27.07.2007

Crash an US-Börse

Beginn der Weltwirtschaftskrise?

In immer kürzeren Abständen wurde vor sogenannten Blasen oder bubbles, überbewerteten Mäkten, die die Aktienkurse nach oben trieben, gewarnt.1 Selbst Alan Greenspan mischte sich im Mai in die globale Diskussion und warnte, die Spekulationsblase des chinesichen Aktienmarktes könnte bald platzen. Auch die Blase infolge einer Überbewertung auf dem spanischen Immobilienmarkt gilt längst als überreif. Doch inzwischen gibt es weltweit derart viele überbewertete Märkte, daß bereits von der ersten synchronen Boomphase in der 200-jährigen Geschichte des Kapitalismus geredet wird. Nun ist die Immobilienblase in den USA geplatzt und es steht zu erwarten, daß ein weltweiter Börsencrash unausweichlich folgt.

Dabei hatte eine schöne neue Finanztheorie das Ende aller Krisen versprochen. Es war die Rede von einer "Great Moderation", vom "neuen ökonomischen Zeitalter des Weltmarkts". Laut Theorie würden die in den letzten 20 Jahren relativ stabilen, wenn auch hinter der Erwartung einer "Hochkonjunktur" zurückbleibenden makroökonomischen Daten des Wirtschaftswachstums, der Arbeitslosigkeit und der Inflation beweisen, daß vor allem die abgestimmte Geldpolitik der Notenbanken für Sicherheit vor heftigen Krisen sorge. Notfalls wird die umlaufende Geldmenge durch die Bedienung der Notenpresse hemmungslos ausgeweitet. Zudem habe die Liberalisierung des Welthandels und der Finanzmärkte für wachsende Sicherheit gesorgt. Die ökonomischen Zusammenhänge seien heute weitgehend aufgeklärt, die Lehren aus den Krisen seien gezogen worden und daher könne die Konjunktur - zumindest in den Industrieländern - ähnlich einem regulierten Fluß innerhalb der Hochwasserdämme sicher gelenkt werden. Als weitere Beweise dieser ökonomischen Sicherheitsphilosophie wurden gerne auch die vergleichsweise geringfügigen Folgen von Asien-, Rußland- und New Economy-Krise angeführt, wonach sich die Kurse erstaunlich rasch erholt haben und in den führenden Industrieländern echte Rezessionen ausgeblieben sind.

In New York stürzte nun am gestrigen Donnerstag der Dow-Jones-Aktienindex, der erst vor einer Woche einen neuen Rekord erzielt hatte, um 2,3 Prozent. Der Londoner Index FTSE 100 verlor 3,2 Prozent - so viel wie seit dem Einmarsch in den Irak nicht mehr. Der deutschen Aktienindex DAX fiel um 2,4 Prozent. Es herrschte nervöse Spannung an den Börsen. Offenbar wurden verdeckt massive Stützungskäufe getätigt. Die Kurse reagierten mit wildem Auf und Ab. Schnäppchenjäger kauften schnell billiger werdende Aktien, andere warfen ihre Papiere wie Fallobst auf den Markt.

Schon im Juni hatten Gerüchte die Runde gemacht, die Börsenkurse würden alsbald an einer unsichtbaren Decke anstoßen. Dennoch schaffte es der DAX Mitte Juli, seinen alten Rekord aus dem Jahr 2000 zu brechen. Für "Unsicherheit" sorgten dann allerdings Warnungen,2 der Aufschwung in Deutschland habe zur Jahresmitte bereits seinen Zenit überschritten.

Lange Zeit schien das weltweite Vertauen in die US-amerikanischen Wirtschaft unbegrenzt. Weder gigantische Auslandsschulden noch ein wachsendes Außenhandelsdefizit konnte die US-amerikanische Kreditwürdigkeit erschüttern, solange die Potenz als einzige globale Supermacht ungebrochen schien. Doch auch wenn die Bilanz des Irak-Krieges - entgegen der veröffentlichten Meinung - Dank täglich 6 Millionen Barrel irakischen Erdöls noch positiv ist, gerät die USA wegen der Fesselung eines großen Teils ihrer Streitkräfte im Irak zunehmend in eine defensive Position. Nun scheint im Land der unbegrenzten Möglichkeiten das schwächste Glied der Kette gebrochen zu sein.

