26.09.2011

Energiewende
Neue Speichermethode
für Wasserstoff entdeckt

Erneuerbare Energien - Grafik: Samy - Creative-Commons-Lizenz Namensnennung Nicht-Kommerziell 3.0
Am Rostocker Leibniz-Institut für Katalyse entdeckte ein deutsch-schweizerisches Forscherteam um Matthias Beller eine neue Methode, um Wasserstoff zu speichern. Mit Hilfe eines Katalysators, der im Wesentlichen aus Eisen besteht, kann Ameisensäure als Speichermedium verwendet werden. Vorteile bietet die neue Methode durch das geringe Speichervolumen, höhere Sicherheit und einen geringen Energieaufwand. Mit Wind- und Solarenergie erzeugter Wasserstoff kann so in Zukunft auch einfacher als Treibstoff in Automotoren eingesetzt werden.

Bereits vor über 25 Jahren war klar: Wasserstoff ist der Brennstoff der Zukunft. Der Rohstoff Wasser ist im Übermaß vorhanden, 71 Prozent der Erdoberfläche sind Meere. Zudem wird er nicht verbraucht, sondern kann zu 100 Prozent recycelt werden. Die Sonne scheint kostenlos und nur die Investition in die notwendige Anlage und deren Erhalt erfordert Geld. Mit Hilfe von Strom aus Wind-Kraftwerken und Solar-Zellen kann Wasser per Elektrolyse schadstofffrei in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt werden. Ebenso schadstofffrei kann Wasserstoff in herkömmlichen Motoren als Treibstoff eingesetzt werden. Bei der Verbrennung entsteht lediglich Wasser und der Kreislauf schließt sich. Wasserstoff ist ein ideales Speichermedium insbesondere im Zusammenspiel mit den erneuerbaren Energien, das gewährleistet, daß die Energie abgerufen werden kann, wenn sie benötigt wird. Probleme bereiteten bislang lediglich das bei einem Gas verhältnismäßig große Volumen und die Entzündbarkeit, die allerdings keineswegs größer ist als bei Benzin oder Erdgas. Dies ist nun mit der neuen Speichermethode gelöst.

Im schwedischen Hafenstädtchen Härnosand hatte der Ingenieur Olof Tegström bereits 1987 den gesamten Wasserstoff-Kreislauf technisch realisiert. Mit einem Windgenerator in seinem Garten erzeugt er den Strom. Und dieser zerlegt in einem schrankgroßen Elektrolyse-Apparat Leitungswasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff. Mit dem selbst produzierten Wasserstoff betreibt Tegström sein Auto und die Heizung seines Hauses.

Die Umstellung eines herkömmlichen Benzinmotors auf Wasserstoff ist technisch simpel. Wie der Begriff Vergaser noch heute belegt, wurde der Automotor nicht etwa "erfunden". Der Benzin-Motor ist lediglich eine Abwandlung des bereits zuvor erfundenen und stationär betriebenen Gas-Motors. Die für heutige Verhältnisse bescheidene Windmühle Tegströms liefert nicht nur die Energie für Auto und Heizung, sondern darüber hinaus reicht der Wasserstoff für den Herd in der Küche und der Strom für den Betrieb der elektrischen Geräte im Haus.

Daß sich diese längst ausgereifte Wasserstoff-Technologie bislang nicht durchsetzen konnte, lag an dem lange Zeit scheinbar unüberwindlichen Kostenvorteil von Öl und Gas. Gegen das billige Öl und die bereits bestehende Infrastruktur an Bohrtürmen, Pipelines und Tankstellen - im Besitz weniger Weltkonzerne, hatte Wasserstoff bisher keine Chance. Dies kann sich nun innerhalb von wenigen Jahren ändern.

Doch mittlerweile haben die erneuerbaren Energien den Preis-Wettkampf Dank des technischen Fortschritts gewonnen und zugleich wird Öl und Gas infolge der weltweiten Verknappung der Ressourcen zunehmend teurer. In wenigen Jahren wird auch der derzeit künstlich erzeugte Hype um Elektro-Autos in sich zusammenfallen, da auf absehbare Zeit kein nennenswerter Teil des Fahrzeugbestandes ersetzt werden kann. Selbst nach optimistischen Prognosen werden bis zum Jahr 2020 gerade einmal eine Million Elektro-Autos auf deutschen Straßen rollen. Dies muß aber in Relation zum Gesamtbestand 42 Millionen PkW in Deutschland gesehen werden. Deshalb wird auch die Brennstoffzelle keine Rolle bei der dringend voranzutreibenden Energiewende spielen. Realistisch und effizient im Sinne des Klimaschutzes und der Energiewende ist hingegen die massenhafte Umrüstung des heutigen Auto-Bestandes auf mit Wasserstoff angetriebene Motoren.

