29.10.2005

CIA-Affäre stürzt
US-Administration in Krise

Wird George W. Bush unehrenhaft entlassen?

Als Hauptproblem der US-Administration stellt sich die fortwährende Besatzung des Irak und der damit verbundene Kriegszustand heraus. Dieses besteht allerdings nicht in der von den Mainstream-Medien behaupteten Erfolglosigkeit, sondern darin, daß der Erfolg zwar offensichtlich ist, aber nicht offen gefeiert werden kann: "Seid doch froh, wir haben das Öl und die Wirtschaft brummt!"

Die gegenwärtige Krise ist daher keine existentielle Krise, sondern allenfalls eine Vorbotin der nächsten US-Präsidentschaftswahl: Die US-Wirtschaft wird ihren "Chef-Kellner" von der republic party mal wieder gegen einen von der democratic party auswechseln.

Der Skandal um die Enttarnung der CIA-Agentin Valerie Plame hat nun auch einen der engsten Mitarbeiter des US-Präsidenten George W. Bush erreicht: Lewis "Scooter" Libby. Libby ist Stabs-Chef von US-Vizepräsident Richard Cheney und er wird aktuell von Patrick Fitzgerald, Sonderermittler der Grand Jury, wegen Meineid, Falschaussage vor Gericht und Rechtsbehinderung angeklagt. Im Falle einer Verurteilung droht Libby eine Haftstrafe von bis zu 30 Jahren. Die Anklage erinnert stark an den Beginn der Watergate-Affäre, die nach monatelangen Ermittlungen schließlich den damaligen US-Präsidenten Richard Nixon 1974 zu Fall brachte.

Lewis "Scooter" Libby gehörte zum engsten Kreis bei der Planung des Irak-Kriegs und bereits in der Zeit von 1989 bis 1993, als Cheney US-Kriegsminister war, galt Libby als dessen engster Vertrauter und "rechte Hand". Libby trat heute sofort nach Bekanntwerden der Anklageerhebung zurück. Cheney erklärte öffentlich sein "tiefstes Bedauern".

Die CIA-Affäre um Valerie Plame läßt sich - soweit Informationen an die Öffentlichkeit gelangten - inzwischen einigermaßen rekonstruieren:

Auslöser der Affäre ist Joseph Wilson, 55-jähriger US-Diplomat und Ehemann der 42-jährigen Politikwissenschaftlerin Valerie Plame. Er reiste im Jahr 2002 im Auftrag der US-Administration nach Niger, um Behauptungen und Gerüchte zu überprüfen, wonach der irakische Diktator Saddam Hussein versucht habe, dort Uran für den Bau einer Atombombe zu kaufen. Das Gerücht stammte aus dem Umfeld der Irak-Dissidenten und zeitweiligen Kandidaten für das irakische Ministerpräsidentenamt Ahmed Chalabi, der in Dissidentenkreisen schon seit Jahren als Handlanger des CIA galt. Wilson entkräftete die Uran-Story als Fake. Diese Information paßte jedoch nicht in die Kriegsvorbereitungen gegen den Irak und wurden nicht veröffentlicht. Mehr noch - das Gerücht wurde in der "Rede an die Nation" (Januar 2003) von George W. Bush als Tatsache verkauft und ebenso in der Rede des US-Außenministers Colin Powell1 am 5. Februar 2003 vor der UN-Vollversammlung der Weltöffentlichkeit als Beweis präsentiert.

Im Juli 2003 beschrieb Wilson deshalb einen Artikel für die 'New York Times' wie er nach Niger gesendet wurde und die Uran-Story als unhaltbar entlarven konnte. Wenige Tage darauf erschien ein Artikel des regierungstreuen Journalisten Robert Novak in der 'Washington Post', in dem dieser die Darstellung Wilsons in Frage stellte und dessen Ehefrau, Valerie Plame, als CIA-Agentin enttarnte. In der US-Medienlandschaft wurde diese Enttarnung als gezielter Racheakt der US-Regierung gegen den unbotmäßigen Ex-Botschafter angesehen. Die Aufdeckung der Identität von GeheimdienstmitarbeiterInnen ist in den USA ein Straftatbestand. Novak berief sich in seinem Artikel ungeniert auf Quellen im Weißen Haus.

