20.11.2009

online-Zeitung 'scharf-links' bedroht

Strafbefehl über 12.000 Euro wegen Prozeßbericht

Die Herausgeberin der online-Zeitung 'scharf-links' Edith Bartelmus-Scholich erhielt zum Wochenbeginn einen Strafbefehl über 12.000 Euro. Es geht um die Berichterstattung über den Prozeß gegen einen aus der Türkei stammenden Linken vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht (OLG). Anlaß für den Strafbefehl ist die angebliche Verleumdung einer Richters.

In einem Artikel der 'Roten Hilfe Düsseldorf-Mönchengladbach', der auf www.scharf-links.de veröffentlicht ist, wird über das das seit Januar laufende Verfahren gegen Faruk Ereren berichtet. Die Generalbundesanwaltschaft wirft dem seit seiner Verhaftung im April 2007 in Einzelhaft festgehaltenen 54-jährigen Faruk Ereren die Mitgliedschaft in einer "ausländischen terroristischen Vereinigung" nach Paragraph 129b StGB vor. Der Angeklagte soll als Kader einer 'Revolutionären Volksbefreiungsfront-Partei (DHKP-C)' für Guerilla-Aktionen in der Türkei mitverantwortlich sein.

ProzeßbeobachterInnen hatten darauf hingewiesen, daß sich die Anklage gegen Faruk Ereren weitgehend auf Material türkischer Behörden stützt, obwohl dort Folter bei Verhören gängige Praxis ist. Möglicherweise war der Vorwurf, unkritisch mit solchen nach deutschem Recht vor Gericht nicht zugelassenen "Beweisen" umzugehen, nun Anlaß für das brachiale Vorgehen gegen eine kleine, finanziell am Rande der Existenz operierende linke online-Zeitung. Beanstandet wurde ein Absatz in dem seit 3. Juli 2009 veröffentlichten Artikel über den Prozeß unter der Überschrift "Blind in Beugehaft". Darin heißt es über einen nach seiner Aussageverweigerung in Beugehaft genommenen Zeugen, der nach Folter in türkischer Haft erblindet war: "Besonders zynisch bemerkte der Vorsitzende Richter, des 2. Strafsenats, für Nuri sei die Beugehaft ein wirksames Mittel, um sich zu besinnen, denn er sei ja erblindet. Nuri wurde noch im Gerichtssaal abgeführt und bleibt vorerst bis zum nächsten Prozeßtermin, der aufgrund einer sog. »Sommerpause« des OLG erst für den 3. August angesetzt ist, in Haft."

Der Herausgeberin von 'scharf-links' wird nun vorgeworfen, sie habe mit diesem Satz eine "Verleumdung" des Gerichts weiterverbreitet. Begründet wird die Verleumdung nicht etwa mit der Bezeichnung "besonders zynisch", sondern damit, daß im zitierten Absatz die Behauptung enthalten sei, das Gericht habe die Sommerpause willkürlich verlängert, um den Zeugen länger in Beugehaft halten zu können. Auch habe der Richter die ihm zugeschriebene Bemerkung nicht getätigt. Bartelmus-Scholich hat Widerspruch gegen den Strafbefehl eingelegt. Eine weitere Verleumdungsklage wegen desselben Artikels erging gegen einen Redakteur der in Hamburg erscheinenden Zeitschrift 'Gefangenen-Info'.

Kommentar:
Offenbar wird hier versucht, eine kritische Berichterstattung einzuschüchtern. Das Mittel der Gegendarstellung steht auch einem Richter frei. Medien sind verpflichtet, Gegendarstellungen auch ohne Prüfung des Wahrheitsgehalts zu veröffentlichen. Daß ein Strafbefehl über 12.000 Euro dem juristischen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zuwiderläuft, sollte einem Richter bewußt sein.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Diehl erhält vor Landgericht München recht
      Krieg ist Frieden
      Streumunition ist Puderzucker (2.03.09)

      Rüstungs-Konzern Diehl klagt gegen Journalist
      Streumunition soll nicht mehr Streumunition genannt werden
      (1.03.09)

 

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