27.02.2008

Esoterik mit dem Stempel
der Bundesregierung

Feng Shui als Arbeitsschutz?

Daß Arbeitsschutz von der "schwarz-roten" Bundesregierung - ebenso wie von den vorangegangenen - nicht wirklich ernst genommen wird, zeigen tödliche Unfälle auf Großbaustellen. Daß Bauarbeiter auf Gerüsten gesichert werden müssen, steht zwar in den einschlägigen Arbeitsschutz-Vorschriften - da aber Kontrollen und entsprechende Strafen für die Baufirmen ausbleiben, läßt sich hieran die realexistierende Wertigkeit von Arbeitsschutz ablesen.

Billiger und eine gewisse Art der Konfliktvermeidung ist es zumal, Broschüren drucken und verteilen zu lassen, die Ratschläge für Arbeitsschutz enthalten. Und kostensparend ist es außerdem, wenn Arbeitsschutz durch das Verrücken von Büromöbeln realisiert werden soll. Ein jüngstes Beispiel liefert die dem "roten" Bundesarbeitsminister Olaf Scholz unterstehende Bundesanstalt für Arbeitsschutz, die 2007 eine Broschüre mit dem Titel "Wohlbefinden im Büro - Arbeits- und Gesundheitsschutz bei der Büroarbeit" veröffentlicht hat. Ab Seite 29 wird unter der Überschrift "Die Energie fließen lassen! - Feng Shui im Büro", der Einsatz der chinesischen Geomantie zur Verbesserung des Arbeitsumfeldes empfohlen. Offenbar dringen esoterische Wahnvorstellungen nun auch bis in Bundesbehörden vor.

Als konkrete Maßnahmen werden dort bestimmte Anordnungen von Büromöbeln empfohlen. So sollten sich beispielsweise zwei MitarbeiterInnen nicht direkt gegenübersitzen, Schreibtische in der diagonal zur Tür liegenden Ecke und nicht direkt mit Blickrichtung zur Wand aufgestellt werden. Auch sollen Schreibtische spätestens zum Feierabend aufgeräumt oder Büros mit Pflanzen dekoriert werden. Ein Sammelsurium teils kurioser, teils durchaus sinnvoller Vorschläge wird auf der scheinbaren Grundlage der frühchinesischen Chi-Lehre ausgebreitet.

Als Grund für die Wirksamkeit der vermeintlich aus dem Feng Shui abgeleiteten Ratschläge wird eine "universelle Lebensenergie", das Chi, angenommen. Allerdings kann bis heute nicht erklärt werden, welcher Art diese "Energie" sei. Die frühchinesische Chi-Lehre, auf der das Feng Shui basiert, kann sich nicht auf empirisch überprüfbare Erkenntnisse stützen. Eine positive Wirkung von Feng Shui konnte nie wissenschaftlich belegt werden.1 Es handelt sich um eines von vielen - höchst unplausiblen - Lebenskraftkonzepten. Solche Lebenskraftkonzepte wurden in den Biowissenschaften bereits Mitte des 19. Jahrhunderts aufgegeben. Doch selbst wenn die Existenz einer Chi-"Energie" bei Lebewesen belegbar wäre, so bliebe zu erklären, wie und warum diese im Bereich der Architektur und Raumgestaltung wirksam sein sollte.

Gerne wird darauf hingewiesen, daß Feng Shui in China mit Erfolg angewendet würde. Allerdings wurde Feng Shui in seinem Ursprungsland nicht als wissenschaftlich begründetes Verfahren angesehen, sondern es handelt sich um einen Teilbereich der durch den Taoismus geprägten Volksreligion. Feng Shui ist eine Glaubenslehre, resultierend aus dem in der chinesischen Tradition verwurzelten Ahnenkult. So wird die Position von geographischen Gegebenheiten und Gegenständen oder auch Gräbern der Vorfahren - ähnlich wie es in der Astrologie in Bezug auf Himmelskörper geschieht - genutzt, um Prognosen über zukünftige Ereignisse zu liefern. Dennoch besteht keinerlei Anlaß zu kulturellem Hochmut, denn hierzulande ist es schließlich nicht verboten, bei der "Mutter Gottes" um Fürsprache zu bitten und auch die Wissenschaft hat beispielsweise mit der Annahme eines "Äthers" als Trägermedium elektromagnetischer Wellen über einen längeren Zeitraum einen Irrweg verfolgt.

Die in der Broschüre geschilderten Beispiele für sinnvolle Bürogestaltung sind dennoch in der Regel nachvollziehbar; allerdings auch ohne Verweis auf eine Erklärung gemäß den Feng-Shui-Regeln. So wirkt ein aufgeräumtes Büro, welches mit Pflanzen verschönt wird, selbstverständlich entspannender und fördert das "Arbeitsklima". Wer möchte schon gerne mit dem Gesicht zur Wand sitzen oder gar mit dem Rücken zur Eingangstür? Auch entsprechen die empfohlenen Positionen und Formen von Büromöbeln den schon lange bekannten Gestaltungsregeln. Hier werden klassische Gestaltungsregeln als fernöstliche Weisheiten verbrämt.

In der Broschüre wird auf Literatur zum Thema Bürogestaltung durch Feng Shui hingewiesen. Tatsächlich aber gibt es in der Feng-Shui-Tradition diese Aufgabenstellung gar nicht. Büroeinrichtung war niemals Thema der klassischen Feng-Shui-Literatur. Bei den empfohlenen Werken handelt es sich zumeist um westliche, esoterisch geprägte, individuelle Interpretationen des Themas. Viele der dort angegebenen Verfahren und Hilfsmittel sind keineswegs Bestandteil des chinesischen Originals, sondern moderne Erfindungen.

Die Empfehlung des Feng Shui in einer von einer Bundesanstalt herausgegebenen Broschüre bewegt sich somit zwischen "höchst fragwürdig" und "skandalös". Leider wird durch solche Exkurse in die Esoterik die Vertrauenswürdigkeit der Bundesanstalt beschädigt, weil die Unterscheidung zwischen wissenschaftlich begründeten Verfahren des Arbeitsschutzes und auf Esoterik beruhenden verwischt wird.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

1 Im übrigen wenden wir uns auch gegen die Zulassung von Medikamenten, deren Wirksamkeit nicht wissenschaftlich nachgewiesen wurde - so im aktuellen Fall bekannter Anti-Depressiva - , mit denen Pharma-Konzerne Millionen verdienen.

Siehe auch unsere Artikel:

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      Uri Geller nach drei Jahren erneut recycled (8.01.08)

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      Kein UFO vor dem Weißen Haus (13.12.07)

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      Der Wunderglaube der katholischen Kirche (16.04.07)

      Ist Alternativ-Medizin
      nur Esoterik? (28.09.05)

      Astrologie - voll daneben (16.12.04)

      RTL-Verdummung
      mit Günter Jauch und Uri Geller (15.11.04)

      Rutengänger und Geistheiler
      blamierten sich reihenweise (13.10.04)

      Eine Million Dollar geboten (10.10.04)

Wir danken der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) für die diesem Artikel zugrundeliegenden Informationen. Ihre web site ist zu finden unter:
http://www.gwup.org

Die hier kritisierte Broschüre der Bundesanstalt für Arbeitsschutz ist im www zu finden unter:
http://www.baua.de/nn_21604/de/
Publikationen/Broschueren/A11,xv=vt.pdf

 

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