23.04.2009

Irans Präsident
Ahmadinedschad
und die
"Anti-Rassismus-Konferenz"

In jedem Land der Welt, dessen Regierung heute die Atom-Bombe besitzt, dienten die gewaltigen staatlichen Subventionen zum Aufbau einer "zivilen" Atomindustrie allein dem Zweck, in den Besitz diese Waffe zu gelangen. Bei einem erdölreichen und zudem für die Nutzung von Solarenergie prädestinierten Land wie dem Iran ist zudem das Argument, aus Gründen der energetischen Vorsorge auf Atomenergie setzen zu wollen, offenkundig fadenscheinig. Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad ist, da er über den Bau von Atomkraftwerken an Atomwaffen gelangen will, diese aber noch nicht besitzt, zwar ein Verbrecher - jedoch ein kleinerer Verbrecher als all die, die Atomwaffen besitzen.

In seiner Rede bei der "Anti-Rassismus-Konferenz" der Vereinten Nationen in Genf, sagte Ahmadinedschad einige richtige und einige falsche Dinge. Der Eklat, für den Ahmadinedschad verantwortlich gemacht wird, stützt sich jedoch auf angebliche Aussagen, die so in seiner Rede gar nicht vorkamen. Doch eines nach dem anderen:

Bezeichnender Weise sind die Teile seiner Rede, die auf vernünftigen Argumenten beruhen, am wenigsten beachtet worden. Etwas anderes von den Mainstream-Medien der Industrienationen zu erwarten, wäre allerdings naiv. Ahmadinedschad holte in seiner Rede ziemlich weit aus, referierte über Mittelalter und Sklaverei - wobei er die Araber unerwähnt ließ - und kam dann auf die beiden Weltkrieg zu sprechen. "Die Machtgierigen haben in einem kurzen Zeitraum Europa und einem Teil von Asien und Afrika zwei große Kriege aufgezwungen. Diese Kriege hinterließen ungefähr 100 Millionen Tote und riesige Schäden in vielen Ländern und Städten. Die Sieger dieser Kriege hielten sich für die Eroberer der Welt und die anderen Nationen für gescheitert. Durch Aufstellung von Gesetzen und Einführung von ungerechten Mechanismen übergingen sie die Rechte der Völker und verletzten sie. Sehen Sie sich den UN-Sicherheitsrat an, welcher zum Erbe des Ersten und Zweiten Weltkrieges gehört. Mit welcher Logik haben sie sich das Privileg des Vetorechtes eingeräumt? Mit welchen menschlichen und göttlichen Werten stimmt eine solche Logik überein? Mit Gerechtigkeit, mit Gleichheit vor dem Gesetz, mit Menschenwürde oder eher mit Diskriminierung, Ungerechtigkeit, Verletzung von Menschenrechten und Erniedrigung der meisten Völker und Staaten? Dieser Rat ist die höchste Instanz, die über Frieden und Sicherheit auf der Welt Beschlüsse fassen kann. Wie können Gerechtigkeit und Frieden erwartet werden, wenn es gesetzliche Diskriminierung gibt und Gewalt und Macht statt Gerechtigkeit und Recht Grundlage des Gesetzes bilden?"

Auch wenn sich die Veto-Mächte USA, Rußland und China nicht selten gegenseitig blockieren, so trifft doch Ahmadinedschads Argument zu, daß auf der Grundlage der von diesen Mächten sich selbst angemaßten Vorrangstellung, der UN-Sicherheitsrat kein faires Forum für Verhandlungen auf globaler Ebene bietet. Es liegt auf der Hand und ist seit Jahrzehnten offenkundig, daß Menschen aus Afrika oder Asien in den Vereinten Nationen keinen vertrauenswürdigen oder gar erfolgreichen Anwalt finden konnten. Diese klare und doch selten zu hörende Erkenntnis wird von den Regierungen der Industrienationen und den dort beheimateten Mainstream-Medien nun allerdings gar nicht gerne vernommen. Vor diesem Hintergrund ist verständlich, warum die Mainstream-Medien der Industrienationen Ahmadinedschad als "widerlich und haßerfüllt" darzustellen versuchen.

Warum tritt Ahmadinedschad überhaupt vor einem Forum auf, dessen Legitimation er eloquent bestreitet? Er versucht sich selbst damit zu einem Anwalt der unterdrückten Völker aufzuschwingen, zum "Ober-Anti-Imperialist". Doch als Stellvertreter der iranischen Regierung, die ihr eigenes Volk unterdrückt, ist Ahmadinedschad in dieser Rolle alles andere als glaubwürdig.

Es wäre im übrigen völlig illusorisch, von einer Konferenz von RegierungsvertreterInnen zu erwarten, diese könne irgendwo in der Welt etwas Positives gegen Rassismus leisten. Wenn in der Geschichte der Menschheit Rassismus zurückgedrängt werden konnte - wie beispielsweise in den USA - dann ist dies starken Bürgerrechtsbewegungen zu verdanken und nicht etwa Regierungen. Im Gegenteil: Regierungen haben immer wieder Rassismus als Werkzeug benutzt, um in anderen Staaten mit verdeckten Operationen zu intervenieren, mit Hilfe des Prinzips "teile und herrsche" und mit der Schwächung der dortigen Bevölkerung Macht über diese Länder und Zugriff auf ihre Ressourcen zu erlangen.

