Teil 2

Warum eine Partei 'Demokratische Linke' ?

Bei der Betrachtung der bestehenden parlamentarischen Landschaft in Deutschland fallen gleich drei Parteien auf, die sich als der wahre und einzige Hort für demokratische Linke verstehen. Das Problem beginnt bereits an dem Punkt, an welchem die Mitglieder danach befragt werden, ob sie sich selbst auch als solche sehen. Die Antworten auf diese Frage dürften eine bunte Mischung von Standpunkten ergeben, deren Gesamtheit die einzelnen Organisationen zu so merkwürdigen Formationen wie Volksparteien, Regionalparteien oder BürgerInnenbewegungsparteien gerinnen läßt. Nur eine Partei, deren Mitglieder sich in ihrer Gesamtheit als Demokratische Linke verstehen und die als solche auch politisch wirksam wird, gibt es in diesem Land bedauerlicherweise nicht.

Wir wollen hier nicht weiter untersuchen, worin die Ursachen für diese traurige Wahrheit liegen. Allen, die dies anders sehen, bleibt unbenommen, sich auch weiterhin in den nervenaufreibenden innerparteilichen Grabenkriegen bei SPD, Bündnis 90/Die Grünen oder PDS zu verschleißen. Wir denken aber, daß es an der Zeit ist, die bei diesen Auseinandersetzungen vergeudeten wertvollen Kräfte endlich für grundlegende Veränderungen zur Geltung zubringen. Dies um so mehr, als die führenden PolitikerInnen der genannten Parteien sehr heftig darum bemüht sind, die sogenannte Regierungsverantwortung übernehmen bzw. halten zu dürfen und zu diesem Zwecke den Ballast oppositioneller, demokratisch-linker Grundforderungen nach und nach über Bord werfen.

Es ist eine Tatsache, daß auf diese Weise wichtige politische Grundpositionen aus der öffentlichen Debatte und damit häufig auch aus dem gesellschaftlichen Bewußtsein verschwinden. Damit einher geht die Relativierung der Bedeutung von parlamentarischer Opposition, von gesellschaftlicher ganz zu schweigen. Wir haben in verschiedenen Parteien miterlebt, wie das Streben nach Verwaltungs- und Regierungsverantwortung zu großen Veränderungen in Parteigliederungen und Fraktionen führte, während die Herrschafts- und übrigen gesellschaftlichen Verhältnisse unangetastet blieben, ja im Gegenteil eine Anpassung an diese stattfand. Also veränderten sich diejenigen, die einst mit großen Versprechungen gut bezahlte Positionen im Establishment übernahmen - auf Kosten mißbrauchten Idealismus und Vertrauens.

Uns beunruhigt dieser Zustand auch noch aus einem nicht weniger wichtigen Grund: In einer Zeit, in der rechte Rattenfänger immer dreister und offener öffentlich auftreten, um die immer krasser werdenden sozialen Ungerechtigkeiten für ihre inhumanen Ziele nutzbar zu machen, ist das Verschwinden links eingeordneter Parteien auf Regierungsbänke und damit das Räumen der Rolle der Opposition für die rechten und Rechtsaußen-Parteien geradezu eine Katastrophe.

All dies spricht für die Notwendigkeit einer neuen demokratisch-linken Opposition. Wir gehen davon aus, daß die heute anstehenden Veränderungen mehr als nur parlamentarische Opposition in der Form von Regierungen im Wartestand verlangen. Notwendig ist eine demokratische und zugleich radikale gesellschaftliche Opposition, die nicht davor zurückschreckt, alle Herrschafts- und gesellschaftlichen Verhältnisse in Frage zu stellen, ohne in totalitäres oder das ideologische Denken und Vokabular des 19. Jahrhunderts zurückzufallen.

Allerdings wollen wir auch der ewig währenden Diskussion um Partei oder Bewegung nicht den x-ten Aufguß bescheren. Parlamentarische und außerparlamentarische Opposition gehören untrennbar zusammen. Wer aber in diesem Land auf parlamentarische Arbeit nicht verzichten will, muß aus gesetzlichen Gründen zumindest eine WählerInnengemeinschaft und schließlich auch eine Partei gründen. Zugleich muß sich und andere außerparlamentarisch bewegen, wer wirklich etwas verändern möchte. Es hilft auch nicht, eine Organisation zur Bewegung zuerklären oder komplizierte Regeln zur Verhinderung von Karrierismus zu erfinden, um den Gefahren parlamentarischer Anpassungsmechanismen zu entgehen. Bestenfalls nützt das Kennen der Gefahren und ihre tabulose Benennung und Diskussion unabhängig von der Person. In dem Moment, in welchem einzelne Funktionäre sich für unverzichtbar erklären, Postengerangel und Geldbedarf wichtiger werden als der Einsatz für programmatische Positionen, hat sich das Projekt einer Demokratischen Linken ohnehin erledigt. Für diese Diskussion gilt, was wir für alle Bereiche der Gesellschaft anstreben: Weniger Paragraphen, Bürokraten und Macht für Einzelne - mehr Transparenz, Diskussion, Mitbestimmung und Verantwortung für alle.

Unsere Partei neuen Stils ist für alle offen, die sich in einer Zeit radikaler politischer und gesellschaftlicher Veränderungen in eine demokratisch-linke Opposition selbstbestimmt, emanzipiert und solidarisch einbringen wollen. Die Biographie der/des Einzelnen, ihre/seine Haltung zur Geschichte, insbesondere der individuellen, interessieren uns, wichtig ist vor allem, was sie oder er heute daraus für Schlußfolgerungen zieht und an Individualität und Kenntnissen in den gemeinsamen Lernprozeß einzubringen bereit ist. Wer die Veränderung der Gesellschaft hin zu mehr Humanismus, sozialer Gerechtigkeit, Bewahrung der Natur und Selbstentfaltungsmöglichkeiten für die/den Einzelnen anstrebt, muß den Möglichkeiten zur Veränderung von Menschen, ihrer Fähigkeit des Lernens aus Erfahrungen, auch den negativen, Rechnung tragen.

Weiter mit Teil 3:
Opposition schafft Veränderung - vor der Berliner Wahl 1999
Aufgaben des Staates (einschließlich der Kommunen)

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