11.12.2003

Kommentar

Deutsches Justiz läßt Frage offen:
Sind Schröder und Fischer Mörder?

Varvarin ist nur das bekannteste Beispiel für die sogenannten Kollateralschäden des Kosovo-Kriegs. Die Besatzung von NATO-Bombern tötete am 30. Mai 1999 auch im Namen von Gerhard Schöder und Joseph Fischer zehn Menschen an einer Brücke bei der Kleinstadt Varvarin in Serbien. Eine große Zahl weiterer wurde verletzt. Varvarin hatte keinerlei militärische Bedeutung. Der Zug, der über die Brücke über den Fluß Morava kam, war eindeutig als Personenzug erkennbar. Eine Videoaufnahme des Beschusses wurde vor der Präsentation von der NATO manipuliert: Mit einer - wie später behauptet wurde "versehentlich" - zu hohen Wiedergabe-Geschwindigkeit sollte beweisen werden, daß es für die Besatzung der NATO-Flugzeuge keine Zeit zur Entscheidung gegeben hätte. Wie dem auch sei: Es gab genügend Zeit vor dem Krieg. Und es gibt genügend Zeit, bevor sich mensch entschließt, PolitikerIn oder SoldatIn zu werden.

Am 15.10. begann eine Verhandlung vor der Zivilkammer des Bonner Landgerichts. Menschen aus Varvarin verklagten die BRD auf Entschädigung für den Tod von Angehörigen und Verletzungen. Unterstützt wurde die Gruppe von deutschen AnwältInnen und von 'amnesty international'. Der Prozeß bekam beispielhafte Bedeutung für die Aufarbeitung des ersten Krieges mit deutscher Beteiligung seit dem Zweiten Weltkrieg. Obwohl die vorgeschobene und heuchlerische Begründung für den Krieg längst offenbar wurde, ist die "rot-grüne" Hegemonie in dieser Gesellschaft noch immer stark genug, diese erst vier Jahre zurückliegenden Verbrechen zu verdrängen. Allein durch die Inszenierung, sich einer aktiven Beteiligung am Irak-Krieg zu verweigern (und diesen zugleich logistisch zu unterstützen), gelang es "Rot-Grün" sich in diesem Jahr gar als pazifistisch darzustellen.

Gestern, am 10.12., ausgerechnet am internationalen "Tag der Menschenrechte" wies das deutsche Gericht die Klage ab. Der Richter sprach den Menschen aus Varvarin sein "volles Mitgefühl" aus. Statt von Krieg sprach er von "bewaffnetem Eingreifen". Es muß ihm wohl in vorauseilendem Gehorsam entgangen sein, daß auch Kanzler Schröder und der damalige deutsche Kriegsminister Scharping nach anfänglicher Wortakrobatik 1999 auf die Dauer das Wort "Krieg" nicht hatten vermeiden können. Und da sich der deutsche Richter auf die vorgegebene formale Ebene zurückzog, indem er die Möglichkeit einer Individualklage gegen den deutschen Staat verneinte, mußte er sich nicht mit der Frage nach der Völkerrechtwidrigkeit des Kosovo-Kriegs oder gar der Frage, ob deutsche Politiker verantwortlich für den Tod von Zivilisten seien, abgeben. Er erklärte sich schlicht für nicht zuständig.

Menschen eines anderen Staates, die durch "bewaffnetes Eingreifen" der BRD zu Schaden kommen, müßten sich, so der Bonner Richter, zunächst an ihren Staat wenden und dieser erst könne mit der BRD ein "Reparationsabkommen" abschließen. Auf diesem Umweg könne - so die vage Vertröstung - dann Entschädigung fließen. Ob die heutige serbische Regierung etwas in dieser Richtung unternehmen wird, ist allerdings mehr als fraglich.

Ausführlich erklärte der Richter seine Auslegung der Haager Landkriegsordnung und der Genfer Konvention, die beide nur den Vertragsparteien - also den Staaten - das Recht zur Klage gäben. Nur in den Fällen, wo Staaten ein Vertragssystem für grenzüberschreitende Individualklagen abgeschlossen hätten - wie beispielsweise bei der Europäischen Menschenrechtskonvention von 1950 - , seien individuelle Klagen gegen die BRD möglich. Jugoslawien aber habe diese Konvention nicht unterzeichnet. Daß Jugoslawien nicht mehr existiert, dieses also auch nicht gegen die BRD klagen könnte, interessierte den Richter nicht.

Ebenso wenig mußte ihn auch die Frage interessieren: Sind Schröder und Fischer Mörder? Könnte die Justiz je zur Beantwortung dieser Frage gezwungen werden, dürfte die Antwort bereits heute klar sein: Freispruch aus Mangel an Beweisen.

 

Petra Willaredt

 

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