Das beste Beispiel dafür, daß Regierungen real gar nichts daran liegt, Rassismus zu bekämpfen, ist die Bundesrepublik Deutschland. Seit der Vorgängerkonferenz 2001 in Durban haben die deutschen Bundesregierungen - und wie so oft: ebenso die "rot-grüne" wie ab 2005 die "schwarz-rote" - ihre "Hausaufgaben" nicht gemacht. Der in Durban versprochene "Nationale Aktionsplan gegen Rassismus" wurde erst im Jahr 2008 von der jetzigen Bundesregierung vorgelegt und durchweg von Fachleuten als völlig unzureichend bewertet.

Unrichtig ist jener Teil der Rede Ahmadinedschads, in dem er die israelische Regierung des Rassismus bezichtigt. Die Verbrechen des israelischen Militärs während des Gaza-Kriegs im Dezember 2008 und Januar 20091 waren nicht rassistisch motiviert. Für diese Beurteilung gibt es eine ganze Reihe guter Gründe, die zu diskutieren allerdings nicht hierher gehört. Ebenso wenig waren die Angriffe von Seiten der Hamas oder in früheren Zeiten solche der Al Fatah rassistisch motiviert. Unbestreitbar gab es sowohl von palästinensischer als auch von israelischer Seite gelegentliche rassistische Ausbrüche, doch Rassismus spielt im israelisch-palästinensischen Konfikt nicht annähernd eine entscheidende Rolle.

Ahmadinedschad hat dennoch sehr wohl das Recht, die israelische Regierung des Rassismus anzuklagen. Nüchtern betrachtet ist die Anklage Ahmadinedschads weniger schwerwiegend als beispielsweise der Vorwurf des Völkermords, der von westlichen Regierungen und Mainstream-Medien gegen die sudanesische Regierung erhoben worden war - zu unrecht, wie mittlerweile durch den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag bestätigt wurde.

Ahmadinedschads Anklage gegen die israelische Regierung ist jedoch erst dann ernst zu nehmen, wenn sie auf Beweisen und einer schlüssigen Argumentation beruht - und an beidem mangelte es seiner Rede. Offenkundig war die "Anti-Rassismus-Konferenz" lediglich ein beliebiger Vorwand für den iranischen Präsidenten, um einen publikumswirksamen Angriff gegen die israelische Regierung darzubieten.

Nun zu dem, was gar nicht vorhanden war und den Mainstream-Medien in den Industrienationen in der Art eines Pawlowschen Reflexes zu ihren Angriffen auf Ahmadinedschad diente:

In seiner Rede ist keine Leugnung des Holocaust zu finden. Auch wenn Ahmadinedschad mit einer - wir unterstellen hier: bewußt - unklaren Formulierung in seinem Redemanuskript, von dem er an dieser Stelle abwich indem er eine weniger zweideutige Formulierung verwendete, die immer wieder gegenüber ihm erhobene Anschuldigung, er leugne den Holocaust, provozierte: Weder das Redemanuskript, noch der Mitschnitt seiner gesprochenen Worte belegen diese Anschuldigung. Es ist aber durchaus nicht abwegig anzunehmen, daß Ahmadinedschad mit antisemitischen Argumentationsmustern, die leider in islamischen Ländern nicht selten zu finden sind, aus demagogischen Gründen spielt.

In vielen deutschen Mainstream-Medien - beispielsweise in der online-Ausgabe der 'Welt' von 18:00 Uhr am 20. April - wurden nicht einmal Äußerungen Ahmadinedschads zitiert, aufgrund derer sich LeserInnen ein eigenes Urteil hätten bilden können. Möglicherweise gedankenlos wurden Formulierungen von Nachrichtenagenturen übernommen wie die, Ahmadinedschad habe "Israel einseitig als rassistisch denunziert". Was soll dieses "einseitig" bedeuten? Das Gegenteil von "einseitig" wäre wohl etwa die Aussage: "Israel ist rassistisch und wir sind selbst auch rassistisch"? Wenn die Regierungen der Industrienationen ernsthaft an einer "Anti-Rassismus-Konferenz" teilnehmen wollten, müßten sie akzeptieren, das nicht sie allein bestimmen können, was als rassistisch bezeichnet werden darf und was nicht.

Auch die Stellungnahme der russischen Regierung war nicht sehr erhellend. Diese verurteilte den Boykott westlicher Staaten und kritisierte, offenbar seien nicht alle Regierungen bereit, sich den wachsenden Herausforderungen von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung zu stellen. Allenfalls geht daraus hervor, daß die russische Regierung bestrebt ist, die wirtschaftlichen Beziehungen zum Iran nicht durch Kritik an dessen Präsidenten zu belasten.

Von vorgeblich "oppositionellen" Bundestagsabgeordneten kam die Kritik an der Abreise der deutschen Delegation: Diese schade der Sache der Menschenrechte. Weshalb ein Verbleib oder überhaupt die Teilnahme an einer solchen Konferenz "den Menschenrechten" nutzen könne, ging daraus nicht hervor.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

1 Siehe hierzu unseren Artikel

      Bilanz des Gaza-Kriegs
      Die Mehrheit der Israelis und der PalästinenserInnen
      sind Opfer (25.01.09)

 

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