16.04.2007

Ökosteuer wirkungslos

Heuchelei beeindruckend

Es gab kaum ein Thema, über das ähnlich ideologisch und fern ab der Fakten diskutiert und gestritten wurde wie die Ökosteuer. Von der Contra-Seite wurde ein Aufschlag von jährlich wenigen Cent pro Liter Benzin als Horrorszenario ausgemalt, die Pro-Seite um den damaligen Umweltminister Trittin pries die Ökosteuer ohne Biß als Hebel zur Senkung des Spritverbrauchs und als Beitrag zum Klimaschutz. Zu keinem Zeitpunkt wurden Fakten auf den Tisch gelegt. Dabei ist es die Aufgabe des staatlichen Bundesamtes für Wirtschaft akribisch über die Entwicklung der "Inlandsablieferungen" sämtlicher Mineralölprodukte monatlich Buch zu führen.

Benzinverbrauch 1997 - 2005

Nun veröffentlichte heute die 'taz' einen kleinen Artikel auf Seite 7 mit der Überschrift "Ökosteuer drückt Spritverbrauch". Die Suche nach den Fakten erinnert allerdings an das Spiel "Die Reise nach Jerusalem". Denn die 'taz' legt keine Zahlen vor, sondern beruft sich auf den 'spiegel'. Die Ökosteuer habe sich "deutlich" auf das Verhalten der AutofahrerInnen ausgewirkt, "meldet der spiegel unter Berufung auf eine Studie der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages im Auftrag der FDP". Sobald wir in Erfahrung bringen, welche Erkenntnisse aus welcher Quelle letztlich dieser freudigen Meldung zugrunde liegen, werden wir dies umgehend berichten.

Die FDP, die ja all die Jahre als Gegnerin jeglicher Art von Ökosteuer auftrat, brachte allerdings anderes ans Tageslicht: Ein selbst hartgesottene SkeptikerInnen erschütterndes Maß an Heuchelei - sowohl der aktuellen "schwarz-roten" als auch der vorangegangenen "rot-grünen" Bundesregierung. Auf eine parlamentarische Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion mußte die Bundesregierung die Fakten präsentieren, wonach wachsender Kraftstoffverbrauch, steigende Motorenleistung und hoher Kohlendioxid-Ausstoß die Dienstwagen von Bundesregierung und Bundesbehörden kennzeichnen. Alternative Kraftstoffe und Antriebe haben lediglich einen Anteil von 0,1 Prozent an der Gesamtflotte. Die Bundesregierung fährt hochmotorig. In allen Ministerien ist die Motorenleistung gegenüber einer FDP-Anfrage aus dem Jahr 2005 - zum Teil erheblich - gestiegen. Der durchschnittliche Flottenverbrauch der Dienstkraftfahrzeuge ist weiter hoch. Bei den Otto-Motoren ist er in den Jahren 2005 und 2006 mit 12,6 Litern auf 100 Kilometer nicht nur konstant hoch geblieben, sondern gegenüber den Vorjahren sogar leicht angestiegen (2004: 11,8 Liter auf 100 Kilometer). Auch das Bundesumweltministerium macht da keine Ausnahme - ganz im Gegenteil. Sowohl Kraftstoffverbrauch (plus 0,71 Prozent) als auch Motorenleistung (plus 1,28 Prozent) haben im Jahr 2006 im Vergleich zum Vorjahr sogar noch zugenommen. Der Dienstwagen von Minister Gabriel ist mit einem Kohlendioxid-Ausstoß von 249 Gramm pro Kilometer zudem wahrlich kein Klimaschutz-Weltmeister, auch im Vergleich zu seinen Kabinettskollegen. Am günstigsten schneidet hier der Wirtschaftsminister mit 216 Gramm pro Kilometer ab.