Ironischer Weise hatte gerade die Überbewertung der US-amerikanischen Wirtschaftskraft zu der trügerischen Sicherheit verleitet, auf eine goldenen Zukunft könne beliebig Kredit aufgenommen werden. Allzu leicht hatten US-AmerikanerInnen Kredit bekommen, wenn sie ihr Haus dafür verpfändeten. Die Kredite wurden vor allem für den Konsum, für ein neues Auto oder eine neue Wohnungseinrichtung verwendet. Das für die Zukunft fest eingeplante Wirtschaftswachstum sollte dafür sorgen, daß Zins und Tilgung pünktlich bezahlt werden könnten.

Einige Hypothekenbanken hatten sich darauf spezialisiert, selbst bei "suboptimaler" Kreditwürdigkeit Geld zu verleihen. Sie vergaben bis zu 100 Prozent des aktuellen Hauswerts als Kredit - mit dem Haus selbst als einzige Sicherheit. Dieses System funktionierte, solange die Zinsen niedrig waren und die Immobilienpreise immer weiter stiegen. Doch wenn die Hauspreise fallen, dann sind auch die Sicherheiten für die Immobilienkredite weniger wert.

Und seit einiger Zeit wurde es in den USA schwieriger, Häuser zu verkaufen. Die Hauspreise gaben bereits leicht nach und die Neubautätigkeit stagnierte. Zugleich können immer mehr US-AmerikanerInnen wegen stark gestiegener Zinsen ihre Schulden nicht mehr bedienen. Das brachte die auf die sogenannten "Subprime-Kredite" spezialisierten Banken in die Krise. Wie ein Schneeball in der Art einer Kettenreaktion eine Lawine auslösen kann, brachte diese Krise Hedgefonds, die einen Teil der Hypotheken aufgekauft hatten, um damit zu spekulieren, ins Trudeln. Kürzlich gerieten zwei Hedgefonds, die sich mit Hypothekenkrediten kräftig verspekuliert hatten, in eine schwere Krise. Inzwischen ist der gesamte US-Hypothekenmarkt betroffen. Auch einige Investment-Banken, die Rückversicherungsgeschäfte mit betroffenen Hedge Fonds gemacht hatten, stecken in Schwierigkeiten. Die Neigung riskante Kredite zu vergeben hat deutlich nachgelassen. Und so erreichte die Krise die US-Börse. Ein bereits vereinbarter Kredit über 10 Milliarden US-Dollar, mit dem der Private Equity Fonds Cerberus den Chrysler-Anteil von Daimler kaufen wollte, wurde zurückgezogen. Diese Nachricht war Auslöser für den Aktienkurseinbruch vom Donnerstag. Über den Daimler-Konzern könnte sich die Krise auf Deutschland fortpflanzen.

Nun kann die zerstörerische Energie einer Kettenreaktion sich immer weiter fortpflanzen und dabei verstärken. Sie kann sich allerdings ebensogut totlaufen und in der unüberwindlichen Masse verpuffen. Darauf setzt die ökonomische Lehrmeinung, die davon ausgeht, daß das Risiko weltweit genügend breit gestreut ist. "Es wird etwa einen Monat dauern, bis sich alle vergewissert haben, daß das Problem nicht die gesamte Weltwirtschaft runterzieht", lautet die Prognose des Ökonomen Kazuhiro Takahashi von der japanischen Investment-Bank Daiwa Securities.

Der Schweizer Finanzexperte Marc Faber jedoch hat gerade erst am 23. Juli in einem Interview mit der 'Welt' prophezeit, daß "alles runtergehen wird". Allerdings wollte er sich zeitlich nicht festlegen: "...nur den Zeitpunkt kann ich Ihnen im derzeitigen Umfeld steigender Geldmengen nicht punktgenau vorhersagen." Auf die Internet-Umfrage der 'Welt' ob Faber recht habe, hatten bis zum 25. Juli um 10.30 Uhr 25 Prozent für den baldigen Crash gestimmt und 25 Prozent dagegen. 50 Prozent haben keine Meinung dazu.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

1 Siehe hierzu auch unsere Artikel:

      china bubble
      Wann macht es crash? (29.05.07)

      Löst Spanien den europäischen Wirtschafts-Crash aus? (3.07.04)

2 Siehe hierzu auch unsere Artikel:

      Der "Aufschwung" ist schon vorbei
      Künstliche Euphorie entzündete lediglich Strohfeuer (16.07.07)

 

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