13.08.2004

Interview

Flughafenbau
auf Dioxin-verseuchtem Boden

Till Meyer sprach mit Kristian-Peter Stange

Vorbemerkung:
Kristian-Peter Stange ist Pressesprecher des Bürgervereins Brandenburg-Berlin (BVBB), der gegen den Neubau des stadtnahen Großflughafens Berlin-Schönefeld kämpft.

Till Meyer:
Der BVBB hat durch eigene Untersuchungen1 festgestellt, daß ein großes Gebiet südlich des Flughafens Schönefeld hochgradig kontaminiert ist. Was haben Sie dort gefunden?

Kristian-Peter Stange:
Wir haben in dieser Gegend Grundwasser- und Sedimentproben entnommen. Dabei wurde eine sehr starke Belastung mit dem Gift Dioxin festgestellt. Ursache der Verunreinigung von Badeseen und Grundwasser im Umkreis des Flughafens waren Desinfektionsmittel, die jahrelang zur Reinigung der Flugzeugtoiletten verwandt wurden. Diese Abwasser wurden vom Flughafen durch unterirdische Betonröhren in ein Klärwerk einer nahegelegenen Ortschaft geleitet. Das Klärbecken läuft bei Regen über, so daß ungereinigte Abwässer jahrzehntelang im Boden versickert sind.

Wie hat seinerzeit das zuständige Potsdamer Umweltministerium auf Ihre Untersuchungen reagiert?

Als erstes gab es heftige Dementis und die Diffamierung des BVBB als Dilettanten und Panikmacher. Allerdings hat man sofort eigene Untersuchungen durchgeführt. Im März 2002 wurden dann Warnschilder aufgestellt. Mit einiger Verspätung, denn bereits 1996 hatte Greenpeace den damaligen Umweltmister Matthias Platzeck auf eine unsachgemäße Entsorgung des verseuchten Klärschlamms hingewiesen.

Was geschieht zur Zeit in dieser Region? Beläßt es die Landesregierung bei einigen Warnschildern?

Durch eine Verfügung des zuständigen Landrats wurden vor kurzem in aller Eile noch mehr Warnschilder aufgestellt entlang des Selchower Flutgrabens und an zwei weiteren Seen. Gewarnt wird vor dem Baden, vor dem Angeln, auch Vieh darf an diesen Stellen nicht mehr getränkt werden. Das Landesumweltamt hat inzwischen eigene Sediment- und Oberflächenwasserproben des Selchower Flutgrabens und der beiden Badeseen vorgenommen. Die gemessenen Belastungswerte übersteigen unsere schlimmsten Befürchtungen.

Warum wird seit 1996 nichts zur Beseitigung der Umweltschäden unternommen?

Man wollte beim Flughafenbau die kontaminierte Fläche einfach zubetonieren. Dabei ist seit 1998 durch das neue Bodenschutzgesetz geregelt, daß vor Baubeginn der Untergrund komplett saniert werden muß.

Warum wurde die Dioxin-Problematik nicht während des Planfeststellungsverfahren zum Neubau des Flughafens Schönefeld thematisiert?

Das hätte den Baubeginn des Großflughafens Schönefeld nicht nur verzögert, sondern auch eine nicht kalkulierbare Kostenexplosion nach sich gezogen. Die Dioxinbelastung wurde bewußt ausgespart, um einen positiven Planfeststellungsbeschluß nicht zu gefährden. Durch die jahrelange Vertuschung dieses Skandals hat die Politik eine weitere Ausbreitung des Giftes und eine latente Gefährdung von Mensch, Tier und Umwelt billigend in Kauf genommen.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

Anmerkungen:

1Siehe auch unseren Artikel

    Seveso in Berlin
    Dioxin-Funde im Umfeld des Flughafens Schönefeld
    (26.03.02)

Für weitere Informationen
siehe die Web-Seite der Bürgerinitiative:
    www.bvbb-ev.de

 

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