Katastrophal ist das Ergebnis auch bei der Ausrüstung der Fahrzeuge mit Rußpartikelfiltern - insbesondere bei den Bundesbehörden. Lediglich 43,5 Prozent der aufschlüsselbaren Dieselfahrzeuge von Bundesbehörden haben laut Antwort der Bundesregierung einen Filter. Absurdes Ergebnis: 3.770 Dieselfahrzeuge des Bundes würden von Fahrverboten in Umweltzonen betroffen sein und dürften damit zukünftig nicht mehr in Innenstädten fahren. Insgesamt wären sogar rund 4.230 Fahrzeuge betroffen. Der Bund wird damit Opfer seiner eigenen Verordnung. Dabei plant die Bundesregierung laut Antwort offensichtlich keine Nachrüstung mit Partikelfiltern, während sie dies von den BürgerInnen verlangt. Und ebenso kein Fortschritt bei alternativen Kraftstoffen und Antrieben: Seit 2005 gibt es lediglich ein Fahrzeug mit Erdgas und eines mit Flüssiggas zusätzlich. Zwei Fahrzeuge in zwei Jahren - ein mageres Ergebnis.

Der 'spiegel' brachte bereits am 15. März 2005 folgende - wohl von vielen längst vergessene - Enthüllungen: "Ausgerechnet die Dienstautos der rot-grünen Bundesregierung sind schneller, stärker und durstiger als die aller Vorgängerregierungen." Das paßte schlecht zu Trittins Predigten von Drei-Liter-Autos, Rußfilter und Spritsparen.

So kommentierte der 'spiegel': "Noch keine Bundesregierung hat so ungehemmt mit schluckfreudigen Luxuskarossen geprotzt wie das Kabinett des einstigen VW-Aufsichtsrats Gerhard Schröders im siebten Jahr ihrer Amtsführung." Und der 'spiegel' wartete mit Fakten auf: "Die durchschnittliche Power der Dienstlimousinen ist seit 1998 ordentlich angezogen. Zuckelten neu angeschaffte Dienstfahrzeuge damals noch mit einer durchschnittlichen Motorenleistung von etwa 120 PS (88 KW) durch die Gegend, kamen sie im vergangenen Jahr mit knapp 170 PS (123 KW) deutlich zügiger voran. Kein Wunder, dass derlei Fortschritt trotz moderner Verbrennungstechnik nur mit mehr Sprit zu erzielen ist. Lag der durchschnittliche Verbrauch der von Rot-Grün gelenkten Benziner 1998 noch bei 10,99 Litern auf 100 Kilometer, waren es im vergangenen Jahr bereits 11,84 Liter."

Auch beim Einsatz von Dieselfahrzeugen - Umweltminister Trittin sprach selbst ganz zu recht von "krebserregenden Rußschleudern auf deutschen Straßen" - fühlte sich die Bundesregierung nicht zum Handeln bemüßigt. Gaben Regierung und Bundesbehörden im Jahr 1998 lediglich 1,6 Millionen Euro für neue Autos aus, lagen die Anschaffungskosten im Jahr 2004 bei mehr als 42 Millionen Euro. Wobei sich vor allem deutsche Autohersteller über üppige Aufträge freuen konnten. Von insgesamt 23.600 unter Rot-Grün angeschafften Neufahrzeugen tragen 9300 das Volkswagen-Logo, 4600 den Mercedes-Stern, 3600 den Opel-Blitz und 3100 das Ford-Emblem. BMW durfte immerhin 1100 Fahrzeuge beisteuern, Audi 179.

Bemerkenswerter Weise gab Umweltminister Trittin allerdings auch den spritsparenden und meist preiswerteren ausländischen Autobauern eine Chance. In den von ihm beaufsichtigten Bundesämtern für Umwelt und für Naturschutz kamen auch Skoda, Toyota und Honda zum Einsatz - mit jeweils genau einem Fahrzeug. Trittin selbst indes ließ sich in einem E-Klasse-Mercedes durch die Lande kutschieren.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Anstieg beim Kohlendioxidausstoß
      Seit Jahren nur leere Versprechen (2.04.07)

      EU bremst Klimaschutz (9.03.07)

      EU weiter Richtung Klimakatastrophe
      Deutschland schlechtes Mittelfeld (7.12.03)

      Umweltpolitische Geisterfahrer
      "Rot-Grün" mit voller Fahrt in Richtung Klimakatastrophe (9.01.03)

      Die Wirkung der "Öko-Steuer" (24.12.01)

      Ökosteuer - viel Lärm um nichts (11.12.2000)

 

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