23.09.2003

Freiburgs Stiefkind
bekommt Brücke

Späte Ehrung für zwei Freiburger Brigadistas

Lange Zeit war die nach dem Tod zweier Freiburger vor bald 20 Jahren gegründete Städtepartnerschaft mit der nicaraguanischen Stadt Wiwili ein Stiefkind der Freiburger Stadtverwaltung. Andere Partnerschaften sind längst mit Straßennamen wie beispielsweise Besançonallee "verewigt", aber bei Wiwili haperte es offensichtlich - bis zu diesem Jahr. Nachdem der Freiburger Stadtrat überraschend und einstimmig den Beschluß gefaßt hatte, konnte am gestrigen Montag nun endlich Oberbürgermeister Dieter Salomon die kleine, aber zentrale "Blaue Brücke" in Wiwili-Brücke umbenennen und zusammen mit Marlu Würmell-Klauss vom Freiburg-Wiwili-Verein die Gedenktafeln für Albrecht "Tonio" Plaum und Berndt Koberstein enthüllen.

Eingeleitet wurde die gut besuchte Brückentaufe von nicaraguanischer Musik. Salomon griff in seiner Ansprache die obligatorische Assoziation zwischen den Worten Brücke und Solidarität auf, vermied aber jeden politischen Bezug auf die vor gut 20 Jahren gerade in Freiburg bei der Linken mit großen Hoffnungen verknüpfte nicaraguanische Revolution von 1979. Der Oberbürgermeister begrüßte "ganz viele offizielle Freiburger" und zählte einige der von deutschen Freiwilligen, den sogenannten Brigadistas, unterstützten humanitären Leistungen der "damaligen nicaraguanischen Regierung" auf: die Alphabetisierungs- kampagne, den Aufbau einer medizinischen Grundversorgung, Projekte der Trinkwasserversorgung. Zum Schluß seiner Ansprache beklagte er, daß bisher noch nie eine offizielle Freiburger Delegation nach Wiwili reisen konnte, erklärte dies aber mit der bisher vom Auswärtigen Amt unverändert als schlecht bezeichneten Sicherheitslage in Nicaragua. Im März 2004 solle der Besuch nun aber endlich stattfinden.

Marlu Würmell-Klauss wies in ihrer Ansprache auf die in doppeltem Sinne naheliegende Verbindung zum Freiburger Mahnmal gegen den Faschismus hin. Auch sie griff das Wort Brücke assoziativ auf, betonte dessen Bedeutung als Verbindung über Schranken hinweg und spannte den Bogen zum schon leicht ramponierten Slogan der Stadt als "offenes Freiburg". Resigniert meinte sie allerdings, daß die "kämpferischen Zeiten vorbei" seien. Gewissermaßen als Trost verwies sie auf die nun schon bald zwei Jahrzehnte "existierende Brücke" der Solidarität zwischen "unserem reichen Freiburg" und dem armen Städtchen Wiwili. Bemerkenswert ist allerdings die nach wie vor sehr große Solidarität der Freiburger Bevölkerung: Als im Herbst 1998 ein Hurrican große Teile Nicaraguas und auch Wiwilis zerstörte, kamen nach einem Spendenaufruf des Freiburg-Wiwili-Vereins über 600.000 DM zusammen.

Verhalten, aber nicht zu überhören, kam Frau Würmell-Klauss in ihrer Ansprache kritisch auf den auch bei den kleinen Gedenktafeln fehlenden politischen Bezug zu sprechen: "Weiß denn in ein paar Jahren überhaupt noch jemand, wer die Contras waren?" Nicht vergessen werden dürfe, daß es sich dabei um rechtsgerichtete Terrorgruppen handelte, die von den USA finanziert und ausgebildet waren. Überwiegend setzten sich die Contras aus Anhängern des 1979 von den Sandinistas gestürzten Gewaltregimes zusammen, das ebenfalls nur Dank US-amerikanischen Rückhalts das nicaraguanische Volk hatte ausplündern und unterdrücken können.

Im April 1983 wurde Tonio Plaum - gerade 35-jährig - bei seiner Tätigkeit als Arzt in Wiwili von den Contras ermordet. Diese griffen systematisch zivile Ziele an, die sie als Symbole der sandinistischen Revolution zu vernichten trachteten: Kraftwerke, landwirtschaftliche Kooperativen, Schulen, Gesundheitsposten,... Im Juli 1986 wurde Berndt Koberstein bei seiner Arbeit für die Trinkwasserversorgung Wiwilis auf einer Fahrt von Wiwili nach Corinto zusammen mit zwei französischen und einem schweizer Brigadista und zwei nicaraguanischen Bürgern erschossen. Seine Grabstätte liegt in Matagalpa, wo auf dem Grabstein entsprechend seinem Wunsch ein (leicht abgewandelter) Ausspruch Ernesto Che Guevaras zu lesen ist: "Die schönste Eigenschaft eines Revolutionärs ist es, sich über jede Ungerechtigkeit in jedem Teil der Welt aus tiefstem Herzen zu empören."

Zum Schluß ihrer Ansprache äußerte die Vorsitzende des Freiburg-Wiwili-Vereins den Wunsch, daß am 14. Sepember nächsten Jahres als "Tag des offenen Freiburgs" ein Fest auf der Brücke stattfände - zusammen mit dem VVN, der Ausländer-Initiative, SAGA, der Rasthaus-Ini und vielen anderen Gruppen.

Wie es denn aber so plötzlich zu der einhelligen Zustimmung des Freiburger Stadtrats zur Umbenennung der Brücke und der damit verbundenen Aufwertung der Städtpartnerschaft mit Wiwili gekommen ist, wäre nun weiter im Dunklen geblieben, hätte nicht Stadträtin Pia Federer mit einem berückenden Statement für Klarheit gesorgt: Die CDU habe eben einen "lichten Moment" gehabt.

 

Klaus Schramm

 

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