'Zeit'-Herausgeber Josef Joffe
produziert geistlose Atomkraft-PR
In zwei Sätze gleich fünfmal Unsinn unterzubringen, ist wahrlich eine Meisterleistung des 'Zeit'-Herausgebers Josef Joffe:
Diese zwei Sätze finden sich in der aktuellen Ausgabe der 'Zeit', wo Joffe in seiner Rubrik "Zeitgeist" unter der Überschrift "German Techno-Angst" die vermeintliche Technologiefeindlichkeit "der Deutschen" anzuprangern versucht. Mit "Techno-Angst" meint Joffe nun allerdings nicht die Behinderung erneuerbarer Energien durch eine "schwarz-rot-grün-gelbe" Einheitsfront, sondern die Ablehnung von Nanotechnologie, Gentechnik und Atomenergie durch eine Mehrheit der Deutschen.
Die gesamte Polemik ist zu geistlos, um sich ernsthaft damit auseinanderzusetzen. Deshalb wollen hier nur einmal beispielhaft die zwei oben wiedergegebenen Sätze zerpflücken:
1. Joffe sei zunächst einmal unterstellt, daß er mit "wir importieren" offenbar die deutschen Stromkonzerne meint. Das ist jedoch Unsinn, denn auch die offiziellen Zahlen der in Deutschland agierenden Stromkonzerne belegen ebenso wie die offizielle Statistik der VDEW, daß hierzulande im Durchschnitt der Strom von drei bis vier Atomkraftwerken exportiert wird. 2008 stieg die Menge des netto exportierten Stroms sogar nochmals an.
2. Mit seiner Behauptung, "wir" bauen unter ausländischem Dach Atomkraftwerke jenseits von Deutschland, liegt Josef Joffe ebenso jenseits der Tatsachen: Denn hier meint er mit "wir" offenbar den Siemens-Konzern, der noch bis vor Kurzem bei Areva und somit tatsächlich in Frankreich und Finnland am Bau von Atomkraftwerken beteiligt war. Siemens ist jedoch bereits im Januar aus dem Gemeinschaftsunternehmen mit den Franzosen ausgestiegen1 und Pläne zum gemeinsamen Bau von Atomkraftwerken mit dem russischen Staatsunternehmen Rosatom haben sich bis heute nicht konkretisiert. Peinlich für einen Journalisten, sich so schlecht informiert zu zeigen...
3. "400 neue KKWs"? Da Joffe entsprechend seinem üblichen Sprachgebrauch als "Kernenergiebefürworter" mit KKWs nicht etwa Kompostkraftwerke, sondern "Kernkraftwerke" - also Atomkraftwerke - meint, gibt er sich vollends der Lächerlichkeit preis. Laut einer Statistik der Atomenergieagentur IAEA sind weltweit insgesamt lediglich 436 AKW in Betrieb. Mitgezählt ist dabei auch das AKW Krümmel, das derzeit abgeschaltet ist und ununterbrochen mehr als 23 Monate abgeschaltet war, sowie weitere sieben deutsche Atomkraftwerke, die in diesem Sommer zeitweise stillstanden, als auch sieben japanische AKW, die derzeit aus Sicherheitsgründen abgeschaltet sind. Laut IAEA-Statistik sind weltweit 52 Atomkraftwerke "in Bau". Einige darunter stehen jedoch bereits seit Jahrzehnten in dieser Rubrik der IAEA-Statistik und sind real längst Bauruinen. Zwar kündigen immer mal wieder Regierungen Atomprogramme an, aber solange sie nicht auch Milliardensubventionen dazu versprechen, findet sich kaum ein Investor. Schwerlich um einen Zufall kann es sich handeln, wenn dieselbe Phantasie-Zahl von 400 neuen "KKWs" zugleich in einem 'Newsweek'-Artikel auftaucht, den Josef Joffe in seiner "Zeitgeist"-Polemik ausgiebig zitiert. Ulkiger Weise ist diese Zahl dort aber als Schätzung von Siemens-Chef Peter Löscher gekennzeichnet.
4. "Total-Ausstieg"? Von einem real vollzogenen Atom-Ausstieg kann in Europa bislang allenfalls in Österreich (1978) und in Italien (1987) die Rede sein. Wer zählen kann, mußte feststellen, daß seit dem im Jahr 2000 von "Rot-Grün" verkündeten Atomausstieg in Deutschland gerade eben mal zwei von 19 Atomkraftwerken stillgelegt wurden.2
5. "...als ob radioaktive Wolken die Staatsgrenzen respektierten."
Josef Joffe offenbart hier die Logik eines Psychopathen. Wenn mein Nachbar mit entsicherter Handgranate in der Linken und Revolver in der Rechten russisches Roulett spielt, gebietet es diese Logik, dem Beispiel zu folgen.
REGENBOGEN NACHRICHTEN
Anmerkungen
1 Siehe hierzu unseren Artikel:
Siemens steigt bei Areva aus
Ist das Atomkraftwerk-Modell EPR am Ende? (27.01.09)
2 Siehe hierzu auch:
Der deutsche "Atom-Ausstieg"
Folge 2 der Info-Serie Atomenergie
