23.07.2007

Protest-Camp
und teilweise Entschärfung
eines Genmais-Felds
in Ostbrandenburg

Geringe Teilnahme stellt Frage nach Weiterentwicklung der Aktionsformen

Das Wetter hatte sich am Sonntag überraschend verschlechtert - doch dies kann nicht der Grund für die mit 400 bis 500 recht geringe Zahl von TeilnehmerInnen am "gentechnikfreien Wochenende" sein. Das Aktionsbündnis 'Gendreck-weg' hatte für die Zeit vom 19. bis 22. Juli nach Ostbrandenburg in den Ort Neuwustrow in der Nähe der Kleinstadt Wriezen eingeladen. Zu der gestern mit mehr oder weniger Erfolg versuchten "freiwilligen Feldbefreiung" haben sich nach eigenen Angaben über 400 Menschen - nach unvoreingenommenen ZeugInnen 250 bis 300 Menschen - auf den Weg gemacht. Nur wenige kamen auf die Genmais-Felder. Und von insgesamt 70 Hektar konnten - nach verschiedenen Angaben - zwischen einigen hundert Quadratmetern und eineinhalb Hektar entschärft werden.

"Wer Genmais sät - wird Widerstand ernten" stand als martialischer Spruch auf einem der Transparente zu lesen. Daß dies zwar für Frankreich sicherlich realistisch1, mit Blick auf den in Deutschland jedoch auch heute noch weit verbreiteten preußischen Untertanengeist ein wenig übermütig klingt, hat dieses Wochenende leider bestätigt. Der Protest der aus ganz Deutschland angereisten AktivistInnen zeigte sich gewaltfrei und entschlossen - der mit rund 570 BeamtInnen relativ bescheiden vertretenen Staatsmacht im Auftrag des Monsanto-Konzerns konnte er jedoch wenig entgegensetzen. Gewaltsame Aktionen hätten vermutlich noch weniger erreicht und zudem die Sympathie einer der Gentechnik ablehnend aber zugleich lethargisch gegenüberstehenden Bevölkerungsmehrheit verspielt.

Der Sonntag morgen begann für viele der Anti-GMO-AktivistInnen bereits mit einem frustrierenden Gottesdienst, dessen Predigt die vom Himmel herabstürzenden Regenmassen kongenial ergänzte. Das alte Kirchlein von Altreetz ist recht hübsch, und der evangelische Pfarrer Matthias Mieke zeigte zunächst viel Verständnis für "möglichen Gefahren", die der "Schöpfung" drohen. Doch zum Ende seiner Predigt war die Ablehnung von "Feldzerstörungen" ebenso klar wie das Amen in der Kirche.

Bei der Demo am Mittag konnten dann einige an der Polizei vorbei durch knöcheltiefen Schlamm auf die Genmais-Felder gelangen. Eineinhalb Hektar seien dabei "befreit" worden, teilten die InitiatorInnen mit.

In einem Rundschreiben von 'Gendreck-weg' hatte es noch am 16. Juli geheißen: "Die Polizei erwartet bis zu 1000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer." Die 'junge welt' schreibt heute in einem wohlwollenden Bericht von insgesamt "über 400" TeilnehmerInnen, von denen "bis zu 50" AktivistInnen aufs Feld gelangt seien.

Die Polizei nahm rund 30 AktivistInnen in Gewahrsam. Darunter befindet sich auch Michael Grolm, Berufsimker und einer der Initiatoren von 'Gendreck-weg'. Ihm droht eine Geldstrafe, ersatzweise eine Haftstrafe. Grolm hatte bereits vor der Aktion erklärt, daß er trotz Strafandrohung selbst an der "Feldbefreiung" teilnehmen wolle. Die Gefährdung durch den Genmais wiege so schwer, "daß ich für die Abwendung dieser Katastrophe sogar ins Gefängnis gehen würde."

In den verangegangenen Wochen hatte Monsanto sogenannte Unterlassungserklärungen an einige AktivistInnen der Kampagne 'Gendreck-weg' versendet. Darin wurden die Angeschriebenen aufgefordert, sich unter Androhung von gewaltigen Beträgen für Schadenersatz selbst zu verpflichten, die Genmais-Felder nicht zu betreten. Wie sich herausstellte, wußten die betreffenden LandwirtInnen, in deren Name Monsanto die Briefe schrieb, offenbar gar nichts von dem Vorgehen. "Wir haben letzte Woche mit den Bauern gesprochen, um ihnen zu sagen, daß wir sie nicht persönlich schädigen wollen, sondern gegen die Gentechnik an sich ein Zeichen setzen wollen", erklärte 'Gendreck-weg'-Initiatorin Jutta Sundermann. Dabei habe sich herausgestellt, daß sie die rechtlichen Schritte gar nicht veranlaßt und von ihnen auch nichts gewußt hatten.

