27.06.2004

Ablaß für Grün-Heuchler

Die Süd-Nord-Initiative 'Germanwatch' stellte dieser Tage eine neue Initiative vor: »atmosfair« - Fliegen mit grünem Gewissen. Neu ist das nicht. Bundes-Atom-Minister Trittin hatte schon im August 2002 versucht, KritikerInnen seines Kohlendioxid produzierenden Gipfel-Hoppings mit einem ähnlichen Ablaß-Handel mundtot zu machen.

Was präsentiert 'Germanwatch' nun als »atmosfair«?
Flugzeug-PassagierInnen sollen freiwillig für die beim Flug verursachten Klimagase einen Aufpreis bezahlen. Das Geld soll dann (von 'Germanwatch'?) zum Beispiel in Solar-, Wasserkraft-,Biomasse- oder Energiesparprojekte investiert werden, um dort eine Menge Treibhausgase einzusparen, die "eine vergleichbare Klimawirkung haben wie die Emissionen aus dem Flugzeug". Soweit 'Germanwatch'. Gemeint ist offensichtlich eine vergleichbare Klimawirkung in umgekehrter Richtung. Doch da wird's bereits unklar: Soll beispielsweise ein luftverschmutzendes Zementwerk umgerüstet werden und so tatsächlich Emissionen eingespart werden - oder werden beispielsweise Solaranlagen gebaut, die gegenüber einer anderen (welcher? der mit Hilfe von Entwicklungsgeldern durchschnittlich gebauten Energie-Erzeugungsanlagen?) Emissionen "einsparen"?

Weiter laut 'Germanwatch': Finanziert werden sollen Projekte in Entwicklungsländern. Das Geld der Flugzeug-PassagierInnen trage dazu bei, diese Projekte zu ermöglichen. Und auch eine Art Beichtspiegel ist vorgesehen: Der "Emissionsrechner". Mit diesem - vermutlich eine Pappscheibe auf der Grundlage von Umrechnungs- tabellen - können die SünderInnen dann herausfinden, "wie stark das Weltklima durch die Flugreise belastet wird". Außerdem könne abgelesen werden, wieviel es kostet, eine "vergleichbare Menge Klimagase anderswo in der Welt einzusparen".

KritikerInnen werden von 'Germanwatch' bereits vorbeugend als "Nörgler" denunziert, "die nur maulen und unvermindert weiterfliegen", so der »atmosfair«-Projektleiter Dietrich Brockhagen. Da stellt sich mir die Frage, in welcher Welt von Vielfliegern Herr Brockhagen lebt. Und obwohl Herr Brockhagen nur darüber spekulieren kann, ob dieser Ablaß-Handel überhaupt ein Plus im gesamten Spendenaufkommen erbringt oder lediglich eine Umverteilung, behauptet er schon einmal unbekümmert: "Faktisch geht es der Atmosphäre mit einem »atmosfair«-Flug weit besser..."

Christoph Bals von 'Germanwatch' tönt: "Wir sind froh, mit »atmosfair« einen Ansatz geschaffen zu haben, bei dem Information und Transparenz groß geschrieben werden. Die von Germanwatch gemeinsam mit dem Bundesumweltministerium entwickelten »atmosfair«-Standards im Bereich Emissionsberechnung, Mittelverwendung und bei den Klimaschutzprojekten sind einmalig. Wir sind zuversichtlich, damit auch Passagiere anzusprechen, die nicht auf ihren Flug verzichten können oder wollen."

Können oder wollen...

Trittin wird also ganz offen als Pate genannt. Dabei ist angesichts nicht nur weltweit, sondern auch in Deutschland ansteigender Kohlendioxd-Emissionen offensichtlich, daß die Klima-Gipfeln und Energie-Konferenzen von Rio, Johannesburg oder Kyoto und gerade kürzlich die "renewables 2004" in Berlin keine positiven Resultate1 zeitigen, sondern nur der Profilierung korrupter PolitikerInnen als "Retter der Erde" und "Vorreiter für den Klimaschutz" dienen. Im Gegenteil: Das einzige, was sie "faktisch" zum Ergebnis haben, sind tausende Tonnen verbrannten Kerosins für die völlig nutzlosen Flüge der TeilnehmrInnen aus aller Welt.