US-Präsident Bush - in Bedrängnis geraten - versprach die gerne beschworene, aber selten eingelöste "rückhaltlose Offenlegung". Novak jedoch wurde bislang nicht weiter behelligt. Über seine eventuellen Aussagen vor dem Sonderermittler ist nichts bekannt. Ein anderer Journalist, Mathew Cooper von der 'Los Angeles Times', nannte gegenüber dem Sonderermittler den einflußreichen Chef-Berater, das "Gehirn" von US-Präsident Bush, Karl Rove, als Quelle, nachdem ihm Beugehaft angedroht wurde und er von Rove die Erlaubnis zur Aussage erhalten hatte. Gegen Rove wird weiterhin ermittelt. Auch ihm droht in den nächsten Wochen eine Anklage.

Merkwürdig ist allerdings die Rolle der Journalistin Judith Miller. Während Mathew Cooper die Beugehaft erspart blieb und Robert Novak nicht einmal vor der Grand Jury erscheinen mußte, wurde sie in Beugehaft genommen, obwohl sie nicht einmal einen Artikel in der Sache geschrieben hatte. Sie hatte allerdings darüber recherchiert und angeblich zum Schutz ihres Informanten die Preisgabe von dessen Identität verweigert. Obwohl dies bislang auch in den USA als Teil des traditionell hoch gehaltenen Presserechts galt, mußte sie die Beugehaft antreten. Weltweit wurde sie in den Mainstream-Medien dafür gefeiert. Doch schon nach kurzer Zeit gab sie nach und präsentierte Lewis Libby als ihren Informanten. Merkwürdig ist zudem, daß Libby ihr die Erlaubnis zur Aussage bereits vor Antritt der Beugehaft gegeben hatte. Jedenfalls bestätigt Millers eigener Anwalt, daß Libby diese Zustimmung bereits geraume Zeit vor Beendigung der Beugehaft erteilt hatte. Merkwürdig ist weiterhin, daß es sich bei Judith Miller um eine herausragende Porpagandistin während der Zeit der Vorbereitung des Irak-Kriegs Ende 2002, Anfang 2003 handelt. Miller war wegen ihrer Berichte in der 'New York Times' über angebliche Massenvernichtungswaffen im Irak auch in der eigenen Redaktion umstritten. Als im Laufe der Zeit immer offensichtlicher wurde, daß die "Beweise" für die Existenz von Massenvernichtungswaffen keiner Überprüfung standhielten, entschuldigte sich die 'New York Times' deswegen förmlich bei ihrer Leserschaft.

Wer aus der US-Regierung hat die Identität der CIA-Agentin Plame verraten? War es Karl Rove, der stellvertretende Stab-Chef von Bush, der als genialer Polit-Stratege und gerissener Wahlkampf-Organisator gilt? Oder war es Lewis Libby, der engste Vertraute des Vize-Präsidenten Cheney? Ist es denkbar, daß einer der beiden ohne den Auftrag oder auch nur das Einverständnis der höchsten Ebene gehandelt hat? Bekannt wurde immerhin, daß sich Cheney mit Libby über Plame und deren CIA-Tätigkeit unterhalten hat. Alles deutet darauf hin, daß mit Libby ein Bauernopfer inszeniert wird und Miller in dieser Inszenierung ihre Rolle zu spielen hat. So könnte US-Präsident Bush noch einmal den Kopf aus der Schlinge ziehen.

In den Mainstream-Medien wird nun gerne David Gergen, früherer Berater von Nixon ebenso wie Clinton, zitiert: "Es geht hier nicht nur um Libby und Rove, es geht um die Frage, ob das Land mit kriminellen Machenschaften in den Krieg hineingezogen worden ist. Die ganze Irak-Mission wird (...) noch einmal neu in Frage gestellt." Dies ist leider als allerletztes zu erwarten. Eher noch wird George W. Bush "unehrenhaft entlassen" und ein neuer US-Präsident aus der 'democratic party' führt die Besatzung des Irak notfalls auch entgegen unvermeidlicher Wahlversprechen für die nächsten vier Jahre fort.

 

Harry Weber

 

Anmerkungen

1 Siehe hierzu auch:

    'Skeptiker oder Verschwörungstheoretiker?' (6.02.03)

 

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