Den Gentech-GegnerInnen lag viel daran, mit "KollegInnen" aus der Landwirtschaft ins Gespräch zu kommen und die eigene Position verständlich zu machen. Am Samstagabend luden sie sämtliche AnwohnerInnen zu einem gentechnikfreien Abendessen ein. Auch die Tage zuvor gingen AktivistInnen mit Musik und Informationen von Haus zu Haus, um mit ihren "Nachbarn auf Zeit" ins Gespräch zu kommen. "Wir wollen keinem schaden, schon gar nicht Bauern, von denen viele auch Teil unserer Bewegung sind", betonte Sundermann. Daß am Freitag Unbekannte ein Plakat der Gentech-GegnerInnen zerstörten, sei eine Ausnahme gewesen - im Allgemeinen sei man auch hier vor Ort auf viel Verständnis für die Proteste gestoßen.

Bei den Lesungen und Diskussionsveranstaltungen, die zwischen dem 19. und 22. Juli im Protest-Camp stattfanden, hatte ein Bewohner von von Neumädewitz großen Applaus bekommen. Er hatte angekündigt, einem Genmais-Anbauer, dem er Land verpachtet hat, den Pachtvertrag zu kündigen. Zugleich wurde allerdings sichtbar, welche Illusionen immer noch verbreitet sind: So forderten die "FeldbefreierInnen", daß "die Politik endlich handelt". Nachdem große Teile der Anti-Gentech-Bewegung in den letzten Jahren das Gentechnik-Gesetz von "Rot-Grün" als positiv eingeschätzt hatten, fällt es ihnen zunehmend schwer, den Nachfolger von Renate Künast, Horst Seehofer zu kritisieren. Seehofer schwenkte seit Beginn 2007 von einem offen pro Gentech orientierten Kurs auf die von Künast verfolgte "Koexistenz"-Strategie um und bietet so kaum mehr Angriffsfläche für Argumente.

Mit der Vergrößerung der Abstandsvorgaben gegenüber dem Künastschen Gentechnikgesetz kann Seehofer nun sogar damit werben, der Anbau von Gen-Mais sei nunmehr in Bayern und Baden-Württemberg mit seiner kleinteiligen Landwirtschaft praktisch unmöglich. Für Monsanto jedoch ist dieser Kurs Seehofers der vorteilshafteste: In den Bundesländern mit dem virulentesten Widerstand gegen Gentechnik wie Bayern und Baden-Württemberg können sich die Gemüter beruhigen. In Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern jedoch hat Monsanto den Fuß in der Tür. Das Ziel, mit Hilfe von Gen-Kontamination die gentechnik-freie Landwirtschaft nach und nach zu zerstören, kann Monsanto so erreichen.

Um so deutlicher wird die Notwendigkeit, einen breiten öffentlichen Widerstand gegen das Vorrücken der Agro-Gentechnik zu organisieren. Die geringe Teilnahme an der 'Gendreck-weg'-Aktion vom Wochenende wirft die Frage auf, wie gewaltfreie Aktionsformen weiterentwickelt werden können. Statt zu Aktionen an weit abgelegenen Orten aufzurufen, die für viele mehr als einen Tag für An- und Abreise erfordern, könnte beispielsweise eine Molkerei in Nordrhein-Westfalen besetzt werden, die Gen-Milch zu Joghurt weiterverarbeitet. Viel zu wenig ist bekannt, daß ein großer Teil des Joghurts, der in Supermärkten verkauft ist, aus Gen-Milch hergestellt wird - und nicht gekennzeichnet werden muß.

Denkbar wären auch Aktionen in Supermärkten, wo solche nicht gekennzeichneten Produkte verkauft werden. Wichtig wäre auch, diese Aktionen so zu gestalten, daß die Hemmschwelle, sich daran zu beteiligen, möglichst niedrig liegt. Alles, was als "Zerstörung" diffamiert werden kann, sollte nach Möglichkeit vermieden werden. Blockaden sind bei Supermärkten sehr effektiv. Das Ausräumen von Regalen und die Übergabe von Produkten bei der Polizei könnte Fotos für die Medien liefern, die damit als unfreiwillig Werbeträger dienen. Vielfältige Aktionsformen bieten die Chance, herauszufinden, unter welchen Bedingungen der deutsche Untertanengeist am effektivsten exorziert werden kann.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

1 Siehe hierzu auch unsere Artikel:

      Zwei neuartige gewaltfreie Mäh-Aktionen in Frankreich
      Aktionen gegen Gen-Versuchsfelder wurden zuvor angekündigt
      (22.08.04)

      "Koexistenz" stellt sich immer klarer als Illusion heraus
      Gen-Moratorium gefordert (13.07.06)

 

neuronales Netzwerk