Nach dem "Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung" 2002 in Johannesburg wurde Trittin von UmweltschützerInnen vorgerechnet, wieviel Kohlendioxid allein die 180-köpfigen deutschen Delegation verursacht hatte: Die Flüge hatten pro Kopf 6,29 Tonnen Kohlendioxid produziert - also insgesamt 1.132 Tonnen. Durch Energieverbrauch in Johannensburg kamen weitere 820 kg pro Kopf und somit 148 Tonnen hinzu. Summa summarum also 1.280 Tonnen Kohlendioxid. Dabei erfolgte die Berechnung unter konservativen Annahmen. Für die Flug-Emissionen wurden Linienflüge mit den üblichen Maschinen (Airbus A300 Berlin-Frankfurt und Boeing 747 Frankfurt- Johannesburg) von Deutschland nach Südafrika mit Angaben des Kerosin-Verbrauchs der Lufthansa, sowie die eingesetzte Maschine der Flugbereitschaft der Bundeswehr (Airbus A310) angesetzt. Für die Berechnung der Flug-Emissionen wurden Emissionsfaktoren nach Umweltbundesamt und Verbrauchswerte nach Lufthansa herangezogen.

Die Emissionen durch den Energieverbrauch vor Ort beinhalten den geschätzten Energieverbrauch in den Hotels, durch Essen, Transporte und die Tagung. Es wurde mit gemittelten täglichen Fahrtwegen aufgrund der Lage der Hotels, des Flughafens und des Tagungs- zentrums unter Berücksichtigung der mittleren Aufenthaltsdauer der Teilnehmer in Johannesburg gerechnet. Für die Infrastruktur- Emissionen in Johannesburg wurden Emissionsfaktoren nach der Green Design Initiative verwendet sowie zur Bestimmung der Emissionen für die lokalen Transporte Emissionsfaktoren nach GEMIS 4.1.

Gerade für Flugzeugemissionen wird aber inzwischen weitgehend anerkannt, daß weitere Effekte als nur der reine Kohlendioxid- Ausstoß klimarelevant sind, wie beispielsweise die Wolkenbildung durch Wasserdampf und Aerosole. Diese Effekte werden im Radiative Forcing Index (RFI) zusammengefaßt, ihre genaue Höhe ist jedoch noch umstritten. Der IPCC schätzt die Klimawirkung nach RFI momentan auf den 2- bis 4-fachen Wert der Wirkung des reinen Kohlendioxid- Ausstoßes von Verkehrsmaschinen. Für die Berechnung der Reiseemissionen der TeilnehmerInnen an der "Nachhaltigkeits"-Gipfel in Johannesburg wurde mit einer mittleren Größe des RFI von 2,7 (dem vom IPCC empfohlenen Wert) gerechnet.

Trittin reagierte hierauf, indem er medienwirksam einen Ablaß-Handel inszenierte.2 In einem Vorort von Johannesburg wedelte er mit einem Scheck über 10.250 Euro. Mit diesem Betrag soll ein Häuserbau-Projekt in Benoni unterstützt werden, wobei das Geld zweckgebunden für durchaus in diesen Breiten sinnvolle Wärmedämmung eingesetzt wird. 8 Euro pro Tonne Kohlendioxid läßt Trittin sich also den Ablaß kosten.

Wie heißt es so schön im Matthäus-Evangelium. "Hüte dich, deine Gerechtigkeit vor den Menschen zur Schau zu stellen. Deine linke Hand soll nicht wissen, was deine rechte tut. Laß es also nicht vor dir herposaunen wie die Heuchler."

 

Frank Bayer

 

Anmerkungen:

1 Siehe auch den Artikel
'"renewables 2004" - Nichts als heiße Luft' (5.06.04)

2 Dokumentation der Regierungs-Verlautbarung vom 31.08.02

 

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