitaus niedriger, folglich werden unzählige Tiere mehrfach gejagt." Das ständige Einfangen schädigt Gesundheit und Fortpflanzungsfähigkeit der Meeressäuger. Zahllose Babys, die noch von der Muttermilch abhängig sind, werden dabei von ihren Müttern getrennt und sterben.

Obwohl die Zahlen und Schlußfolgerungen der Studien dagegen sprechen, hat die US-Regierung Ende 2002 diese Fangmethode als für die Delphine harmlos eingestuft. Eine entsprechende Änderung der Anforderungen für das Logo "delphinsicher" ist bisher aber am Widerstand US-amerikanischer Naturschutzorganisationen gescheitert, allen voran das Earth Island Institute (EII), die 2003 vor Gericht eine einstweilige Verfügung gegen das Inkrafttreten der neuen Bestimmungen erwirken konnten.

Zu warnen ist darüber hinaus davor, die Ausrottung der Delphine und anderer Meeressäuger isoliert zu betrachten. In früheren Jahren haben sich viele Naturschutzorganisationen auf den Schutz der Delphine kapriziert, da diese Dank menschlicher Sentimentalität am ehesten als Identifikationsobjekte genutzt und so hohe Spendenaufkommen erreicht werden konnten. Wie im Falle der Tropenholz-Siegel1 hat sich auch im Falle der Delphin-Logos auf Thunfisch-Dosen gezeigt, daß damit dem Betrug Vorschub geleistet wird und sich eine nachhaltige Wirtschaftsweise im Kapitalismus in der Regel als Illusion erweist.

Während der Kampf um die Rettung der Meeressäuger in eine Sackgasse führte, schritt die Entleerung der Ozeane2 in immer größeren Schritten fort, so daß heute fast alle größeren Fischarten und Hai- oder Rochenarten vom Aussterben bedroht sind. Auch Greenpeace hat sich bereits vor zwei Jahren gegen eine Kennzeichnung von Thunfisch-Produkten als "delphin-freundlich gefangen" ausgesprochen, denn - so Greenpeace - "diese macht bei den Verbrauchern nur den Eindruck, daß der Thunfisch aus einer Art >>ökologisch-erträglicher<< Fischerei stammt. Dies ist aber nicht der Fall".

 

Petra Willaredt

 

Anmerkungen:

1 Siehe auch unseren Artikel
    Tropenholz und Öko-Lüge (4.05.04)

2 Siehe auch unsere Artikel
    Ozeane bald leergefischt (26.05.03)
und
    Raubbau an den Fischbeständen ungebremst (20.10.03)
und
    Arielle wird krank und kränker (14.04.04)

 

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