Hinzu kommt, daß Elektro-Autos in den kommenden fünf bis zehn Jahren nicht einmal einen Nutzen für den Klimaschutz bieten. "Die Bundesregierung versucht im Schulterschluß mit der Industrie, die Öffentlichkeit zu täuschen," sagt Wolfgang Lohbeck, verkehrspolitischer Sprecher von Greenpeace Deutschland. "Elektro-Autos sind eben keine Null-Emissionsfahrzeuge, sondern beim jetzigen Strommix in Deutschland auch längerfristig sogar eher schlechter als ein vergleichbares herkömmliches Auto. Und der Strom kommt auch für E-Autos aus der Steckdose, nicht wahlweise aus einer Windanlage." Lohbeck weist die Behauptung der großen Stromversorger zurück, Elektro-Autos würden mit "grünem" Strom betankt. "Die Stromkonzerne versuchen darüber hinwegzutäuschen, daß die Anrechnung von »grünem« Strom ein reiner Verschiebebahnhof ist - es kommt keine einzige zusätzliche »grüne« Kilowattstunde ins Netz," erklärt Lohbeck. "Das Potential für die CO-Einsparung liegt auf absehbare Zeit bei den Verbrennungsmotoren."

"Die Autoindustrie lenkt alle fünf Jahre mit neuen Heilsversprechen davon ab, daß sie mit ihrem aktuellen Fahrzeugangebot die EU-Klimaschutzauflagen nicht erfüllt. Jetzt sollen wieder mehrere Milliarden Euro direkte und indirekte Subventionen an die deutschen Autohersteller für ein Potemkinsches Dorf der Elektromobilität im Jahre 2020 fließen, während gleichzeitig der Verkauf spritfressender PS-Boliden mit erhöhter staatlicher Förderung weitergeht," kommentiert Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) die gegenwärtige Politik. Resch warnt vor einer erneuten "Plünderung der Steuerkassen durch die Autokonzerne."

Vor rund zehn Jahren wurde die deutsche Autoindustrie mit etlichen Milliarden Euro an Steuermitteln überschüttet, weil sie die Entwicklung der Brennstoffzellenantriebe zur Serienreife versprach. Die Gelder wurden abgegriffen, ohne daß je eine Zusagen eingehalten werden konnte. Die Brennstoffzellen-Technologie wurde damals mit demselben medialen Aufwand als Lösung aller Umweltprobleme beworben wie heute die Elektroautos. Schon seit Jahren müßten die für Mitte des Jahrzehnts von der Autoindustrie fest zugesagten Brennstoffzellen-Serienfahrzeuge unterwegs sein.

Am 29. April 2004 wurde in Berlin der erste Wasserstoff-Bus in Betrieb genommen. Das Beispiel zeigt, daß es sich beim Wasserstoff-Verbrennungsmotor um eine ausgereifte Technik handelt. Doch Vorsicht: Andernorts firmieren Busse mit Brennstoffzellen als "Wasserstoff-Bus" - so etwa in Hürth bei Köln, wo bei einem Modellprojekt "Wasserstoffbusse" mit Brennstoffzellen-Hybrid-Technik eingesetzt werden. Und im Mai diesen Jahres wurde bekannt, daß das Bundesforschungsministerium hunderte Millionen Euro an Steuermitteln für die Entwicklung von Autobatterien verschleudert (siehe unseren Bericht v. 16.05.2011). Auch in diesem Fall stellt dies eine verdeckte Subventionierung dar.

Doch gleichgültig welcher Antrieb – ob ein von der Brennstoffzelle gespeister Elektro-Motor oder ein direkt mit Wasserstoff betriebener Verbrennungsmotor – in einem "Wasserstoffbus" steckt, ein Problem war bislang beiden gemeinsam: Um Tankvolumen zu sparen wird der Wasserstoff bei Minus 253 Grad Celsius verflüssigt oder in Druckbehältern komprimiert. Beides benötigt zusätzliche Energie und belastet so den Kostenvergleich mit herkömmlichen Bussen, die mit Benzin oder Diesel betrieben werden.

"Um all die Nachteile der Speicherung unter Druck oder bei extrem kalten Temperaturen zu umgehen, nutzen wir den Wasserstoff in einer chemischen Reaktion, bei der Ameisensäure entsteht. Die ist nicht toxisch und bei Raumtemperatur flüssig," erklärt Professor Matthias Beller vom Rostocker Leibniz-Institut für Katalyse. Aus Kohlendioxid (CO) und Wasserstoff (H) entsteht Ameisensäure (CHO). Dadurch ist der Wasserstoff in flüssiger Form gebunden, ohne daß er gekühlt oder komprimiert werden muß. Allerdings muß er wieder von der Ameisensäure gelöst werden, um in einer Brennstoffzelle Strom zu produzieren oder als Kraftstoff für Motoren dienen zu können. Damit aber diese Reaktion energetisch günstig bei Zimmertemperatur abläuft, benötigt sie einen speziellen Katalysator. Und genau diesen Katalysator entdeckten nun die ForscherInnen um Matthias Beller.

Das bekannteste Beispiel eines Katalysators ist sicherlich jener, der in der Abgas-Anlage eines Autos eingesetzt wird. Häufig werden für industriell eingesetzte Katalysatoren Edelmetalle wie Platin, Rhodium oder Ruthenium verwendet. Mit den gängigen Katalysatoren konnte Wasserstoff allerdings bislang nicht unter vertretbarem Aufwand aus der Ameisensäure herausgelöst werden. Dieses Problem ist nun gelöst und der auf Eisen basierende Katalysator wurde im Wissenschaftsmagazin 'Science' (23. September 2011) der Weltöffentlichkeit vorgestellt. Damit hat die Ameisensäure als Wasserstoffspeicher eine Chance in Alltagsanwendungen. In einem Liter Ameisensäure stecken 53 Gramm Wasserstoff - und dieser hat im gasförmigen Zustand ein Volumen von nahezu 600 Litern.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

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