14.03.2007

Berufsverbot
von Gericht aufgehoben

Michael Csaszkóczy darf Lehrer werden

Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim (VGH), das oberste Verwaltungsgericht für das Land Baden-Württemberg, hob heute morgen das Berufsverbot gegen den Heidelberger Lehramtsbewerber Michael Csaszkóczy auf.

Im Februar 2004 hatte die damalige Kultusministerin und jetzige Bundesforschungsministerin Annette Schavan die in den 70er Jahren unter Bundeskanzler Willy Brandt eingeführte Berufsverbotspraxis wieder aufleben lassen. In ihrem Auftrag verweigerte das Oberschulamt Csaszkóczy die Übernahme in den Schuldienst, nachdem er das Referendariat erfolgreich beendet hatte. Gut ein Jahr später schloß sich das Land Hessen dieser Praxis an.1

Mit der Entscheidung des VGH ist auch das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe, das in erster Instanz das Berufsverbot bestätigt hatte, hinfällig. Eindeutig stellt der VGH in seiner heutigen Pressemitteilung fest: Michael Csaszkóczy wurde zu Unrecht die Einstellung in den Schuldienst des Landes verweigert. Die entgegenstehenden Bescheide des Oberschulamts wurden deshalb aufgehoben und das beklagte Land verpflichtet, über den Antrag des Csaszkóczys auf Einstellung in den Schuldienst unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Das VGH hielt eine herbe Kritik am ausführenden Oberschulamt und damit indirekt an Annette Schavan bereit: Das Amt sei "den Anforderungen an eine sorgfältige und vollständige Würdigung des Sachverhalts und der Person des Klägers nicht gerecht geworden", heißt es in der offiziellen Verlautbarung des VGH.

Der baden-württembergische Verfassungsschutz hatte Csaszkóczy seit 1992 bespitzelt, mit seinen "Erkenntnissen" offenbar aber nur Schavan und deren Nachfolger Helmut Rau beeindrucken können. Bei dieser "Sündenliste" könne man sich fragen, "wo die Sünden sind", meinte Richter Brockmann süffisant. Er hatte das Wort von der "Sündenliste" aus dem Plädoyer des Anwalts Martin Heiming aufgegriffen und immer wieder ironisch eingeflochten. Die Lacher hatte der Vorsitzende Richter Klaus Brockmann stets auf seiner Seite. "Wenn Steine zu fliegen beginnen" , sagt er mit Blick auf Joschka Fischer trocken, "muß das nicht immer enden in einer Karriere als Außenminister."

Keiner der Punkte auf der vom baden-württembergischen Verfassungsschutz in über zehnjähriger Sammelleidenschaft erstellten Liste sei geeignet, die Annahme mangelnder Verfassungstreue zu rechtfertigen - schließlich handelte es sich dabei ausschließlich um die Wahrnehmung verfassungsrechtlich verbriefter Grundrechte. Schon bei der gestrigen mündlichen Verhandlung war deutlich geworden, daß die von Schavan unterstellte Verfassungsfeindlichkeit Csaszkóczys einer kritischen Überprüfung durch den VGH nicht standhielt.

Die Schulbehörde und das Kultusministerium hatten sich geweigert, Michael Csaszkóczy einzustellen und das trotz Bestnoten. Auch in Hessen war seine Bewerbung als Lehrer mit den Fächern Deutsch, Geschichte und Kunst nach einer Blitz-Weisung aus dem Innenministerium an eine mit der Einstellung befaßte LeherInnenkonferenz abgelehnt worden.

Für 'Internationalen Liga für Menschenrechte' kommentierte deren Präsident, Dr. Rolf Gössner: "Dieses Urteil ist eine schallende Ohrfeige für die baden-württembergische Kultusbürokratie und das Verwaltungsgericht Karlsruhe. Und ein Signal gegen Versuche, die Berufsverbotspraxis vergangener Jahrzehnte wiederzubeleben." Mit Erleichterung reagierten die Gewerkschaft GEW, die Csaszkóczy einen Rechtsanwalt gestellt hatte, sowie drei Bürgerrechtsorganisationen, die das gerichtliche Berufsverbotsverfahren von Anfang an beobachteten, auf die heutige Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) Baden-Württemberg. "Damit könnte Baden-Württemberg auch bundesweit endlich einen Schlußstrich unter das Thema Berufsverbot und den Rückfall in eine unrühmliche Politik der 70er Jahre ziehen", sagte GEW-Landesvorsitzender Rainer Dahlem. Der parteilose Europaabgeordnete und Friedensaktivist Tobias Pflüger (IMI Tübingen) erklärte: "Es ist gut, daß der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof nun die Landesregierung in Stuttgart zu Vernunft gebracht hat." Bereits 1995 hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die deutsche Berufsverbotspraxis als Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verurteilt.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

Aktenzeichen: VGH 4 S 1805/06

1 Siehe unseren Beitrag vom 21.02.06

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